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Arbeitsmigration: Nicht wertgeschätzte Pflegekräfte

Philippinische Fachleute suchen gute Jobs im Ausland. In Deutschland warten vor allem Hürden

  • Felix Lill, Manila
  • Lesedauer: 5 Min.
In deutschen Krankenhäusern fehlt es nach wie vor an Personal.
In deutschen Krankenhäusern fehlt es nach wie vor an Personal.

Wenn Jason Heinen von seinen Klienten spricht, müsste er in Deutschland eigentlich Jubelsprünge erzeugen: »Die haben ja alle einen Bachelor, das sind vier Jahre Studium.« Und all diese jungen Menschen bezahlten auch noch aus eigener Tasche dafür, dass sie Pflegekräfte werden. »Es kostet recht viel Geld«, sagt Heinen. »Im Jahr liegen die Gebühren bei 40 000 bis 50 000 Pesos, also ungefähr 1000 Euro.«

Heinen, ein kräftiger Typ Ende 40, arbeitet für Saisy Professionals, eine Personalagentur aus Aachen mit Niederlassung in der philippinischen Hauptstadt Manila. Von dort aus vermittelt er ausgebildete Pflegekräfte nach Deutschland. Und eigentlich, so sollte man denken, müsste das Geschäft gut laufen.

Im südostasiatischen 114-Millionen-Einwohner-Land wächst die Bevölkerung so rasant, dass der heimische Arbeitsmarkt nicht annähernd alle Ausgebildeten aufnehmen kann. In Deutschland dagegen sucht man seit Jahren nach Fachkräften. 20 000 Pflegestellen sind laut der Bundesagentur für Arbeit derzeit unbesetzt. Wegen der alternden Bevölkerung dürfte bis 2030 eine halbe Million solcher Fachkräfte fehlen.

Aber der Vermittlungsjob bringt immer wieder Enttäuschungen. »Mit dem Bachelor aus den Philippinen können sich die Pflegekräfte nur für eine Stelle als ›Pflegehilfskraft in Anerkennung‹ bewerben‹«, sagt Heinen. »Das sind praktisch Auszubildende, wenn man es so sagen darf.« Mit anderen Worten: Die fertig ausgebildeten Pflegekräfte arbeiten, wenn sie nach Deutschland kommen, zunächst nur als Hilfskräfte. »Damit dürfen sie im Job weniger machen und verdienen auch schlechter.«

Seit Jahren wird in Deutschland immer wieder der »Pflegenotstand« beschrieben. Dass aber Fachkräfte aus den Ländern, die bei diesem Problem helfen könnten, auch entsprechend gut behandelt werden, scheint nicht der Fall zu sein. Das ist jedenfalls der Eindruck von Joyce. Die 30-jährige Filipina steht kurz vor ihrem Abflug nach Deutschland, um in einem Krankenhaus in einer Großstadt zu arbeiten. Aber die Vorbereitungen ziehen sich hin: »Im Jahr 2020 habe ich mit dem Deutschlernen angefangen«, sagt sie mit gestresstem Blick. »Dann dauerte es fünf Monate, bis ich mittlere Sprachkenntnisse hatte. Damit das so schnell ging, habe ich aber meinen Job aufgegeben und in Vollzeit Deutsch gelernt.« Joyce, die ihren wahren Namen nicht in den Medien sehen will, um es sich bei ihrem neuen Job nicht zu verscherzen, fühlt sich wenig wertgeschätzt, sagt sie.

Sie ist nach Jahren des Lernens, Bewerbens und Dokumentenausfüllens noch immer nicht in Deutschland angekommen. Ständig gebe es neue Hürden. Heute kommt sie zurück von einem Termin bei der Botschaft in Manila: »Die wollten noch ein weiteres Dokument, das belegt, dass ich auch in Deutschland noch weiter Deutsch lernen werde. Aber andere Bewerber mit den gleichen Dokumenten wurden anerkannt.« Nun muss Joyce, die in zwei Tagen zurück in ihre Heimatprovinz in den Südphilippinen fliegt, für einen weiteren Termin bei der Botschaft erneut nach Manila reisen. »Ich bin etwas enttäuscht, frustriert vielleicht«, gesteht sie. Und manchmal frage sie sich: »Will Deutschland eigentlich, dass ich dort arbeite?«

Immerhin hätte es Joyce mit ihren Qualifikationen in anderen Ländern wesentlich leichter. In Deutschland wird sie als noch nicht voll anerkannte Pflegekraft bis zu einer erneuten Berufsprüfung nach einigen Monaten zunächst nur rund 2300 Euro brutto verdienen. In Kanada, Australien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten wäre es von Anfang an bis zu doppelt so viel.

Und das ist für Fachkräfte aus den Philippinen ein schlagendes Argument: Denn fast alle von ihnen zieht es ins Ausland, weil sie dort bei höherem Einkommen einen Teil in die Heimat zurücküberweisen können. So arbeiten bisher nur rund 6000 philippinische Pflegekräfte in Deutschland. Damit es mehr werden, müsste der Standort attraktiver werden. Aber das Bewusstsein dafür scheint bisher gefehlt zu haben.

Bei der Bezirksregierung Münster, die für das Land Nordrhein-Westfalen die Vergleichbarkeit ausländischer Pflegeausbildungen prüft, heißt es auf Anfrage: »Das Studium umfasst in den Philippinen einen hohen Anteil an Stunden in einem sogenannten Skillslab. Diese Stunden werden in Deutschland dem theoretischen und praktischen Unterricht zugeordnet und nicht der praktischen Ausbildung. So ergibt sich für die Philippinen ein Stundenumfang von 1776 Stunden in der praktischen Ausbildung und nicht die erforderlichen 2500 Stunden.«

Für den deutschen Arbeitsmarkt seien die Filipinas und Filipinos also nicht passend ausgebildet. Das stimme auch, sagt Jason Heinen: »Bei der Grundpflege hapert es oft noch. Das haben die Fachkräfte aus den Philippinen, aber auch aus Tunesien, Ägypten und anderswo in ihrer Ausbildung oft nicht so gelernt.« Dort werde der theoretische Teil stärker betont, vor allem Fragen des Managements. Allerdings ließe sich etwa die Waschung eines Patienten binnen einiger Wochen erlernen: »Diese Defizite, die man in der Praxis dann hat, kann man auch im Rahmen ›learning on the job‹ machen.«

Daher drängt man in den Philippinen auf eine volle Anerkennung des Bachelorabschlusses – selbst wenn in Deutschland ein paar Fertigkeiten zusätzlich erlernt werden müssen. Und Jason Heinen, der über die vergangenen Jahre mit schwindendem Interesse an Deutschland zu kämpfen hatte, ist verhalten optimistisch, dass die Bundesregierung dies bei der geplanten Gesetzesreform nun versteht: »Ich denke mal, dass sich das ändern wird. Ich hoffe es.«

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