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Zusammenbruch des Bankensystems: Die Angst der Superreichen
Andreas Koristka über die oft ignorierten Probleme von Millionären
Sterben kann man bei jeder Gelegenheit. Schnell hat man sich an einem Bissen vom Beluga-Kaviar verschluckt und liegt tot auf dem Boden, weil das Personal zu dumm ist, das Heimlich-Manöver auszuführen. Oder ein Killerwal springt an Bord der Luxusyacht und beißt einem den Kopf ab. Vor gewissen Gefahren kann man sich einfach nicht schützen, egal, wie wohlhabend man ist. Auch der Verlust der Ersparnisse ist jederzeit möglich, sofern man diese der Hausbank in die Hände gelegt hat. Denn bei einer Pleite der Bank garantiert der Staat lediglich mit einem Einlagenschutz von 100 000 Euro. Man könnte also im schlimmsten Fall von einem Tag auf den anderen praktisch mittellos sein.
Natürlich ist dies sehr hypothetisch, denn als gewissenhafter Besitzer von Geld, sollte man auch Immobilien, Gold und Wertpapiere besitzen. Trotzdem kann einem bei der bloßen Vorstellung, dass Reiche plötzlich nur noch 100 000 Euro besitzen, angst und bange werden. Es geht schließlich nicht nur um reiche Erwachsene, es geht auch um ihre Kinder. Wer möchte diesen unschuldigen Kreaturen sagen, dass sie auf das Ferienhaus an der Côte d’Azur verzichten müssen, dass das Dressurpferd nicht von einem Zuchthengst von Paul Schockemöhle abstammen wird und das Geld nur noch für ein Kindermädchen mit Damenbart reicht?
Andreas Koristka ist Redakteur der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter: dasnd.de/koristka
Es ist wichtig, dass der Staat diese Kinder besser vor einem Absturz in die Armut schützt. Sie können schließlich nichts dafür, wenn ihre Eltern so unkreativ sind, ihr Geld zur Bank zu tragen. Deshalb ist es richtig, dass in letzter Zeit über eine Erhöhung des Einlagenschutzes diskutiert wird. Selbst Elon Musk ist davon begeistert. Offensichtlich muss sich im Kapitalismus sogar der reichste Mann der Welt um seine Ersparnisse sorgen.
Das ist doch schrecklich! Es scheint nicht einmal für Musk eine Möglichkeit zu geben, gänzlich risikolos Geldgeschäfte zu tätigen. Darum sollte der Staat endlich regulierend eingreifen und für alle Einlagen unbegrenzt garantieren. Außerdem sollte dafür gesorgt werden, dass für Milliardäre immer die Sonne scheint und dass sie nicht von Karies heimgesucht werden.
Denn es gibt so wenige Superreiche, dass wir auf sie aufpassen müssen. Eigentlich sind sie so selten, dass man sie auf die Rote Liste setzen müsste. Es gibt nur ganz wenige Biotope, in denen sie gedeihen, und trotzdem werden sie kaum geschützt. Kröten sammelt man in Eimern an den Krötenzäunen. Aber wer trägt Millionäre über die Straße? Wer fängt sie auf, wenn sie mit dem Privatflugzeug abstürzen? Wer hält ihre zittrigen Hände, wenn sie sich in ihren Anwesen verlaufen?
Eigentlich bräuchten wir eine Grundsicherung für Reiche, die ständig in der Angst leben müssen, dass das Bankensystem zusammenbricht, der Staat kollabiert und der Pöbel ihre Villen plündert. Diese Menschen leiden unentwegt. Sie finden oft keine erstklassigen Hotels, ihre schweren Uhren drücken an den Handgelenken und sie müssen allerhand Widerlichkeiten wie Muscheln und Schnecken fressen und sich damit den Magen verderben.
Auch wenn es manchmal nicht so scheint, weil sie sich so oft operieren lassen: Reiche sind Menschen. Daran sollten wir immer denken. Sie haben Gefühle und megageile Autos. Zwar können sie sich zehnlagiges Klopapier leisten, aber auch sie müssen auf die Toilette. Und sie können noch so viel Geld haben – am Ende müssen auch sie sterben. Machen wir ihnen die Zeit bis dahin so schön wie möglich. Wenn eine höhere Einlagensicherung dabei helfen kann, dann sollte sie umgesetzt werden.
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