Besuch beim Freund und Waffenbruder

Wolodymyr Selenskyj kann auf weitere militärische Unterstützung aus Polen setzen

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 5 Min.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am Mittwoch zu seinem ersten offiziellen Besuch in Polen eingetroffen. Am Vormittag wurden Selenskyj und seine Frau Olena Selenska in Warschau vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda und dessen Frau Agata Kornhauser-Duda empfangen.

Für Polen ist der Besuch in erster Linie eine symbolische Geste. Schließlich gilt Warschau als der größte Fürsprecher der Ukraine in Europa und sieht sich als Anwalt des angegriffenen Nachbarlandes. »Ich möchte Ihnen danken für diese Brüderlichkeit, für diese echte Freundschaft, für die Stärke, mit der Sie uns seit Beginn des großen Krieges, seit dem Beginn des aggressiven blutigen Marsches der Russischen Föderation zur Seite stehen«, sagte Selenskyj bei einer Pressekonferenz mit Duda. Zuvor hatte das polnische Staatsoberhaupt seinem Amtskollegen den Orden des Weißen Adlers, die höchste Auszeichnung des Landes, verliehen. Duda würdigte unter anderem Selenskyjs Verdienste um die Vertiefung der polnisch-ukrainischen Beziehungen.

Freundschaft und Waffenhilfe

Diese Beziehungen werden aktuell durch ukrainisches Getreide auf eine Probe gestellt. Vor dem Besuch Selenskyjs protestieren Landwirte gegen die massenhafte Einfuhr von ukrainischem Getreide, das weit unter dem Wert von polnischem verkauft wird. Polens Landwirte befürchten deshalb, auf ihren Erzeugnissen sitzenzubleiben.

Auch Selenskyj wollte in Warschau nicht allein über die zwischenstaatliche Freundschaft sprechen. Er wollte weitere Waffen und Sicherheitsgarantien. Polen hat nach eigenen Angaben bereits acht MiG-29-Kampfjets an die Ukraine geliefert, vier davon erst »kürzlich«, wie Duda sagte. Außerdem sei man bereit, sämtliche MiG-Jets aus eigenen Beständen an die Ukraine abzugeben. Warschau werde »in Zukunft in der Lage sein, seine gesamte MiG-Flotte« aus etwa 30 Flugzeugen an Kiew zu übergeben, »sofern die Nato-Verbündeten zustimmen«, so Duda. Zudem kündigte er an, sein Land werde sich für zusätzliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine einsetzen. Kiew pocht auf Waffen aus dem Westen, um damit Russlands Armee zurückschlagen zu können.

Mobilisierung für Gegenoffensive

Die seit Monaten seit Monaten angekündigte und nie begonnene Offensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete könnte in den kommenden Wochen beginnen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters hat die Ukraine dafür mittlerweile 40 000 neue Soldaten rekrutiert. Die insgesamt acht neuen Gruppierungen bestünden aus motivierten Freiwilligen, die im Zuge einer »aggressiven Kampagne« in sozialen Medien und auf Reklameschildern gewonnen wurden. Innenminister Ihor Klymenko sagte Reuters, dass unter den neu eingezogenen Soldaten ehemalige Militärangehörige und Polizisten sowie unerfahrene Zivilisten seien, darunter auch Frauen. Überprüfen lassen sich die Angaben nicht. Auch nicht, ob die Menschen sich wirklich freiwillig gemeldet haben. Seit Beginn der neuen Mobilisierungswelle im Februar tauchten immer wieder Videos aus der Hafenstadt Odessa auf, die zeigen, wie Passanten, teilweise mit brutalen Methoden, von Militärangehörigen auf der Straße in Autos gezerrt und anschließend in die Wehrämter gebracht wurden.

Im Mittelpunkt der Kämpfe gegen Russlands Truppen wird auch weiterhin die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut stehen. Selenskyj bezeichnete die Lage in der strategisch wichtigen Stadt als »sehr, sehr schwer«. Trotzdem sei Bachmut noch nicht unter russischer Kontrolle, wie es unter anderem der Chef der Söldnergruppe Wagner, Jewgenij Prigoschin, in den vergangenen Tagen behauptet hatte.

In Brüssel versprach der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg der Ukraine, Mitglied des Kriegsbündnisses zu werden, wenn Kiews Armee die russischen Invasionstruppen besiegt hat. Ein Schritt, den nicht alle Nato-Mitglieder sofort gehen wollen. US-Außenminister Antony Blinken erklärte, die Tür der Nato sei für die Ukraine offen, allerdings müsse Kiew die Standards der Allianz erreichen. Skeptischer zeigte sich der ungarische Außenminister Péter Szijjártó. Es sei »absolut illusorisch« über die Mitgliedschaft der Ukraine zu sprechen, kommentierte er das Vorpreschen Stoltenbergs.

Moskau fühlt sich durch Nato bedroht

Erst am Dienstag war Finnland als Reaktion auf Moskaus Krieg in der Ukraine der Nato beigetreten. Ein Ereignis, auf das der Kreml verärgert reagierte. Die erweiterung der Nato sei ein Angriff auf die nationalen Interessen Russlands, sagte Kremlsprecher Dmitrij Peskow am Dienstag. »Selbstverständlich ist das ein Ereignis, das nicht zur Sicherung der Stabilität, Sicherheit und Vorhersagbarkeit auf dem europäischen Kontinent beiträgt. Für uns schafft es eine zusätzliche Bedrohung und das zwingt uns, zusätzliche Maßnahmen für die Rebalancierung des gesamten Sicherheitssystems zu unternehmen«, legte Peskow am Mittwoch nach.

Wie genau Moskau auf den finnischen Nato-Beitritt reagieren wird, sagte Peskow nicht. Das brauche eine bestimmte Zeit. »Das ist nicht irgendein einmaliger Akt. Es ist ein Prozess, der sich ziehen wird. Aber alles, was zur Sicherung unserer Sicherheit notwendig ist, wird unternommen werden«, so der Kremlsprecher. Russische Analysten hatten nach dem relativ schnellen Beitritt Finnlands zum westlichen Kriegsbündnis den Verdacht geäußert, der Kreml sei auf diesen Schritt nicht vorbereitet gewesen.

Am Abend traf der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko in Moskau ein. Nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin vor einigen Tagen angekündigt hatte, Atomraketen in West-Belarus zu stationieren, vermuten Beobachter, der Kreml könnte Belarus nach dem finnischen Nato-Beitritt noch stärker integrieren.

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