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Huawei ist in Brasilien gern gesehen
Die chinesisch-brasilianischen Wirtschaftsbeziehungen florieren und stehen im Zentrum von Lulas Besuch
Die Delegation, die der brasilianische Präsident im Schlepptau mit nach China bringt, ist überaus beeindruckend: Neben sieben Ministern, fünf Gouverneuren und dem mächtigen Senatsvorsitzenden werden auch über 200 Firmenvorstände Luiz Inácio »Lula« da Silva auf seiner viertägigen Reise nach Shanghai und Peking begleiten.
Sein Anhang macht deutlich: Es steht vor allem die Wirtschaft im Vordergrund. Angesichts der umfangreichen Handelsbeziehungen zwischen den zwei Staaten war das zu erwarten. Brasilien ist nach wie vor einer der wenigen Staaten, die gegenüber der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt einen positiven Handelsüberschuss verzeichnet. Das liegt vor allem an den massiven landwirtschaftlichen Exporten nach Ostasien.
Doch umgekehrt tritt Peking in Lateinamerika zunehmend als wichtiger Investor auf: In Brasilien bauen chinesische Unternehmen Verkehrsinfrastruktur, liefern Technologie für den digitalen Wandel und errichten Werke für Elektro-Autos. Dass sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit künftig weiter intensiviert, soll in den nächsten Tagen schriftlich festgehalten werden.
In den USA hingegen wird Chinas wachsender Einfluss in Brasilien mit Argusaugen beobachtet. Vor allem befürchtet man, dass die beiden Staaten, die ihren bilateralen Handel zunehmend in Lokalwährungen durchführen, an der Dominanz des US-Dollars rütteln könnten. Für Xi Jinping ist es ein selbsterklärtes Ziel, den chinesischen Renminbi als globale Währungsalternative zu positionieren.
Vor allem ein Programmpunkt auf Lulas China-Agenda dürfte in Washington besonders bitter aufstoßen: Am Donnerstag soll das Staatsoberhaupt ein Innovationszentrum des Netzwerkausrüsters Huawei besuchen – jene Firma also, die von den Vereinigten Staaten als Bedrohung für die nationale Sicherheit gewertet wird.
Damit setzt der 77-jährige Brasilianer ein klares Zeichen, dass sein Land bei den Tech-Sanktionen der Amerikaner nicht mitziehen, sondern weiterhin mit beiden Seiten Geschäfte machen wird. All dies passiert allerdings koordiniert mit den USA: Vor seinem China-Besuch hat Lula schließlich ein demonstratives Telefonat mit Joe Biden geführt. Es ist ein Drahtseilakt: Man orientiert sich zwar zunehmend an China, doch erkennt nach wie vor die Bedeutung der USA an. Dass Brasilien jedoch zwischen zwei Alternativen wechseln kann, stärkt deutlich die Verhandlungsposition des Schwellenlandes.
In Peking setzte die Staatsführung zweifelsohne darauf, Brasilien näher an sich binden zu können. »Angesichts einer turbulenten internationalen Lage haben China und Brasilien weitreichende gemeinsame Interessen«, schreibt Zhu Qingqiao, Chinas Botschafter in Brasilia, in der parteieigenen »Renmin Ribao« (Volkszeitung). Gemeinsam werde man für eine »multilaterale Weltordnung eintreten«.
Während Lulas Vorgänger Bolsonaro wegen seiner China-feindlichen und globalisierungskritischen Rhetorik verachtet wurde, sieht man nun endlich wieder einen »alten Freund« im Präsidentenamt. Auch außenpolitisch teilen beide Staaten viele Überzeugungen: Lula als auch Xi Jinping fokussieren sich in ihren diplomatischen Bemühungen vorwiegend auf den Globalen Süden, beide propagieren einen Multilateralismus und lehnen eine Hegemonie der USA ab.
Auch beim Ukraine-Krieg haben sie eine ähnliche Position gewählt, wobei Chinas strategische Nähe zu Russland deutlich prominenter ist. Doch sowohl Peking als auch Brasilia wollen als verantwortungsvolle Friedensmacht wahrgenommen werden. Xi Jinping schlug zuletzt einen 12-Punkte-Plan vor, der allerdings nicht über vage Formulierungen hinausging. Lula schlägt als konkrete Verhandlungsgrundlage vor, dass Russland sämtliche neu eroberten Gebiete abtreten, jedoch die Kontrolle über die Krim behalten könnte. Bislang lehnt dies der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj – mit Verweis auf die territoriale Integrität seines Landes – kategorisch ab. Experten rechnen zudem nicht damit, dass Lula während seiner China-Reise Xi dazu überreden kann, den Druck auf Russlands Präsident Wladimir Putin zu erhöhen.
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