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- Präsidentenwahl beim Fifa-Kongress
Gianni Infantino macht sich die Fifa zum Untertan
Mehr Geld für Verbände und die Fußballerinnen: So erkauft sich der Präsident die Liebe der Fifa
Niemand hatte etwas anderes erwartet, als dass sich Gianni Infantino mal wieder selbst auf die Brust klopft. Vielleicht nicht ganz so kräftig wie vor vier Jahren in Paris, aber ansonsten wirkte der 73. Kongress des Fußball-Weltverbands Fifa in Kigali wie eine Blaupause der Proklamation des Präsidenten in dessen erster Amtszeit. Als der zum treuen Infantino-Vasall umgepolte Salman bin Ibrahim Al Chalifa aus Bahrain vorschlug, den ranghöchsten Fußballfunktionär in Ermangelung von Gegenkandidaten doch einfach erneut per Applaus zu bestätigen, standen die Gefolgsleute im Kongresssaal der Hauptstadt von Ruanda stramm. In Windeseile war die Akklamation vollzogen.
Der Schweizer zog es diesmal vor, bei seiner Danksagung sitzen zu bleiben, um mit Pathos zu konstatieren: »Alle, die mich lieben – ich weiß, das sind viele, und alle die mich hassen, ich weiß, es gibt da ein paar: Ich liebe euch alle!« Dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als größter nationaler Einzelsportverband am Vortag seine Unterstützung verweigert hatte und damit eine Mini-Opposition aus Europa anführt, verpuffte bei der perfekt inszenierten Personality-Show, bei der sich auch Fifa-Generalsekretärin Fatma Samoura (»Wir lieben Sie, Präsident!«) nur noch als Staffage hergab. Infantino konnte also locker ausrufen: »Die überwältigende Mehrheit hat das Gefühl, dass ich einen guten Job mache – auch in Europa.« Dass DFB-Chef Bernd Neuendorf dann sitzen blieb, war ihm herzlich egal.
Nicht mal bei der Verabschiedung des gigantischen Haushalts für die Jahre 2023 bis 2026 mit einem Volumen von weit mehr als 11 Milliarden US-Dollar gab es bei der elektronischen Abstimmung eine Gegenstimme. Auch Neuendorf drückte also den Ja-Knopf, zumal Infantino dem Auditorium ja versprochen hatte: »Das Geld der Fifa ist euer Geld.« Der 52-Jährige sagte freilich nicht laut, dass er sich mit den immer höheren Zuwendungen – bald werden 2,25 Milliarden Dollar nur über das Entwicklungsprogramm »Fast Forward« ausgeschüttet – die Zustimmung der Konföderationen und von mehr als 200 Verbänden quasi erkauft.
Ein weiteres wichtiges Stilmittel erklärte der Impresario so: »Wir wollen mehr und nicht weniger Wettbewerbe, um den Fußball wachsen zu lassen.« So müssten unbedingt mehr Teams aus anderen Erdteilen, insbesondere Afrika, bei den Fifa-Turnieren mitspielen, das sei seine »Pflicht und Verpflichtung«. Genau das passiert bald bei der auf 48 Mannschaften aufgeblähten und wenig nachhaltigen Männer-WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko, die den Weltverband insgesamt 3,83 Milliarden Dollar kosten wird. Doch wohl das Doppelte fließt an Einnahmen wieder zurück.
Die Fifa hatte 2022 bei der umstrittenen WM in Katar 5,77 Milliarden Dollar verbucht, im letzten Berichtszeitraum (2019 bis 2022) mehr als eine Milliarde Gewinn gemacht. Der Verband sitzt inzwischen auf riesigen Reserven. Fast 4 Milliarden Dollar betragen die Rücklagen. Dass Infantino seit seiner Amtsübernahme eine dermaßen lukrative Ära orchestriert, findet er selbst äußerst lobenswert: »Wenn ein Unternehmer ankündigen würde, dass die Dividenden um das Siebenfache erhöht werden, würde man ihn auf ewig behalten, dann ginge es nicht nur um ein Vierjahresmandat.« Darin klang unverhohlen die Absicht durch, 2027 noch einmal für vier weitere Jahre zu bleiben.
