Ende des Asylrechts? Flüchtlinge bekommen schwerer Schutz

Mit der geplanten Reform des Asylrechts wird es für Geflüchtete zukünftig noch schwerer, in der EU Schutz zu finden

  • Fabian Lambeck, Brüssel
  • Lesedauer: 5 Min.

Das EU-Parlament ebnete in dieser Woche den Weg für die Verhandlungen zum Asyl- und Migrationspakt. Nach langen und zähen Sitzungen einigte sich der zuständige Innenausschuss auf eine gemeinsame Position für das anstehende Geschacher mit den EU-Staaten. Die Stoßrichtung der insgesamt vier Gesetzesvorschläge, auf die sich der Ausschuss verständigt hatte, ist klar: Die Abgeordneten werden den EU-Regierungen nicht in den Arm fallen, wenn diese das Asylrecht weiter aushöhlen wollen. Unter anderem soll es neue Vorschriften für Kontrollen an den EU-Grenzen geben. Was unspektakulär klingt, könnte das »Ende des Rechts auf Asyl einleiten«, fürchtet Cornelia Ernst, die migrationspolitische Sprecherin der Linken im Parlament. Denn der Teufel steckt im Detail, etwa beim neuen Screening-Verfahren, »durch das alle irregulär eingereisten Menschen registriert werden und so eine Identitätsprüfung durchlaufen müssen«, wie die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel erklärte, die den Vorschlag mit erarbeitet hatte.

Das Screening-Verfahren soll demnach nicht länger als fünf Tage dauern, kann aber auf bis zu zehn Tage ausgedehnt werden. »Es sollte die Identifizierung, die Abnahme von Fingerabdrücken, Sicherheitskontrollen und eine vorläufige Bewertung des Gesundheitszustands und der Gefährdung umfassen«, heißt es in einer Presseerklärung des Parlaments. Die Behörden könnten »dann das geeignete Verfahren für den internationalen Schutz oder die Rückführung wählen«.

Tatsächlich reisen beinahe alle Geflüchteten »illegal« in die EU ein, weil sie kein Schengen-Visum besitzen. Wer soll ihnen das auch ausstellen? Somit werden diese Personen zukünftig erst einmal festgesetzt – bis alle Formalitäten geklärt sind. »Sogar Kinder ab zwölf Jahren können unter bestimmten Umständen an der Grenze inhaftiert werden«, kritisiert Ernst. In dem Entwurf des Parlaments heißt es, dass »unbegleitete Minderjährige, Kinder unter zwölf Jahren und deren Familien immer einen regulären Asylprozess« durchlaufen sollen. Wer also älter ist als zwölf, hat Pech gehabt.

Fiktion der Nichteinreise

Angesichts der Tatsache, dass die zuständigen Behörden schon heute völlig überlastet sind, werden diese Screening-Verfahren und damit die Inhaftierung in der Realität wohl kaum nach zehn Tagen abgeschlossen sein. Erik Marquardt von den Grünen sieht hier »unter dem Strich eine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission« und verweist auf den beschlossenen »Grundrechts-Monitoring-Mechanismus«, der »systematische Verletzungen der Menschenrechte« verhindern soll. Doch solche Überwachungsmechanismen gibt es schon jetzt, etwa bei der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Dort haben sie die illegalen Pushbacks von Migrant*innen nicht verhindern, ja teilweise nicht mal registrieren können. Tatsächlich greift man tief in die juristische Trickkiste, um die Asylbewerber*innen ohne »Bleibeperspektive« bereits an der Grenze zurückschicken zu können. Etwa mit der altbekannten »Fiktion der Nichteinreise«. Wer also noch in einem der Einreiselager steckt, ist offiziell nicht in die Union eingereist. Dieser Fiktion bedienen sich die Behörden schon jetzt bei Asylverfahren an Flughäfen, wenn die Antragsteller*innen aus einem als sicher eingestuften Drittstaat einfliegen.

Der Vorschlag des Parlaments sieht zudem »schnellere und vereinfachte Verfahren für Asylanträge direkt nach dem Screening« vor, insbesondere für »Nationalitäten mit niedrigen Anerkennungsquoten«. Diese Verfahren sollten innerhalb von zwölf Wochen abgeschlossen sein, einschließlich der Rechtsbehelfe. Damit werde »das Recht auf wirksamen Rechtsbehelf praktisch ausgehebelt«, so Cornelia Ernst. Menschen im Grenzverfahren könnten so abgeschoben werden, »während sie noch auf das Ergebnis ihres Einspruchs gegen den Bescheid warten«.
Was im Vorschlag des Parlaments hingegen fehlt, ist eine grundlegende Reform der umstrittenen Dublin-Verordnung, wonach derjenige Mitgliedstaat den Asylantrag prüfen muss, in den der Asylbewerber zuerst eingereist ist. An diesem Ersteinreiseprinzip, das Länder an den EU-Außengrenzen benachteiligt, soll sich nichts ändern.

Offen bleibt die Frage der Verteilung

Noch völlig unklar ist, ob der Asyl- und Migrationspakt vor den nächsten Europawahlen im Frühjahr 2024 verabschiedet werden kann. Noch gibt es in zentralen Punkten große Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten. Diese müssten sich bis Ende Juni einigen, um dann mit einer gemeinsamen Position in die Verhandlungen mit dem Parlament einzusteigen. Der große Knackpunkt für die Länder ist und bleibt die Frage, ob in die EU eingereiste Asylbewerber*innen auf alle Mitgliedsstaaten aufgeteilt werden sollten. Länder wie Deutschland und Frankreich, die einen Großteil der Migrant*innen aufnehmen, sind dafür. Osteuropäischen Staaten wie Polen und Ungarn sind dagegen, denn sie wollen vor allem keine Geflüchteten aus muslimischen Staaten. Die EU-Kommission präsentierte deshalb bereits 2020 einen Reformvorschlag, der nur noch in Ausnahmefällen eine solche Verteilung vorsah. Auch das Parlament schließt sich nun dieser Position an. Laut Entwurf soll es auch zukünftig keinen automatischen Verteilungsmechanismus geben.

Ohnehin liegt der Fokus der EU-Staaten darauf, Asylbewerber*innen gar nicht erst hereinzulassen. Beim Brüsseler EU-Gipfel im Februar hatten sich die Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, illegale Einreisen durch schärfere Grenzsicherung von vornherein zu verhindern. Außerdem will man mehr Menschen schnell wieder abschieben und verstärkt gegen den Menschenschmuggel vorgehen. Wer nicht über die Grenze kommt, kann auch keinen Asylantrag stellen, so das zynische Kalkül dahinter.

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