Frauennationalmannschaft wird mehr Kampf und Härte verordnet

Technik und Taktik bringen den deutschen Kickerinnen keine Titel mehr

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Inzwischen haben die Frauen den Männern im deutschen Fußball einen Stern voraus. Zumindest was die Unterbringung angeht. Während Joshua Kimmich und Co. kürzlich auf Wunsch des um Bodenständigkeit bemühten Sportdirektors Rudi Völler für ihre Länderspiele in ein Frankfurter Stadthotel mit vier Sternen gezogen sind, nächtigen Alexandra Popp und Kolleginnen unverändert im Kempinski Gravenbruch vor den Toren Frankfurts – eine Fünf-Sterne-Residenz. Aber warum sollen sich Erfolge und Wertschätzung nicht auch im Quartier abbilden, wenn hier die wahren Sympathieträgerinnen zu finden sind. Ansonsten trainieren die deutschen Fußballerinnen wie die Männer auf dem DFB-Campus, um sich auf die Länderspiele gegen die Niederlande am Freitag in Sittard und vier Tage später in Nürnberg gegen Brasilien vorzubereiten.

Vorgeschaltet waren am Montag ganztägige Marketingmaßnahmen, die bereits eine Einstimmung auf die WM im kommenden Sommer in Australien und Neuseeland vermittelten. Das Duell gegen die Brasilianerinnen gilt als besonders wichtig, nachdem die Gäste aus Südamerika zuvor noch in der erstmals ausgespielten »Women’s Finalissima« bei den Europameisterinnen in England antreten. Der Gewinner der Copa América Feminina wäre ein möglicher Gegner im WM-Achtelfinale, sollte sich der zweifache Weltmeister Deutschland in der Gruppe mit Marokko, Kolumbien und Südkorea als Erster durchsetzen.

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»Wir sind sehr froh, dass wir gegen Brasilien spielen können, daran haben wir hartnäckig gearbeitet«, sagt Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. Doch vor dem Duell in Nürnberg, für das bereits 27 000 Tickets im Max-Morlock-Stadion abgesetzt sind, steht das Prestigeduell in den Niederlanden an, wo das Fortuna-Sittard-Stadion mit seinen 12 500 Plätzen schon ausverkauft ist. »Beides sind Teams, die uns stressen werden«, glaubt Voss-Tecklenburg. »Wir werden mutiger agieren müssen als gegen Schweden.«

Bei der enttäuschenden Nullnummer vor knapp zwei Monaten gegen die robusten Skandinavierinnen hatten die deutschen EM-Heldinnen fast alle Prinzipien von der erfolgreichen England-Mission vermissen lassen. Inzwischen hat die 55-Jährige genau wie ihre zehn Jahre jüngere Assistentin Britta Carlson ihren Vertrag um zwei weitere Jahre verlängert, weil sie den Entwicklungsprozess unbedingt fortführen möchte. Bei erfolgreicher Qualifikation warten die Olympischen Sommerspiele 2024 und danach die EM 2025.

Wenn Voss-Tecklenburg bis dahin von einem »Weg der Herausforderungen und Widerstände« spricht, ist nicht allein der Kampf um mehr Anerkennung, bessere Bedingungen und gerechtere Bezahlung gemeint. Es geht ganz profan auch um die physischen Anforderungen, die schneller steigen als das technische Niveau. Diesen bereits bei der EM verfestigten Eindruck bestätigten jüngst auch die Begegnungen des VfL Wolfsburg und des FC Bayern in der Champions League.

Münchens Mittelfeldspielerin Sydney Lohmann sprach am Dienstag Klartext über das bittere Viertelfinal-Aus gegen Arsenal WFC. »Wir sind mehr als verdient ausgeschieden. Im Rückspiel war es viel zu wenig«, sagte die 22-Jährige. »Und wenn man es Revue passieren lässt, ist Arsenal auf den Platz gegangen und wollte zu 110 Prozent gewinnen. Auf dem Niveau hat es für uns nicht gereicht. Die englischen Mannschaften sind körperlich sehr stark, sehr robust – und wir haben nicht gut gegengehalten. Mich ärgert das unglaublich, dass wir uns wieder nicht gegen eine Topmannschaft durchgesetzt haben.« Der aktuelle Bundesliga-Tabellenführer blieb auf internationalem Niveau abermals den entscheidenden Schritt schuldig.

Anders als der Doublesieger Wolfsburg, der nach dem Weiterkommen gegen Paris St. Germain im Halbfinale auf den Bayern-Bezwinger Arsenal trifft. VfL-Torhüterin Merle Frohms findet ebenfalls, dass es vermehrt ums Durchsetzungsvermögen geht. »Wir können taktisch so gut ausgerichtet sein, wie wir wollen, aber das hilft nicht, wenn wir die entsprechende Körperlichkeit nicht auf den Platz bringen, die Zweikämpfe nicht vernünftig angehen und keine maximale Intensität fahren«, betonte die 28-Jährige in der DFB-Medienrunde.

Als weiterer Beleg für solche Erfolgsfaktoren dient Weltmeister USA, der mit seinem von der Physis abhängigen Stil sowohl das Turnier in Kanada 2015 als auch die Endrunde 2019 in Frankreich geprägt hat. Auch deshalb stemmten Megan Rapinoe und Alex Morgan vor vier Jahren nach dem Finale in Lyon gegen die Niederlande den Goldpokal in die Höhe und feierten ihren vierten WM-Titel.

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