- Kultur
- Album »Damage Control« von Cava
Schaumwein und Scherben
Das Debütalbum von Cava ist zum Glück kein Achtsamkeitspunk
Maß und Mitte sind ja keine Tugenden des Rock, und wenn das Label im Werbetext zu einem Album schreibt, darin gehe es »um nichts Geringeres, als sich so unversehrt wie eben möglich durch das Leben und seine alltäglichen Hürden zu schlagen«, dann klingt das trotz der schiefen Metaphorik nicht eben nach Punk. Ging es bei Punk nicht um nichts Geringeres, als die zerstörerischen Auswirkungen des Spätkapitalismus auf den eigenen Körper und die eigene Psyche modisch und musikalisch performativ auszudrücken und Verweigerung nicht nur zu signalisieren, sondern auch konsequent zu leben?
In welchem Verhältnis steht das Debütalbum »Damage Control« des Berliner Garagen-Punk-Duos Cava zum Klassiker »Damaged« von Black Flag? Darüber sinnierend bemerke ich, dass ich Cava nicht als woken Achtsamkeitspunk von zwei Generation-Z-Snowflakes denunzieren kann, der im gleißenden Licht einer glorreichen Vergangenheit rückstandslos verdampft. Denn nicht nur hält sich der einst so beschädigte Black-Flag-Sänger Henry Rollins als gut bezahlter Vortragsredner schadlos (läuft bei ihm); auch leuchtet die Vergangenheit des Punks, durch die richtige Sonnenbrille betrachtet, schon etwas weniger hell.
Iggy Pops Selbstverletzungen auf der Bühne etwa erscheinen wohl in einem anderen Licht, wenn man einem Personenkreis angehört, dessen Mitglieder sich überproportional häufig nicht im Sinne einer radikalen öffentlichen Geste, sondern heimlich und zwanghaft selbst verletzen. Oder wenn man bei »Gimme danger little stranger« nicht an verheißungsvolle Abenteuer, sondern an alltägliche Übergriffe denkt. Also: »Keep punk moderately dangerous,« wie Crucial Unit forderten.
Womit wir uns endlich der Musik zuwenden können. Die macht im Fall von Cava großen Spaß. Die Worte Punk und Rock sind ja schon gefallen. Es dürfte also allen klar sein, dass es auf »Damage Control« laut wird. Nicht nur im Sinn der Lautstärke, die sich ja regeln lässt, denn Cava haben sich als Stromgitarren-Duo für die wohl unterschätzteste Band-Formation entschieden.
Zwischen den Polen eines Duos besteht stets eine besondere Spannung. In diesem Fall stellt kein Bass eine weiche Klangmatratze, um den fräsenden Klang der Gitarre und den Krach des Schlagzeuges zu dämpfen. Diese Idee hat ja schon einmal bei einer Band namens Die Zwei Weißen Streifen (oder so ähnlich) gut funktioniert.
Ein weiterer Vorzug von Cava ist, dass sie wenig deutsch klingen. Denn bei allem Lärm schleichen sich bluesig-soulige Noten in den Gesang, was hierzulande fast ein Alleinstellungsmerkmal ist. Dass Cava als Berlinerinnen auf Englisch singen (die Stadt soll dem Vernehmen nach ja recht kosmopolitisch sein) hat hingegen den paradoxen Effekt, dass sie aufgrund des Akzents und sprachlicher Mängel dann doch ihre Herkunft verraten. Die Texte selber entkräften zum Glück die durch den Werbetext geschürten Befürchtungen und artikulieren kein ultra-resilientes »Bleiben Sie gesund!« oder Tipps zur Work-Life-Balance. Hier gibt es reichlich Scherben, Schmutz und Schmerz. Aber auch Schaumwein und ein bisschen Glitzer.
Cava: »Damage Control« (Bubak 2023)
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