Alles andere als naiv

Zum zweiten Mal überschattet der russische Angriffskrieg die Ostermärsche

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.
Bundesweit protestierten Tausende Menschen für Frieden, Abrüstung und Verhandlungen statt Waffenlieferungen.
Bundesweit protestierten Tausende Menschen für Frieden, Abrüstung und Verhandlungen statt Waffenlieferungen.

Den Auftakt und den Verlauf der diesjährigen Ostermarschaktionen unter dem Motto »Krieg löst keine Probleme – Die Waffen nieder – Den Frieden gewinnen« sehen die Bündnisse, die sich zum Protest für Frieden zusammengefunden haben, als Erfolg an. Sie kritisieren, dass die übergroße Mehrheit im Bundestag von FDP, Grünen, SPD, CDU und AfD trotz des wachsenden Friedenswillens in der Bevölkerung auf militärische Siege und weitere verschwendete Milliarden für Rüstung und Militär setze. »Dagegen demonstrieren wir zu Ostern. Krieg und Militär können nicht die wirklichen Probleme in der Welt lösen. Vorhandene Konflikte werden weiter verschärft. Rüstung und Militär verschlingen Ressourcen, die insbesondere für die sozialen und ökologischen Herausforderungen dringend benötigt werden«, sagte Willi van Ooyen von der Infostelle Ostermarsch in Frankfurt.

Die Friedensbewegung verweigert sich der Logik der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) so genannten »Zeitenwende« und fordert stattdessen eine »Kehrtwende« in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Proteste, die in rund 70 Städten deutschlandweit stattfanden, stießen auf Kritik. Die Teilnehmenden waren dem Vorwurf ausgesetzt, ihre Forderungen seien im Lichte des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine schlicht »naiv«.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, begründete seine Kritik an den Protesten gegenüber der »Bild am Sonntag« damit, dass Kremlchef Wladimir Putin auf das Recht des Stärkeren setzen würde. »Die diesjährigen Ostermärsche haben mindestens etwas Naives. Es geht doch um Frieden in Freiheit«, meinte Frei. Damit steht der CDU-Politiker an der Seite ukrainischer Aktivist*innen, die in Berlin eine Gegendemonstration zu den Ostermärschen veranstalteten. Unter dem Motto »Ohne Freiheit, kein Frieden« versammelten sich rund 150 Menschen am Brandenburger Tor. »Unsere Botschaft lautet: kein Frieden ohne Gerechtigkeit und Freiheit – nur ein ukrainischer Sieg bedeutet Frieden in Europa«, schrieb die organisierende Gruppe Vitsche dazu bei Twitter.

Mit Blick auf die bundesweiten Ostermärsche setzt der Co-Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan, auf eine klare Position zum Krieg in der Ukraine. Trotz der kontroversen Diskussion zum Konflikt müsse es eine eindeutige Positionierung der Friedensbewegung insgesamt geben, sagte er am Samstag in Potsdam am Rande einer Demonstration. Das bedeute »internationale Solidarität« mit der völkerrechtswidrig angegriffenen Ukraine und eine »klare Verurteilung des russischen Angriffskrieges«.

Zugleich kritisierte Schirdewan das »einseitige Fokussieren« der Bundesregierung auf Waffenlieferungen und die Ausbildung von ukrainischen Soldaten. »Deutschland läuft Gefahr dadurch, dass ein militärischer Tunnelblick in der Politik der Bundesregierung vorherrscht, die Alternative nicht mehr zu erkennen«, sagte er. In der Folge könne Deutschland dann auch kein glaubwürdiger Partner für Verhandlungen und Vermittlungen mehr sein. Das sei hochgefährlich, diese Risiken würden aber durch die Regierung nicht dargestellt. »Ich halte das für einen schweren politischen Fehler.«

Die brandenburgische Linke-Landeschefin und Mitorganisierende des Protestes in Potsdam, Katharina Slanina, betonte, man müsse Demonstrationsforderungen klar definieren. »Wir sind dafür, dass Verhandlungen mit Russland aufgenommen werden müssen.« Waffenlieferungen bedeuten weiteren Krieg und weiteres Leid. »Das kann nicht der Sinn sein, in dem wir als Linke handeln«, so Slanina. Putin sei eindeutig der Aggressor. Doch die Diplomatie sei bei weitem nicht ausgeschöpft. Jede Friedensinitiative müsse durch Deutschland unterstützt werden. Auch die Landesregierung in Potsdam müsse Position beziehen.

Gegen den Vorwurf der Naivität verwehrte sich die Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus: »Der Ruf nach Verhandlungen darf zu keinem Zeitpunkt als naiv abgetan werden.« Menschen, die zu Ostern für den Frieden auf die Straße gingen, wollten keinen Krieg gewinnen, sondern den Frieden. »Ohne Gespräche, ohne Verhandlungen kann kein Friede werden«, sagte die Ratsvorsitzende. »Es müssen allerdings Verhandlungen auf Augenhöhe sein. Und solche Verhandlungen lassen sich nur mühsam herbeiverhandeln«.

Lesen Sie auch den Kommentar »Entehren wir die Übung«

Eine positive Bilanz zog die Informationsstelle Ostermarsch. »Die Ostermarschierer haben sich nicht durch medial aufgeblähte Abgrenzungsdebatten ablenken lassen und sind eindeutig gegen die fortschreitende Militarisierung und Kriegspropaganda aufgetreten«, erklärte die Informationsstelle.  Mit Agenturen

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