Der in jeder Art von Schauspiel überaus geübte Netzwerker bemühte einen Strauß seiner mehrsprachig vorgetragenen Argumentationen, um seinen positiven Einfluss auf den Fußball zu skizzieren: Er wäre doch jüngst nicht zum G20-Gipfel nach Indonesien eingeladen worden, wenn Politiker, Organisationen und Institutionen der Fifa nicht Rückendeckung geben würden. »Diese Leute würden sich nicht mit einer Fifa zusammensetzen, der sie nicht trauen.« Auch Medienanstalten und Sponsoren stehen unverändert parat, um bislang fast jeden Expansionsplan mitzutragen, weil eben auch Länder wie Katar von der Beliebtheit dieses Sports profitieren wollen.
Nur an einem Punkt hatte es Infantino übertrieben: Die Tourismusbehörde Saudia-Arabiens als Partner der Frauen-WM in Australien und Neuseeland (20. Juli bis 20. August) installieren zu wollen, ist laut Infantino an einem »Sturm im Wasserglas« gescheitert: Die Gastgeber aus Ozeanien wollten keinen Partner aus einem Land, das es mit Menschen- und Frauenrechten nicht so genau nimmt. Die Verträge werden nicht unterschrieben, versicherte der Fifa-Chef auf der anschließenden Pressekonferenz in Kigali – und unterstellte Australien sogleich Doppelmoral, schließlich würde der Staat milliardenschwere Geschäfte mit Saudi-Arabien abwickeln.
Saudi-Arabiens Machthaber, Kronprinz Mohammed bin Salman, der gegen Kritiker schon mal die Todesstrafe vollstrecken lässt, möchte Infantino das nächste Großereignis derweil auf dem goldenen Tablett servieren: die Männer-WM 2030. Die saudischen Herrscher bezahlen genau wie der katarische Emir fürs »Sportwashing« jeden Preis. Quasi als Appetizer hat die Fifa schon mal die Klub-WM 2023 dorthin vergeben.
Ansonsten spielte der Frauenfußball eine ziemlich große Rolle in Infantinos Schlussansprache, wohl auch, weil der Boss hier weiteres Wachstumspotenzial und damit Erlösquellen vermutet. So soll bei Weltmeisterschaften schon bald das Prinzip von Equal Pay umgesetzt werden, um mit »Taten statt leerer Worte« voranzugehen: »Unser Ziel ist es, in der Lage zu sein, bei der WM der Männer 2026 und der Frauen 2027 gleiche Bezahlung zu erreichen.« 150 Millionen Dollar Preisgeld – und damit zehnmal so viel wie 2015 in Kanada – kämen durch die Fifa bereits jetzt in Australien und Neuseeland zur Ausschüttung.
Für die Gleichberechtigung seien nun vor allem die Fernsehanstalten gefordert, erklärte Infantino, der eine feine Spitze gegen Deutschland in sein letztes Statement verpackte. Dem Vernehmen nach stocken die Verhandlungen mit ARD und ZDF um die Rechte der Frauen-WM 2023, weil es völlig unterschiedliche Vorstellungen über den Wert des Turniers gibt, das zu einer Zeit läuft, wenn es in Europa Nacht bzw. früher Morgen ist.
Ganz allgemein kritisierte der Fifa-Chef: »Es kann nicht sein, dass TV-Sender 100 Millionen für eine WM der Männer bieten und nur eine Million für die Frauen.« So weit lägen die Einschaltquoten längst nicht mehr auseinander. Sein Vorwurf: »Das sind Sender, die vom Steuerzahler finanziert werden und die dann noch Equal Pay fordern.« Man werde jedenfalls nicht die Rechte zu den bisher eingegangenen Geboten verkaufen, lautete seine Warnung, ehe er seine ergebene Gefolgschaft mit leichter Verspätung in die Mittagspause entließ.
Was das für den deutschen Markt bedeutet, ist vier Monate vor der nächsten Frauen-WM noch völlig offen. Vielleicht wäre es nicht verkehrt, wenn DFB-Chef Neuendorf mit seinem Einzug ins Fifa-Council am 5. April – seine Wahl gilt bei der nächsten Sitzung der europäischen Verbandsspitze als Formalie – einen direkten Draht zu dem Mann aufbauen kann, der sich die Fußball-Welt nach seinen Vorstellungen in Kigali noch ein bisschen mehr untertan gemacht hat.
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