Nordirland: Bidens Stippvisite in Belfast

US-Präsident belässt es wegen blockiertem Parlament beim Kurzaufenthalt

  • Dieter Reinisch, Belfast
  • Lesedauer: 4 Min.

Besuche von US-Präsidenten auf der irischen Insel sind wichtig. Das betont auch der Abgeordnete der republikanischen Partei Sinn Féin (SF), John Finucane. Bidens Besuch sei eine »goldene Chance« für Irland, um die »wirtschaftlichen und politischen Bindungen der beiden Länder zu intensivieren«, betonte er vor Tausenden Zuhörern in seiner Rede am Milltown-Friedhof in Belfast. Er war der Hauptredner des alljährlichen Ostermarsches irischer Republikaner in Gedenken an den Aufstand 1916.

Die Abgeordneten des Belfaster Regionalparlaments Stormont, wo auch Finucane arbeiten sollte, wird Biden am Mittwoch nicht treffen. Seit Februar 2022 tagt es nicht, da die probritische Democratic Unionist Party (DUP) die Parlamentsarbeit aus Protest gegen das Nordirland-Protokoll boykottiert. Die Neuverhandlung zwischen London und Brüssel im Februar 2023 brachte keine Änderung der DUP-Position: Die Partei blockiert weiter, da sie dadurch SF von der Regierungsspitze fernhalten kann.

Lange hatte Biden überlegt, ob er überhaupt nach Nordirland kommen oder nur der Republik einen Besuch abstatten soll. Wie wenig Bedeutung es für ihn hat, wenn er nicht im Parlament sprechen kann, zeigt, dass er nicht einmal 24 Stunden bleibt.

Dem britischen Premierminister Rishi Sunak platzte daher der Kragen. In ungewöhnlich scharfen Worten ließ er den politischen Parteien ausrichten, den Boykott zu beenden »und endlich wieder an die Arbeit zu gehen«.

Statt in Stormont wird Biden nun heute seine Rede zum Anlass der Einweihung des neuen Campus der University of Ulster (UU) in Belfast halten. Darin wird er die tragende Rolle der USA im nordirischen Friedensprozess und bei der Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens am 10. April 1998 herausstreichen. Die beiden wichtigsten Protagonisten von damals, Bill und Hillary Clinton, werden ab 17. April für drei Tage Belfast besuchen und an der Queens University referieren.

Es ist ein unvollkommener Friedensprozess, von dem wirtschaftlich und sozial nur wenige profitiert haben. Daher stößt es vielen in Nordirland ungut auf, dass Biden ausgerechnet zur Eröffnung des UU-Campus seine Rede hält. Denn vor fünf Jahrzehnten forderten Bürgerrechtler, dass in Nordirlands zweiter Stadt Derry eine Universität gebaut werden sollte. Dazu kam es nie, stattdessen wurden die Standorte im protestantischen Coleraine und in Belfast gestärkt. Viele sahen das damals als eine bewusste wirtschaftliche Benachteiligung der mehrheitlich katholischen Stadt.

»Es ist kein gutes Zeichen«, sagt ein in Belfast lehrender Professor, der ursprünglich aus Derry stammt, zu »nd«. »Derry hat nie vom Friedensprozess profitiert.« Die Chance, die Wirtschaft durch eine Universität zu beleben, hätten sich zerschlagen, weil Belfast gegen Derry interveniert habe. Politiker und sein Arbeitgeber wollten das nicht hören, daher bittet er: »Lass meinen Namen weg.«

Derry ist heute die ärmste Stadt des Vereinigten Königreichs mit der höchsten Jugendarbeitslosigkeit, Kinderarmut und Selbstmordrate. In den katholischen Arbeitervierteln Creggan und Bogside haben republikanische Gruppen, die das Karfreitagsabkommen ablehnen, Zulauf.

Am Montag organisierte die Partei Saoradh dort ihren alljährlichen Ostermarsch. Sie gilt als politischer Arm der Neuen IRA. Wie jedes Jahr flogen zu Beginn einige Brandsätze, um die Polizeikameras zu vertreiben. Eine Handvoll Jugendliche zündete Mülltonnen an, um dem Marsch, angeführt von etwa zwei Dutzend Vermummten, freies Geleit zum Friedhof zu gewährleisten.

Für die extra angereisten internationalen Medien waren das starke Bilder. Doch mehr als ein brennendes Transparent auf einem gepanzerten Polizeiauto gab es dieses Jahr nicht zu sehen. Mit 300 bis 400 Teilnehmern war der Marsch beträchtlich kleiner als in den Jahren zuvor. Gegenüber »Irish News« betonte die Neue IRA am Montag, »weiter zu rekrutieren, auszubilden und anzugreifen«. Das wird ihr nur in kleinem Ausmaß gelingen, denn in den vergangenen Jahren hat sie durch Geheimdienstinfiltration an Schlagkraft und Unterstützung verloren.

Die Bilder von brennenden Autos werden aber bleiben, wenn Biden Mittwochnachmittag weiter nach Dublin fährt. Genauso bleiben wird die Armut und Perspektivlosigkeit in Nordirland, die weiterhin Jugendliche auf beiden Seiten in die Arme von Paramilitärs treibt.

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