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Automatensprenger: Immer mehr »Banküberfälle der Moderne«
Innenminister drohen mit Gesetzen für Betreiber von Geldautomaten
Banküberfälle im Stil der Roten Armee Fraktion sind Geschichte, heutige Enteignungen von Bargeld zielen vor allem auf Geldautomaten. Die Täter gehen dabei äußerst rabiat vor: Wurde anfangs noch Gas in die Selbstbedienungskioske eingeleitet und gezündet, wird nunmehr Sprengstoff mit Schwarzpulver aus Silvesterknallern eingesetzt. Mitunter sprengen die Täter zunächst das Gehäuse des Automaten auf legen dann einen zweiten Sprengsatz auf den Tresor. Mit dieser neuen Methode steigt der Sachschaden in den Filialen beträchtlich, sie bringt zudem Bewohner in Bankgebäuden in Lebensgefahr. Der bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) nennt dies »Banküberfälle der Moderne«.
Mehrere Landesinnenminister fordern nun ein Gesetz zur besseren Sicherung der Automaten. Gegenüber dem »Handelsblatt« drohte auch die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag mit Verpflichtungen für die Betreiber. Der Handlungsdruck ist groß: Im März beschrieb das Bundesinnenministerium die Fallzahlen der Geldautomatensprengungen für das vergangene Jahr als »erneut besorgniserregend«. Mit 496 Taten verzeichnet das Jahr 2022 einen neuen Höchststand, gegenüber 2021 ist das ein Anstieg um 27 Prozent.
Jedoch melden die Behörden auch Erfolge gegen die wegen ihrer hochmotorisierten Fahrzeuge als »Audi-Bande« bezeichneten Täter. Ende Januar hatten Landeskriminalämter mit niederländischen Ermittlern zehn Haftbefehle im Grenzgebiet zu Nordrhein-Westfalen vollstreckt, die Festgenommenen sollen für rund hundert Taten in neun Bundesländern verantwortlich sein. Ein ähnlicher Fahndungserfolg mit Dutzenden Festnahmen gelang Ermittlern aus sieben Bundesländern Mitte März.
Viele Sprengungen sollen von »reisenden Tätern aus Osteuropa« begangen worden sein, sie stammen Ermittlern zufolge angeblich aus Polen, Rumänien und Moldau. Die meisten Täter flüchten jedoch in die Niederlande, dort soll sich eine Automatensprengerszene aus mehreren Hundert Personen etabliert haben. Allerdings schlagen diese »Plofkrakers« genannten Täter kaum noch im Nachbarland zu, denn die niederländischen Banken haben verschiedene Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, darunter die Unbrauchbarmachung von Bargeld nach einer starken Erschütterung mit Farbe oder Kleber. Außerdem werden die Geräte mit weniger Bargeld bestückt, sodass sich eine Sprengung weniger lohnt. In Deutschland deponieren die Institute hingegen hohe Summen in den Geräten, im Durchschnitt erbeuten die Täter über 100 000 Euro.
Gesprengte Geldautomaten sind vor allem in den an die Niederlande angrenzenden Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen ein Problem – nach Angaben der Landeskriminalämter entfielen etwa die Hälfte der bundesweiten Fälle auf die beiden Länder. Besonders betroffen sind Banken, die über eine gute Autobahnanbindung verfügen.
Auch hierzulande sollen die Geldautomaten nun besser gesichert werden. Im November hatte das Bundesinnenministerium (BMI) zu einem ersten bundesweiten Runden Tisch geladen. Zu den Teilnehmenden gehörten die Kredit- und Versicherungswirtschaft, die Bundesbank, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und die Polizeien der Länder. Laut einer gemeinsamen Erklärung sollen mehr Filialen nachts verschlossen werden, vereinbart wurde außerdem die freiwillige Einführung von Einfärbe- oder Klebesystemen. Deren Einführung ist vergleichsweise günstig, berichtete jüngst der »Spiegel«. Pro Automat fielen maximal 2500 Euro für Färbetechnik an, die Klebetechnik soll höchstens 3000 Euro kosten.
Die Innenministerkonferenz verlangt noch diesen Monat einen Bericht des BMI zur Umsetzung der Maßnahmen. Zeichne sich darin ab, dass diese wirkungslos blieben, müssten gesetzliche Verpflichtungen für Hersteller und Betreiber von Geldautomaten folgen, fordern die Minister. So sieht es auch die Bundesinnenministerin: »Jetzt ist die Kreditwirtschaft in der Verantwortung, diese Maßnahmen schnell und konsequent umzusetzen«, sagte Faeser dem »Handelsblatt«. Spätestens im Juni soll es dazu auf Bundesebene weitere Gespräche mit den Banken geben. Von den Bedingungen in den Niederlanden ist Deutschland aber vermutlich immer noch weit entfernt. 2019 wurden dort noch 71 Fälle registriert, 2022 waren es nur noch neun.
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