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Berlinovo macht Kleingärten platt
Eine Gartenkolonie in Berlin-Wilmersdorf soll teuren Mini-Apartments weichen
»Diese Gärten sollen weg« und »Kleingartenschutz ist Klimaschutz« steht auf großen Transparenten, die am Zaun rund um den Block 4 der Kleingartenkolonie Am Stadtpark 1 in Wilmersdorf befestigt sind. »Den Gärten wurde also gekündigt?«, fragt ein Anwohner mit Hund, als Gabriele Gutzmann gerade das Gartentor öffnet. So ist es, bestätigt die Vorsitzende der Kolonie. Und nicht nur aus Perspektive der Gärtner*innen, auch aus der der Stadtentwicklung sei das zu kritisieren. »Der Mensch braucht Erholung und es gibt hier ohnehin schon einen Mangel an Stadtgrün, da sollte man nicht noch das letzte bisschen zerstören«, sagt Gutzmann.
Noch zwitschert und krabbelt und summt es, wenn man das 2400 Quadratmeter große Biotop betritt. Doch Ende des Jahres sollen die 13 Gärten, 66 Obstbäume, drei Bienenvölker, Garten- und Vogelhäuschen abgerissen werden. Die landeseigene Immobiliengesellschaft Berlinovo, die die Fläche im vergangenen Jahr der Berufsgenossenschaft BG Bau abgekauft hatte, hat den Zwischenpachtvertrag mit dem Bezirksverband der Kleingärtner Berlin-Wilmersdorf am 3. Februar zum Jahresende gekündigt.
»Nach dem Erwerb des Grundstücks plant die Berlinovo, auf dem Gelände rund 280 Apartments zu errichten, die zu sozialen Mieten an Studierende und an Nutzer vermietet werden sollen, an deren preiswerter Wohnraumversorgung das Land Berlin ein hohes Interesse hat, wie beispielsweise Gastwissenschaftler an Berliner Forschungs- und Bildungseinrichtungen und junge Fach- und Führungskräfte«, teilt Berlinovo-Sprecher Ulrich Kaliner auf nd-Anfrage mit. Darüber hinaus solle eine Kita für etwa 50 Kinder im Erdgeschoss errichtet werden.
»Das tut echt weh, dass hier nächstes Jahr die Bagger rollen werden«, sagt Jürgen Heilmann, der seit 21 Jahren eines der betroffenen Gartenstücke pflegt. Er verweist auf zahlreiche geschützte Tier- und Pflanzenarten, denen die über 80 Jahre alte Kolonie ein Zuhause bietet. »Die Gärten haben eine wichtige Funktion als Trittsteinbiotop, damit Tiere sich in der Stadt fortbewegen können«, erklärt er. Außerdem seien sie wichtig für die Nachbarschaft, ergänzt Gutzmann. »Gemeinsam gärtnern ist ein Stück Lebensqualität.« So gebe es einen Gemeinschaftsgarten und zahlreiche Angebote für Anwohner*innen. Es würden alte Sorten angebaut, Äpfel an Obdachlose gespendet und Projekte zur Ernährungswende umgesetzt. Laut einer monetären Bewertung der Ökosystemleistungen sowie der ehrenamtlichen Arbeit, die in dem Gartenstück steckt, ist es fast 450 000 Euro wert – die Biodiversität nicht mitgerechnet.
Vom geplanten Verkauf der BG Bau erfuhr Gutzmann im August eher zufällig, da die Fläche vermessen werden sollte. Obwohl das Stadtentwicklungsamt laut Charlottenburg-Wilmersdorfs zuständigem Stadtrat Fabian Schmitz-Grethlein (SPD) schon seit 2021 mit dem Vorhaben befasst ist, sind weder die Betroffenen noch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) frühzeitig darüber informiert worden, wie Frederike-Sophie Gronde-Brunner bestätigt.
Sie sitzt für Die Linke in der BVV und hat sich für den Erhalt der Gärten stark gemacht. »Wir erkennen den Mangel an Wohnraum an, aber sehen es kritisch, dass dafür ausgerechnet ein Garten plattgemacht wird«, sagt sie zu »nd«. Es gebe genügend bereits versiegelte Flächen, die für den Wohnungsbau genutzt werden könnten. Zum Beispiel hätten bei einem Bauprojekt des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten in fußläufiger Nähe gleich Studierendenwohnungen mitgeplant werden können.
