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  • Potsdamer Garnisonkirche

Garnisonkirche als Geburtsstätte des Naziregimes

Der Historiker Thomas Wernicke bietet eher Unbekanntes zu 90 Jahren »Tag von Potsdam«

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Die oft kompliziert erscheinende Geschichte lässt sich mitunter auf die einfachsten Dinge reduzieren. Nach der Wende wird in Ostberlin mit dem Palast der Republik das Haus abgerissen, in dem die Wiedervereinigung 1990 von der Volkskammer der DDR demokratisch beschlossen wurde. Und heute wird in Potsdam mit der Garnisonkirche das Gebäude wieder aufgebaut, das als »Geburtsstätte des Dritten Reiches« galt und auch weiterhin zu gelten hat.

Muss man eigentlich noch mehr wissen? Vielleicht. Bei einer Veranstaltung am Dienstagabend in der brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung nahm der Historiker Thomas Wernicke den 90. Jahrestag des 21. März 1933 zum Anlass für einen Rückblick auf den berüchtigten Staatsakt in der Garnisonkirche. Und dabei hatte er dann doch noch mehr zu bieten als die allgemein bekannten Dinge zum symbolträchtigen Händedruck von Kanzler Adolf Hiltler und Reichspräsident Paul von Hindenburg: Als Nazideutschland 1936 die Olympischen Spiele in Berlin ausrichtete, lautete das Motto »Come and see – Germany!« (Komm und sieh Deutschland). Die Stadtoberen Potsdams ließen sich dazu etwas Besonderes einfallen. Ihr Olympia-Plakat zeigte die Garnisonkirche umrahmt von den Worten: »Potsdam – die Geburtsstätte des Dritten Reiches.«

Nach allem, was man über den »Tag von Potsdam« am Dienstagabend erfuhr, ist die Einstufung als Geburtsstätte des Naziregimes nicht ganz falsch. Es ist schon viel über die feierliche Eröffnung des Reichstags in der Potsdamer Garnisonkirche publiziert worden, auch über das berühmte Foto eines US-amerikanischen Bildreporters, das Hitler vor der Kirche zeigt, wie er sich vor dem ordensgeschmückten Paul von Hindenburg verneigt und so die unheilige Allianz der Faschisten mit den preußischen Militaristen in Szene setzt. Mitunter stößt man noch auf die Ansicht, es habe sich um eine Fotomontage gehandelt. Es war »der dritte Händedruck« zwischen den beiden an diesem Tag, erfuhren die knapp 100 Zuhörer in der Landeszentrale. Die »Vermählung« von Faschismus und Preußentum hätte nicht eindringlicher zelebriert werden können. Die meisten Minister im ersten Kabinett von Hitler waren keine NSDAP-Mitglieder, sondern Repräsentanten des bürgerlichen oder feudal-konservativen Deutschlands. Diese Regierung verantwortete die Annullierung von 81 Reichstagsmandaten der KPD. Laut Wernicke wurden die damit eingesparten Gelder für die Umwandlung der SA in eine Hilfspolizei eingesetzt.

Moderator Sebastian Stude sagte, es sei bei der Ankündigung der Veranstaltung nicht möglich gewesen, das Hitler-Hindenburg-Foto bei Facebook zu veröffentlichen, denn es zeige »eine gefährliche Person«. Stude mochte kaum lassen von der Frage, ob denn den Menschen damals der Übergang von der »Demokratie« zur »Diktatur« nicht bewusst gewesen sei. Dabei wäre es wirklich viel verlangt von den Zeitgenossen, angesichts ihrer Erfahrungen in der Weimarer Republik in dieser Art Demokratie etwas »Gutes« zu sehen. Für viele war sie eine Republik der Massenarbeitslosigkeit und der Massenverelendung. Ein Staat, der die Probleme der Weltwirtschaftskrise nicht zu lösen imstande war. Die Menschen wählten und wählten und alles wurde immer nur noch schlimmer.

1933 endete mit der Weimarer Republik ein Staat, der in den Augen seiner Bürger in fast jeder Hinsicht versagt hatte. Dass in diesem Jahr mit dem Hitler-Regime etwas noch unvergleichlich Entsetzlicheres begann, war vielen Menschen tragischerweise nicht klar. Gerade die Potsdamer haben das Dritte Reich mit einer nahezu nicht zu überbietenden Begeisterung empfangen. Es fanden aber »Feiern im ganzen Reich« statt, informierte Historiker Wernicke. Hitler eilte von Erfolg zu Erfolg. Das endete erst im Herbst 1941, als die Wehrmacht Moskau nicht erobern konnte.

Dass am 21. März 1933 die Sozialdemokraten und Kommunisten Potsdams Wernicke zufolge in den ersten Konzentrationslagern gemartert wurden, interessierte die weitaus größte Zahl ihrer Mitbürger nicht, wenn sie es nicht sogar noch begrüßten. In der Residenz der Hohenzollern, die schon vor 1933 lieber die Kaiserfahne Schwarz-Weiß-Rot aufzog, waren die Farben der Republik Schwarz-Rot-Gold am 21. März 1933 völlig ausgemerzt. Wernicke amüsierte sich über »Erinnerungen« im Hause der Familie zu Tresckow, wonach in Potsdam immer noch »beide« Fahnen geweht hätten. Das sei so nicht gewesen, weil es so nicht gewesen sein konnte. Nach dem Verständnis der Nazis stand schwarz für den Katholizismus, rot stand für den Kommunismus und gold für das »Judengeld«.

In der Geschichtsschreibung nicht selten: Auch dem Potsdamer »Staatsakt« wurde seine Bedeutung erst im Nachhinein verliehen. Wernicke verwies auf einen Tagebucheintrag Joseph Goebbels, der erst nach der Jahrtausendwende in Moskau aufgefunden worden sei. Dort habe der Reichspropagandaminister die Geschehnisse in Potsdam als »ganz groß« beschrieben, als mehr aber auch nicht. Erst in Goebbels’ 1934 erschienener Biographie »Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei« erhielt der 21. März 1933 dann rückblickend eine überragende Bedeutung zugewiesen.

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