- Politik
- EU-Polizei
Frontex: Knüppel an der Außengrenze
Nach der letzten Änderung ihrer Verordnung erhielt die EU-Grenzagentur Frontex erweiterte Kompetenzen
Mit zwei Verordnungen haben der Rat der Europäischen Union und das EU-Parlament Frontex mit erweiterten Mitteln und Kompetenzen ausgestattet. Seit 2016 darf die EU-Grenzagentur Fahrzeuge, Flugzeuge und Drohnen anschaffen. Die 2019 abermals geänderte Verordnung bestimmt den Aufbau einer als »Ständige Reserve« bezeichneten Einheit mit 10 000 Beamten, die direkt dem Hauptquartier von Frontex in Warschau unterstehen und bis 2027 vollständig rekrutiert sein sollen. Derzeit besteht sie aus rund 2000 Beamten. Sie werden an den EU-Außengrenzen eingesetzt und sollen eigenständig Abschiebungen organisieren. Zudem betreut die Ständige Reserve den Betrieb einer riesigen neuen Datenbank für Reisende aus Drittstaaten.
Insgesamt 3000 Angehörige der Ständigen Reserve werden von Frontex als »Kategorie 1« selbst uniformiert und bewaffnet. Zu den Einsatzmitteln für die Ausübung von Zwang zählen außerdem Schlagstock, Handschellen und Reizstoffe. Eine solche EU-Polizeitruppe ist bislang einmalig. Damit verlässt die EU erstmals das Prinzip, dass Frontex-Personal grundsätzlich aus den Mitgliedsstaaten abgeordnet wird. Oberste Vorgesetzte der Einheit ist die aus Lettland stammende Aija Kalnaja, eine der drei Vizedirektorinnen bzw. -direktoren der Agentur.
Den Posten des neuen Abschiebechefs erhielt der deutsche Bundespolizist Lars Gerdes. Frontex errichtet unter seiner Leitung ein »Europäisches Rückkehrzentrum«. Es bietet den Mitgliedsstaaten ein »komplettes Dienstleistungsangebot« an, darunter auch die Bereitstellung von »Begleit- und Unterstützungsbeamten für Abschiebungen«. Frontex kümmert sich um die Vorbereitung und Durchführung von Abschiebeflügen und erledigt auch erforderliche Maßnahmen im Zielland der Betroffenen.
Gerdes leitete zuvor für mehrere Jahre die Ausbildungsmission der Bundespolizei in Afghanistan. Bei Frontex war der Polizeidirektor zudem stellvertretendes deutsches Mitglied im Verwaltungsrat. Das Gremium trifft Entscheidungen für die strategische Entwicklung von Frontex, jeder EU-Mitgliedsstaat entsendet dafür zwei stimmberechtigte Mitglieder nach Warschau.
In einer ersten, vollständig von der Agentur initiierten und organisierten »Rückführungsaktion« schoben die »Rückkehrteams« von Frontex vor einem Jahr 40 albanische Staatsangehörige nach Tirana ab. Das von Frontex gecharterte Flugzeug startete in Madrid, bei einer Zwischenlandung in Rom wurden weitere Personen an Bord gebracht.
Uku Särekanno aus Estland wurde im vergangenen Jahr zum dritten Vize-Direktor für »Informationsmanagement und -verfahren« ernannt. Zuletzt war er bei der EU-Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen (eu-Lisa), die ebenfalls in Estland ihren Sitz hat, für die Einführung neuer Datenbanken zuständig. Die Agentur betreibt unter anderem das neue Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem (Etias). Alle visumfrei in die EU Reisenden müssen bald vor ihrem Grenzübertritt persönliche Daten über ein Formular hinterlegen. Anschließend werden die Angaben mit anderen europäischen Polizeidatenbanken abgeglichen. Das Etias erteilt dann entweder die Freigabe oder eine Einreiseverweigerung. Frontex verwaltet mit perspektivisch rund 250 Beamten die Zentralstelle von Etias, ein Teil von ihnen ist bereits rekrutiert.
Für dessen neue Aufgaben hat die EU das Mehrjahresbudget von Frontex bis 2027 auf 5,6 Milliarden Euro erhöht, mehr als die Hälfte davon für die neue Grenztruppe. Rund 2,2 Milliarden will Frontex für Ausrüstung ausgeben. Ab 2024 errichtet die Agentur in Warschau ein neues Hauptquartier, das Gebäude soll mindestens 140 Millionen Euro kosten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.