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Letzte Generation und Fridays for Future: Streit ums Klima

Fridays for Future kritisiert die Letzte Generation scharf

  • Christopher Wimmer
  • Lesedauer: 4 Min.
Letzte Generation bei ihrer Aktion bei der FDP-Zentrale in Berlin
Letzte Generation bei ihrer Aktion bei der FDP-Zentrale in Berlin

In der Klimabewegung gibt es grundlegenden Streit. Die Bewegung Fridays for Future (FFF) hat den Aktivist*innen der Letzten Generation vorgeworfen, mit ihren Protestaktionen die Gesellschaft zu spalten. »Die Klimakrise braucht gesamtgesellschaftliche Lösungen und die finden und erstreiten wir nur gemeinsam und nicht, indem wir Menschen im Alltag gegeneinander aufbringen«, sagte FFF-Sprecherin Annika Rittmann der Deutschen Presse-Agentur.

Die Kritik bezog sich vor allem auf die Aktionsformen der Letzten Generation wie Blockaden oder das Festkleben auf Straßen. Von diesen Aktionen seien insbesondere Pendler betroffen, die auf ein Auto angewiesen seien, so Rittmann weiter.

Dieser Kritik schloss sich auch die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen an. »Mit ihrem elitären und selbstgerechten Protest bewirkt die Letzte Generation das Gegenteil dessen, was wir in der aktuellen Lage bräuchten, nämlich eine breite Bewegung in der Gesellschaft, für konsequente Klimaschutzpolitik«, sagte Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Fridays for Future sei es gelungen, sehr viele Menschen auf die Straßen zu bringen, die die Breite der Gesellschaft repräsentiert hätten, sagte Mihalic weiter.

»Zustimmung reicht jedoch nicht aus«, kommentiert der Bewegungsexperte und Klimaaktivist Tadzio Müller im nd-Gespräch. »Die Aktionen der Letzten Generation irritieren die Menschen – und nach dem Scheitern anderer «Hebel» könnte das eine Motivation sein, endlich etwas gegen die Klimakatastrophe zu unternehmen«, so Müller weiter. Die Aktivist*innen machen mit ihren öffentlichkeitswirksamen Aktionsformen wie Straßenblockaden oder Klebeaktionen etwa in Museen auf ihre klimapolitischen Forderungen aufmerksam. Darunter fallen Sofortmaßnahmen gegen den drohenden »Klimakollaps« wie ein Tempolimit von 100 Kilometer pro Stunde auf deutschen Autobahnen sowie ein dauerhaftes Neun-Euro-Ticket für Bus und Bahn.

Am Donnerstag hatten Klimaaktivist*innen der Gruppe in Hamburg den beginnenden Oster-Reiseverkehr an wichtigen Stellen behindert – beispielsweise vor dem Elbtunnel. Auch in Berlin kam es zu weiteren Aktionen der Klimaschutzorganisation Extinction Rebellion. Für die Hauptstadt hat die Letzte Generation angekündigt, ab dem 19. April dauerhaft zivilen Widerstand leisten zu wollen: »Wir kommen nach Berlin, bringen die Stadt temporär zum Stillstand, um die Bundesregierung zum Aufbruch zu bewegen. Aufbruch in eine Zukunft, in der die Lebensgrundlagen aller unserer Kinder gesichert sind und nicht die Profite einiger weniger über dem Allgemeinwohl stehen«, so Lilly Schubert, Sprecherin der Letzten Generation Berlin. Neben Aktionen des zivilen Ungehorsams ist ein Protestcamp im Invalidenpark in Berlin-Mitte sowie diverse Demonstrationen geplant.

Immer deutlicher wird, dass FFF und die Letzte Generation anderen Ansätzen folgen. Während erstere versuchen, die breite Bevölkerung und alle Altersgruppen zu erreichen und zu überzeugen, versuchen letztere durch ihre Aktionen, den gesellschaftlichen Ablauf zu stören und vor allem den Verkehr zu unterbrechen. Damit eckt die Letzte Generation zwar immer wieder an, ist aber medial durchaus erfolgreich. Ihr gelingt es, dass der Kampf gegen die Klimakatastrophe auf der Tagesordnung bleibt.

Für Tadzio Müller kommt die Kritik von FFF daher auch zur Unzeit. »Es ist ein schlechtes Statement zum falschen Zeitpunkt«, sagt er dem »nd«. »Gerade vor einer so groß geplanten Aktion öffnet die Kritik von FFF dem politischem Gegner Tür und Tor. Dadurch wird die Klimabewegung in vermeintlich gute und schlechte Demonstranten gespalten.« Für Müller kann die Klimabewegung jedoch nur ohne Spaltung stark sein. »In Lützerath haben wir gesehen, dass wir gemeinsam als politische Macht stark sein können.« Müller fordert von FFF eine Entschuldigung und ein Statement, dass die Klimabewegung zusammensteht.

Unterstützung bekam die Letzte Generation unlängst von unerwarteter Seite. Eine Gruppe von mehr als 240 Politikern, Wissenschaftlerinnen, Geistlichen und Intellektuellen hat die Selbstbezeichnung aufgegriffen und sich in einem Appell an Kanzler Olaf Scholz gewandt: »Wir alle gehören zur ersten Generation, die die Folgen der Erderhitzung spürt. Wir sind die Generation, die es so weit hat kommen lassen. Und wir gehören zur letzten Generation, die aufhalten kann, was uns droht: der globale Verlust unserer Kontrolle über die menschengemachte Klimakrise.« Im Ziel scheint sich die Klimabewegung durchaus einig – über die Mittel wird weiter diskutiert.

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