Im Grünen lernen und spielen: Schulhöfe umgestalten

Schulgelände sollen Orte der Biodiversität und grüne Klassenzimmer werden

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Flächen aller versiegelten Schulhöfe Berlins zusammengenommen seien fast doppelt so groß wie der Tiergarten in Mitte, sagt Manfred Dietzen zu »nd«. Daten dazu, wie viele Schulhöfe begrünt seien, gebe es nicht. »Aber die Mehrzahl ist versiegelter als nötig«, kann er aus Erfahrung sagen. Dietzen ist Landschaftsarchitekt und arbeitet bei »Grün macht Schule«, der Berliner Beratungsstelle für pädagogische und nachhaltige Schulhofprojekte und -gestaltungen, die bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie angesiedelt ist. Seit mittlerweile 40 Jahren unterstützt die Beratungsstelle Berliner Schulen bei der Umgestaltung ihrer Schulhöfe, weg von Betonwüsten hin zu Schulgärten, Bäumen und grünen Spielarealen.

Gerade in Großstädten wie Berlin sei es »ein Problem, dass Kinder immer noch auf viel Asphalt groß werden«, so Dietzen. Wie sich das ändern lässt, war Thema der Online-Veranstaltung »Schulhöfe als Lernorte der Zukunft« der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in der vergangenen Woche. Ein Bezug zur Natur sei wichtig für Kinder, vor allem »angesichts des Klimakollapses«, erklärt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Denn Grünflächen heizen sich nicht so sehr auf wie Asphalt und Beton. Dadurch leisten sie auch einen positiven Beitrag zum Stadtklima und könnten zusätzlich als Erholungsraum für die Nachbarschaft dienen.

Seit sechs Jahren begleitet die DUH Schulen in anderen Bundesländern – ähnlich wie »Grün macht Schule« in Berlin – dabei, »naturnahe Lernorte der Biodiversität und Klimaanpassung« zu schaffen, wie Ilka Markus es ausdrückt, Fachreferentin Kommunaler Umweltschutz bei der DUH. Das heißt, Schulhöfe sollten so gestaltet sein, dass Kinder auch draußen, in und mit der Natur unterrichtet werden und sich in den Pausen erholen können. Ziel ist also eine Schule, die nicht nur Lern-, sondern auch Lebensort, und ein Schulhof, der nicht nur Pausen-, sondern auch Lernort ist. »Whole School Approach« nennt Silke Bell, Landeskoordinatorin Bildung für nachhaltige Entwicklung im Hessischen Kultusministerium, dieses »Zusammenspiel von Unterricht, Schulleben und Schulaußengelände«.

Ein wichtiger Baustein dabei ist sowohl für die DUH als auch für »Grün macht Schule« Partizipation. Es gebe Exkursionen und Fortbildungen mit den Schüler*innen, Lehrer*innen und Verantwortlichen des Bezirks, erklärt Manfred Dietzen. Beteiligung sei auch deswegen wichtig, ergänzt Ilka Markus, »damit die Schülerinnen und Schüler verantwortungsvoll mit ihrem Schulhof umgehen«. Vandalismus sei weniger ein Problem, wenn die Kinder und Jugendlichen Gärten und Spielareale selbst mitgeplant und -gestaltet haben. »Sie erfahren dann Selbstwirksamkeit, leisten einen gesellschaftlichen Beitrag und lernen zukunftsorientiert«, so Silke Bell.

Das bestätigt auch Carl Becher, Schülersprecher des Humboldt-Gymnasiums im nordrhein-westfälischen Solingen, das gemeinsam mit der DUH ein grünes Klassenzimmer angelegt hat. »Der Schulhof kann nur dann ein Erholungsort sein, wenn sich alle wohl fühlen«, erklärt er den knapp 400 Teilnehmer*innen der Online-Veranstaltung. Daher habe die Schüler*innenvertretung seiner Schule durch Umfragen erhoben, was Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen wichtig ist, und dies in Arbeitsgemeinschaften umgesetzt.

Es gibt aber auch Hemmnisse: So beklagt Romy Römhild von der Schulverwaltung Zeulenroda-Triebes in Thüringen fehlende personelle und finanzielle Mittel. Ein Begrünungsprojekt »läuft oft bis zur Bepflanzung erfolgreich, aber dann geht es nicht weiter und die Pflanzen gehen ein«, erzählt sie. Lehrer*innen hätten kaum noch Zeit, sich solchen Projekten zu widmen. Jan Rüffer, Lehrer an einer Schule in Hessen, berichtet von viel zu langsamen Behörden. Viereinhalb Monate habe seine Schule auf die Bearbeitung eines Antrags gewartet. Es brauche eine bundesweit einheitliche Musterbauregelung fordert Ursula Sowa, Grünen-Abgeordnete aus Bayern. »So wie der Brandschutz eingehalten werden muss, so sollte auch die Naturnähe eine Pflichtaufgabe sein«, findet sie.

Theoretisch befürworte er eine bundesweite Lösung, praktisch wäre er in Berlin aber schon froh, »wenn wir es über die Bezirke hinweg einheitlich hinkriegen«, sagt Manfred Dietzen von »Grün macht Schule« dazu. In Berlin seien die einzelnen Bezirksämter die Schulträger und sie »machen oft nur noch die Verkehrssicherung auf den Schulhöfen«, bedauert er. Die bürokratischen Hürden für die Umgestaltung von Schulhöfen seien hoch; es fehle an Strukturen, Geld und Personal. Hinzu komme, dass der Sanierungsstau sowohl an Schulgebäuden als auch an den Schulhöfen enorm sei. Priorität habe dann die Sanierung von Gebäuden und Toiletten und nicht der grüne Pausenhof.

Daher sei es auf jeden Fall wichtig, dass Entsiegelung und Begrünung nicht nur Empfehlungen sind, sondern zu Verpflichtungen werden, so Dietzen. Bis die Schulhöfe Berlins zusammengenommen tatsächlich einen annähernd doppelten Tiergarten ergeben, »ist es noch ein weiter Weg«, bilanziert Ilka Markus.

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