• Sport
  • Fußball-Nationalmannschaft

DFB-Auswahl auf dem Weg

Die deutsche Nationalelf zeigt sich im ersten Spiel nach der WM gegen Peru spielfreudig

  • Frank Hellmann, Mainz
  • Lesedauer: 4 Min.
Kai Havertz (l.) vergab nach den beiden Treffern von Niclas Füllkrug (r.) vom Elfmeterpunkt das dritte Tor des Abends.
Kai Havertz (l.) vergab nach den beiden Treffern von Niclas Füllkrug (r.) vom Elfmeterpunkt das dritte Tor des Abends.

Vielleicht war es weise Voraussicht, möglicherweise auch bloß Zufall, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dem großen Generalstreik im Lande einfach entkommen kann. Die ersten Länderspiele des Jahres in die Domstädte Mainz und Köln zu legen und als Basisquartier Frankfurt zu nehmen, ist für den heutigen Montag gewiss von großem Vorteil. Der Verkehr auf Schiene und in der Luft soll weitgehend ruhen, doch wofür hat die A-Nationalmannschaft so bequeme Mannschaftsbusse, die gut bewacht die meiste Zeit hinter Gitterstäben im futuristischen Teamhotel an der Frankfurter Messe stehen. Sie werden nun den gesamten Tross die rund 200 Kilometer über die Autobahn 3 – und nicht wie mal angedacht über die daneben verlegte Bahntrasse im ICE – nach Köln bringen, wo das zweite Länderspiel gegen Belgien am Dienstagabend stattfindet.

Selbst die Pressekonferenz steigt am Montag noch auf dem DFB-Campus, was aber alles seichte Planänderungen sind. Im Vergleich zu den Millionen Pendlern, die unter dem Streik leiden, haben es die DFB-Kicker immer noch gut. Definitiv haben sie am Wochenende ein kleines Stückchen Weg zur Annäherung zurückgelegt. »Jeder Einzelne ist bereit, diesen Extrameter zu gehen«, stellte Bundestrainer Hansi Flick nach dem Sieg gegen Peru (2:0) fest, den sich im ZDF im Schnitt nur 6,36 Millionen Fernsehzuschauer ansahen. Dazu hielt der 58-Jährige fest: »Wir waren 90 Minuten griffig. Wir haben vorne zwei schöne Tore gemacht und haben hinten kein Tor bekommen, das war unser Ziel.«

Wille, Leidenschaft und Lust auf die Wiedergutmachung waren nach dem Fiasko bei der Weltmeisterschaft in Katar offensichtlich – aber alles andere hätte auch zu ernsthaften Debatten über die Reputation des Fußballlehrers geführt. Erstaunlich, dass die 25 358 Stadionbesucher, darunter eine beträchtliche Zahl an Peruanern, sogar eine La-Ola-Welle durch die rot illuminierte Arena am Mainzer Europakreisel schwappen ließen. Vielleicht einfach aus Freude, beim zumindest stimmungsmäßig geglückten Neuanfang 2023 dabei gewesen zu sein.

Trotz aller Freude über einen Zu-null-Erfolg gegen letztlich harmlose Südamerikaner, die nachträglich bewiesen, warum ihre Teilnahme an der WM in Katar abgesehen von ihrer Anhängerschaft absolut verzichtbar war, kam bei den Protagonisten kein Überschwang auf. Da war niemand, der sich mit Schlusspfiff jubelnd in den Armen lag. Dafür spürte jeder, dass von diesem Spiel allenfalls zarte Ansätze einer Aufbruchstimmung ausgehen können. Eine Zeitenwende war das noch nicht.

Flick ist es daher sehr recht, dass mit den in Katar ebenfalls in der Vorrunde verabschiedeten Belgiern eine aussagekräftigere Standortbestimmung wartet. Die Roten Teufel haben unter dem neuen Trainer Domenico Tedesco zum Auftakt der EM-Qualifikation gleich 3:0 in Schweden gewonnen. »Das ist ein anderes Kaliber. Ich bin froh, dass wir im zweiten Spiel so einen Gegner haben«, sagte der Bundestrainer, der bereits ankündigte, »überwiegend die Mannschaft« spielen zu lassen, die in der ersten Halbzeit die meisten Pluspunkte sammelte. Es muss sich zeigen, ob die Änderung der Grundordnung in einem 4-2-2-2-System mit zwei Sechsern, zwei Zehnern und zwei Neunern auch gegen Weltklassespieler wie den ehemaligen Bundesliga-Star Kevin De Bruyne funktioniert. Das Grundgerüst, bestehend aus dem sicheren Torhüter Marc-André ter Stegen, dem verlässlichen Abwehrchef Matthias Ginter, der stabilen Doppel-Sechs Emre Can und Joshua Kimmich und natürlich dem vor Selbstbewusstsein strotzenden Doppelpacker Niclas Füllkrug (12. und 33.) wird Flick nicht auseinanderreißen. Und auch der forsche Debütant Marius Wolf sollte sich dringend noch einmal zeigen dürfen.

Die Ehrenrunde erledigten Joshua Kimmich und Kollegen zufrieden, aber gewiss nicht begeistert. »Zweite Halbzeit war zerfahren, da kam kein Spielfluss auf«, gestand Kapitän Kimmich, der in seinem 75. Länderspiel wieder eine schwarz-rot-goldene Binde trug. Ein bisschen mehr Farbe hätte dem Spiel nach den Einwechslungen von Leon Goretzka, Serge Gnabry und Mario Götze gut getan, aber richtige Impulse brachte allein der fleißige Gnabry, der einmal spektakulär die Latte traf (60.). Als sich das DFB-Team längst mit Alibi-Fußball ins Ziel rettete – und der anfangs stark spielende Kai Havertz zu allem Überfluss noch einen Elfmeter an den Pfosten und den Nachschuss unerlaubt ins Tor setzte (68.) – feierten Mergim Berisha und Kevin Schade noch ihr Debüt. Noch läuft es über 90 Minuten nicht wirklich rund bei der DFB-Auswahl, die aber die von Sportdirektor Rudi Völler eingeforderten Basistugenden abrief. Und damit erst gar keine Zweifel auf dem Weg zu mehr Bodenständigkeit aufkommen, veranstaltete der Verband am Sonntag einen Kochkurs für Kinder unter Anleitung von Nationalmannschaftskoch Anton Schmaus und mit tatkräftiger Hilfe einiger Kicker.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -