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»Housing Action Days«: Mietrebellen auf der Straße
Kundgebungen in Köln zum Auftakt der europäischen »Housing Action Days«
»Wohnraum für Alle« stand auf dem Transparent, das Kölner Mietrebell*innen am Samstagvormittag aus einem Gebäude in der Classen-Kappelmann-Straße 47 hängten. Sie hatten es besetzt, um auf den jahrelangen Leerstand der gut erhaltenden Immobilie aufmerksam zu machen. Es gehört der Russischen Föderation und ist ein Erbe jener Zeit, als Bonn die Hauptstadt der Bundesrepublik war und die Sowjetunion dort eine Botschaft hatte.
Weil dort wenig Platz war, hatte Moskau in Köln Immobilien erworben, die beispielsweise als Gästehäuser genutzt wurden. Das nun besetzte Haus sei auch zu geheimdienstlichen Zwecken genutzt werden, berichtet Kalle Gerigk gegenüber »nd«. Er ist seit Jahren im Bündnis »Recht auf Stadt Köln« aktiv, das den Leerstand von gut erhaltenen Häusern und die Zweckentfremdung von Wohnraum anprangert.
Schon vor einigen Jahren sind die Mietaktivist*innen auf die ehemaligen sowjetischen Immobilien gestoßen, die nun im Besitz der Russischen Föderation sind. Sie hat einen Verwalter bestellt, der weiterhin das Hausrecht ausübt, wie sich am Samstag zeigen sollte. Nach kurzer Zeit rückte die Polizei an und beendete die Besetzung. Mehrere Aktivist*innen mussten ihre Personalien abgeben. »Die deutsche Polizei hat im Auftrag der Russischen Föderation dafür gesorgt, dass die ihre Gebäude weiterhin leerstehen lassen kann«, moniert Gerigk. Er hat in den letzten Jahren immer wieder auf den Leerstand in den russischen Immobilien hingewiesen. Zeitgleich zur kurzzeitigen Besetzung protestierten am Samstagmittag vor den beiden anderen russischen Immobilien in Köln weitere Aktivist*innen.
Die Aktion fand im Rahmen des Housing Action Days statt, zu dem Initiativen von Mieter*innen und »Recht auf Stadt«-Gruppen in verschiedenen europäischen Ländern aufgerufen haben. Dabei handelt es sich um dezentrale Aktionen im Zeitraum zwischen dem 25. März und dem 2. April. Die Palette der Aktionen reicht von Infoständen, Unterschriftensammlungen bis zu Besetzungen wie in Köln.
In Dortmund thematisierten die an den Housing Action Days beteiligten Initiativen und Verbände am Samstag die steigenden Nebenkosten, die durch die Inflation und die hohen Energiepreise für Menschen mit geringen Einkommen existenzbedrohend sein können. Zu den Forderungen der Aktivist*innen gehört das Verbot von Gas- und Stromsperren, wenn Menschen die hohen Rechnungen nicht zahlen können.
In Berlin wird es im Rahmen der Housing Action Days am 1. April eine Demonstration geben, die um 12 Uhr am Ernst-Thälmann-Denkmal beginnt und dann zum S-Bahnhof Schönhauser Allee zieht. »Wir haben bewußt den Stadtteil Prenzlauer Berg ausgesucht, weil dort bei vielen in den 1990er Jahren mit öffentlichen Mitteln sanierten Häusern die Sozialpflicht wegfällt. Das bedeutet, dass die Mieten steigen werden und viele Bewohner*innen mit wenig Geld schon heute fragen, wie sie sich ihre Wohnung weiter leisten können«, erklärte eine Mitorganisatorin der Demonstration gegenüber »nd«. Zu den konkreten Forderungen zählt daher, dass mit öffentlichen Mitteln sanierte Häuser nicht aus der Mietpreisbindung herausfallen dürfen.
Bisher gilt, dass Investoren Sozialwohnungen nach zwölf bis 20 Jahren zu »normalen« Preisen vermieten dürfen. Auf diese Weise verringert sich jedes Jahr die Zahl der Wohnungen mit moderaten Mieten. Mit einer unbefristeten Sozialbindung dürften die Mieten dauerhaft nicht erhöht werden.
»Solche Forderungen sind gegen die Immobilienwirtschaft nur mit einem großen Druck der Mieter*innen zu erreichen«, erklärt Klara Sommer, die im Berliner Mieter*innenbündnis aktiv ist. Mit den Housing Action Days soll den Forderungen der Mieter*innen mehr Gehör verschafft werden.
Bisher war eine überregionale Organisierung von Initiativen schwer, weil die Mieter*innen mit individuellen Eigentümer*innen und ihren Forderungen konfrontiert waren. Dabei haben die Mietrebell*innen vor allem in Berlin auch einige Erfolge erzielt. »Doch spätestens nachdem der Berliner Mietendeckel juristisch gekippt wurde, haben Mieter*innen erkannt, dass wir mehr Druck auch auf die Politik machen müssen«, sagt Klara Sommer.
Mieterinitiativen haben sich indes am Samstag auch an der Gewerkschaftsdemo unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Krise« am Brandenburger Tor in Berlin beteiligt. Im Aufruf der Gewerkschaften Verdi und EVG hatte es geheißen, man werde nicht länger akzeptieren, »dass Menschen mit ihrem Geld nicht mehr bis zum Monatsende kommen, weil die Inflation unsere Löhne und Renten frisst«. Zu den Forderungen zählten sozial gerechte Energiepreise und bezahlbarer Wohnraum für alle.
Zu der Aktionswoche hat wie bereits mehrfach in den letzten Jahren die European Action Coalition (EAC) aufgerufen. Hintergrund der Aktionen sind drastisch steigende Lebenshaltungskosten, explodierende Mieten und Energiepreise, die die bereits bestehende Wohnungskrise noch verschärfen. Die EAC ist ein Netzwerk von etwa 35 Basisgruppen aus 22 verschiedenen Ländern. Die Aktionstage werden darüber hinaus noch von vielen anderen Organisationen unterstützt, die nicht Teil des Netzwerks sind. Das EAC wirft unter anderem den Staaten vor, Immobilienkonzernen »unverschämte Steuervergünstigungen« zu gewähren und zugleich Geld lieber in Aufrüstung als in Sozialpolitik zu stecken.
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