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»Sehr viele Tränen sind geflossen«

Galeria Karstadt Kaufhof will 52 Häuser schließen

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.

Ladenschluss bei Galeria Karstadt Kaufhof. Seit Montag ist klar, was sich seit Monaten abgezeichnet hat: Der letzte große Warenhauskonzern der Bundesrepublik will nach Angaben des Betriebsrates zahlreiche Filialen aufgeben. 52 seiner aktuell 129 Warenhäuser sollen geschlossen werden. Bei den Beschäftigten löste diese Ankündigung heftige Reaktionen aus. »Da sind sehr, sehr viele Tränen geflossen«, berichtete Anja Sabrowski, Betriebsratsmitglied am Standort in Gelsenkirchen, dem WDR. Als man von den Plänen erfahren habe, sei das »wie ein Schlag in die Magengrube« gewesen, so Sabrowski weiter.

Der Gesamtbetriebsrat, der die Interessen der bundesweit rund 17 400 Beschäftigten vertritt, geht einer Meldung zufolge davon aus, dass durch die Schließungen weit mehr als 5000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren würden. »Das ist ein rabenschwarzer Tag«, so der Betriebsrat.

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Das Unternehmen erklärte hingegen in einer Pressemeldung, die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH stelle nun »die Weichen für eine sichere Zukunft«. 77 Standorte mit 11 000 Arbeitsplätzen sollen erhalten bleiben, meldete der Konzern und sprach von lediglich 4300 wegfallenden Stellen. Die verbleibenden Filialen sollen sich künftig stärker auf regionale Bedürfnisse ausrichten und allesamt umfassend modernisiert werden. Damit hätten sie eine »tragfähige wirtschaftliche Perspektive«, so der Galeria-Generalbevollmächtigte Arndt Geiwitz. »Um die lokalen Strukturen zu stärken, geben wir den Filialen mehr Eigenständigkeit«, versprach zudem Galeria-Chef Miguel Müllenbach. Das Warenhaus habe in Deutschland eine Zukunft.

Die geplanten Schließungen sollen laut Plänen der Konzernleitung in zwei Wellen ablaufen. 21 Filialen sollen zum 30. Juni 2023 schließen, weitere 31 Standorte zum 31. Januar 2024. Betroffen sind unter anderem Filialen in Berlin, Hamburg, München, Gelsenkirchen und Bremen. Den Beschäftigten solle mit einer Transfergesellschaft geholfen werden, sich zu qualifizieren und eine neue Stelle zu finden, so das Essener Unternehmen.

Wie kam es zu den Schließungen? Galeria, entstanden aus dem Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof, steckt seit Jahren in der Krise. Zusätzlich hatten behördliche Auflagen in der Coronakrise das Geschäft belastet, der Konzern war auf Staatshilfen angewiesen und litt zudem an einem Konsumrückgang durch den Ukraine-Krieg. Zudem schrieb Konzernchef Müllenbach in einem Brief an die Mitarbeiter*innen den explodierenden Energiepreisen eine zentrale Bedeutung für die Krise zu.

Der Gesamtbetriebsrat verwies jedoch auf hausgemachte Probleme des Handelskonzerns, der seit 2014 dem österreichischen Milliardär und Investor René Benko gehört. Er hatte Karstadt und Kaufhof damals zusammengeführt. Der Betriebsrat kritisierte deutlich eine fehlende Strategie des Managements. Dieses habe bei der Entscheidung zur Schließung unterschiedliche Gründe genannt, etwa Mieten, den Gebäudezustand oder den Investitionsbedarf.

»Wieder einmal sind es die Beschäftigten, die die Zeche dafür zahlen müssen, dass Manager ihren Job nicht gemacht haben«, erklärte daher Stefanie Nutzenberger, für den Handel zuständiges Verdi-Bundesvorstandsmitglied. »Es muss weiter jede Möglichkeit und Chance genutzt werden, um Filialen zu erhalten. Klar ist: Wir werden zusammen mit den aktiven Beschäftigten um jeden Arbeitsplatz kämpfen«, so die Gewerkschafterin. Sie forderte ebenso eine Neustruktuierung der gesamten Managementführung. »Mit dem alten Management ist keine Zukunft zu bauen.«

Auch Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch ging hart mit der Konzernleitung ins Gericht. Er forderte ein Eingreifen der Bundesregierung. Benko habe »versagt«, so Bartsch. Es seien »Zweifel angebracht, ob es Benko jemals um Galeria ging und nicht immer zuerst um sein Immobiliengeschäft«. Die Schließungen seien eine »Tragödie für die Beschäftigten und Innenstädte«, sagte Bartsch. Er forderte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf, zum »Anwalt der Beschäftigten« zu werden. »Wir brauchen eine Debatte über eine öffentliche Auffanggesellschaft von Bund und Ländern, über Kaufhäuser in öffentlicher oder genossenschaftlicher Hand«, so der Linke-Politiker.

Habeck selbst bedauerte die Schließungen. Die Entscheidung sei schwer für die Mitarbeiter*innen, sagte er bei einem Besuch in Brasilia. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wurde konkreter und sicherte den Beschäftigten Unterstützung zu: »Wir werden mit den Möglichkeiten, die wir haben, wenn eine Vereinbarung für eine Transfergesellschaft zustande kommt, mit der Bundesagentur für Arbeit mithelfen, dass auch – wo immer es geht – Menschen Anschluss finden«, sagte er in der ARD-Sendung »Hart aber fair«.

Vor zwei Jahren hatte der Handelsriese bereits gut 40 von damals 172 Filialen geschlossen, wobei rund 5000 Mitarbeiter*innen ihren Job verloren. Mit der Ankündigung von Montag ist das Ringen um die Zukunft der Kaufhäuser jedoch nicht beendet. Denn die Schließungen sind erst unter Dach und Fach, wenn am 27. März auch die Gläubigerversammlung zustimmt.

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