Eigentlich hatte die BVV 2016 nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren beschlossen, die Grünflächen und Kleingärten des Bezirks dauerhaft zu sichern – BVV-Beschlüsse sind jedoch nicht rechtlich bindend, sagt Gronde-Brunner. So wurden trotz des gegenteiligen Bürgerentscheids 2016 noch 156 Gärten der Kolonie Oeynhausen und 20 Parzellen der Kolonie Wiesbaden abgeräumt. 2020 war auch Block 1 der Kolonie am Stadtpark 1 bedroht, der jedoch gerettet werden konnte. Der nun betroffene Block 4 ist im Kleingartenentwicklungsplan nicht als schutzwürdig eingestuft, da die Fläche bislang in Privatbesitz war. In diesem Fall kann der Eigentümer selbst entscheiden, was darauf gebaut wird. Aber: »In dem Moment, wo eine landeseigene Gesellschaft die Fläche kauft, hat die Politik Handlungsspielraum«, sagt die Linke-Politikerin.
So sieht das auch Niklas Schenker, der für die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus sitzt und bis 2021 Mitglied der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf war. Entweder könnte die Finanzverwaltung anordnen, dass kein Bauantrag gestellt wird, oder der Bebauungsplan wird derart geändert, dass der Garten geschützt wird. Allerdings wollte das im Bezirk niemand außer der Linken, sagt Schenker.
Die Linksfraktion hatte im November dann auch einen Antrag auf Baustopp in die BVV eingebracht, der in der Zählgemeinschaft von SPD und Grünen jedoch keine Mehrheit fand. Im Umweltausschuss der BVV wurde lediglich ein abgeschwächter Änderungsantrag der CDU angenommen, der im Stadtentwicklungsausschuss anschließend noch ein weiteres Mal »verwässert« wurde, wie Gronde-Brunner sagt. Nun wurden Bezirksamt und Senat lediglich damit beauftragt, »zu prüfen, ob und in welcher Form« die Kleingärten gesichert werden könnten.
In der jetzt vorliegenden Antwort wird darauf verwiesen, dass die BG Bau zusammen mit der Gartenfläche zwei angrenzende Grundstücke verkauft hatte, auf der sich die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) befindet. Diese wurde von der ebenfalls landeseigenen BIM Berliner Immobilienmanagement erworben. »Der Senat betont die Vorteilhaftigkeit des Erwerbs sowohl für die HWR, die am Standort dauerhaft gesichert werden kann, als auch für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und Kitaplätzen im Bezirk«, heißt es in dem Schreiben des Bezirksamts.
Auch Ulrich Kaliner von der Berlinovo erklärt, dass keine anderen Flächen für den Wohnungsbau infrage kamen, »weil es darum geht, diese Grundstücke für eine Verwendung entsprechend der Bedarfe des Landes Berlin zu sichern«. Bezirksstadtrat Fabian Schmitz-Grethlein begrüßt die Entscheidung. »Eine Nichtbebauung ist vor dem Hintergrund des von dem privaten Eigentümer aufgerufenen Kaufpreises keine Alternative«, teilt er »nd« mit. Zudem habe Charlottenburg-Wilmersdorf so großen Bedarf an Wohnraum, dass alle Flächen genutzt werden müssten.
Dabei kann bezweifelt werden, dass es um sozialen Wohnungsbau geht. Laut »Tagesspiegel« soll der Berlinovo-Neubau in 18 Quadratmeter kleine Mini-Apartments eingeteilt werden, die für 490 Euro bruttowarm im Monat vermietet werden sollen, also für 27 Euro je Quadratmeter. »Damit ist das für die Bebauung vorgebrachte Argument der dringend benötigten sozialen Infrastruktur unzutreffend«, betont Gabriele Gutzmann. Dennoch: Im Ergebnis sind Senat und Bezirksamt laut Mitteilung zu dem Schluss gekommen, »dass keine Alternative zu dem Vorhaben gesehen wird«. Nun sehe sie da »keinen Hebel mehr«, bedauert Frederike-Sophie Gronde-Brunner. Voraussichtlich werden die Gärten für Mini-Apartments plattgemacht.
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