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DFB-Pokal: Steiler Aufstieg der Fußballerinnen von RB Leipzig

Die RasenballSportlerinnen spielen im Halbfinale – und sehr bald auch in der Bundesliga

  • Ullrich Krömer, Leipzig
  • Lesedauer: 5 Min.
Im Anmarsch auf große Ziele: Spielführerin Johanna Kaiser (2.v.r.) und ihre Leipziger Kolleginnen.
Im Anmarsch auf große Ziele: Spielführerin Johanna Kaiser (2.v.r.) und ihre Leipziger Kolleginnen.

In den Gefilden, wo sich die Fußballer von RB Leipzig befinden, ist die Luft dünn. Immer neue Erfolgsstorys zu schreiben und die verwöhnten Fans in Ekstase zu versetzen, wird zunehmend schwieriger. Die Qualifikation für die Champions League ist in Leipzig mittlerweile das Mindestziel und wird als Normalität wahrgenommen. Im Winter hatten sie bei RB sogar von der Deutschen Meisterschaft geträumt. Doch um die Bayern in Gefahr zu bringen, ist RasenBallsport noch nicht reif genug.

Da weckt die aktuelle Euphorie rund um das Frauenteam bei den Fans Erinnerungen an die Aufstiegs-Hochgefühle vergangener Jahre. Mit 18 Punkten Vorsprung ist dem Team von Trainer Saban Uzun der Sprung in die Bundesliga kaum mehr zu nehmen. Und an diesem Sonntag steht das bisher größte Spiel der Geschichte bevor. Im Halbfinale des DFB-Pokals treffen die Leipzigerinnen auf den SC Freiburg. Die 1800 Tickets für die Partie waren innerhalb weniger Stunden vergriffen. Denn das Team um Spielführerin Johanna Kaiser aus Halle spielt nicht in der großen Arena, sondern am anderen Ufer des Elsterflut-Beckens im Nachwuchsstadion. 

In dem engen Stadion ist die Atmosphäre ähnlich wie einst in der Premierensaison der RB-Männer 2009/10 in der Oberliga. Nach seinem Stadionbesuch beim 6:1 im Pokal-Viertelfinale gegen Bundesligist SGS Essen schwärmte auch Männer-Cheftrainer Marco Rose: »Das hat riesigen Spaß gemacht, ich fand die Atmosphäre klasse, es hat nach Fußball und Bratwurst gerochen. Es war gute Stimmung, ein tolles Spiel, herausragende Tore.« Zwar forderten Anhänger in einer Online-Petition, dass das Halbfinale ins große Stadion verlegt wird, doch dafür fanden sich nur gut 500 Unterstützer. Das Team selbst will lieber vom Flair am Cottaweg profitieren.

Um dem Andrang gerecht zu werden, baut RB zum ersten Mal eine mobile Tribüne für etwa 300 zusätzliche Zuschauer auf. Das soll in der kommenden Saison Standard werden, da in der 1. Liga Platz für mindestens 2000 Zuschauer vorhanden sein muss. Das Pokalspiel gilt auch für den DFB als Testlauf, um sich von der Erstliga-Tauglichkeit bei RB zu überzeugen. Eines Tages soll für die Frauen und auch die bis dahin möglicherweise wieder eingeführte U23-Männermannschaft ein passendes, etwa 5000 Zuschauer fassendes Stadion entstehen. Doch das ist Zukunftsmusik. Zunächst wollen die »Bullerinas«, wie RB seine Frauen taufte, den Zuschauerschnitt von bislang etwa 300 im Stadion am Bad in Markranstädt vor den Toren Leipzigs durch den dauerhaften Umzug in die neue Heimat deutlich anheben.

Begonnen hatte der Weg der Leipziger Fußballerinnen 2016 wie bei den Männern mit Querelen und Protesten. In einer Spielgemeinschaft mit dem Leipziger FC 07 begann RB nicht wie geplant mit Jugendspielerinnen in der sächsischen Landesliga, sondern trat mit ehemaligen Zweitligaspielerinnen an. Daraufhin gaben die übrigen Liga-Teilnehmer eine Protesterklärung ab. Der Bischofswerdaer FV boykottierte gar und trat aus Protest nicht an. 

Der Neuling wurde aus dem Pokal ausgeschlossen, musste sich dazu bereit erklären, Auflagen zu erfüllen und eine gewisse Anzahl an Jugendspielerinnen einzusetzen und Ligaspiele zu wiederholen. Zwar betonte der ehemalige Klubchef Oliver Mintzlaff bereits 2017: »Entweder wir machen Frauenfußball richtig oder wir lassen es. Halbgas ist nicht die Philosophie unseres Vereins.« Doch es dauerte dennoch sieben Jahre bis zum nun bevorstehenden Aufstieg in die Beletage.

Mit Sportdirektorin Viola Odebrecht, dreimalige Champions-League-Siegerin mit dem VfL Wolfsburg, dem zu Saisonbeginn gekommenen Trainer Uzun und etlichen Zugängen scheint das Team sportlich bereits jetzt tauglich für die obere Hälfte der 1. Liga. »Wir haben eine einheitliche Philosophie im gesamten Verein, wollen talentierte Spielerinnen weiterentwickeln und streben dabei eine ganzheitliche Förderung und Persönlichkeitsentwicklung an«, erklärt Odebrecht. »Wir wollen weiterhin organisch wachsen, nicht den zweiten vor dem ersten Schritt gehen und keine verrückten Dinge machen.« 

Keine Stars, sondern Talente mit Potenzial sollen es richten. Dass eine Spielerin wie Olympiasiegerin Anja Mittag 2019 zu RB wechselte und durch ihre Erfahrung und Klasse das Projekt anschob, ist eine absolute Ausnahme. Aktuell forciert Mittag den Weg nach oben als Co- und Offensivtrainerin sowie als Aushängeschild der Leipzigerinnen.

Mit dem Aufstieg werden auch Etat und Gehälter steigen, berichtet Odebrecht: »Zum einen müssen Lizenzierungsauflagen erfüllt werden, zum anderen wollen wir auch die Qualität im und ums Team herum steigern.« Die Perspektive ist klar: Nach ein, zwei Akklimatisierungsjahren in der Bundesliga will RB auch bei den Frauen das Establishment aufrütteln und den Branchenführern Bayern München und dem VfL Wolfsburg Konkurrenz machen. »Es liegt in unserer DNA, perspektivisch auch ambitioniertere Ziele anzugehen«, bestätigt Odebrecht. »Wir möchten langfristig schon im oberen Drittel der Bundesliga mitspielen und damit auch im Kampf um die internationalen Plätze ein Wörtchen mitreden.«

Mit dem nahenden Abstieg von Turbine Potsdam wäre RB dann als einziger Erstligist aus dem Osten ein neuer Leuchtturm für die gesamten neuen Bundesländer – auch im Nachwuchs. Aktuell gehören schon sieben Spielerinnen aus der eigenen Kaderschmiede dem Zweitliga-Team an. »Es ist doch super, wenn Spielerinnen aus Mitteldeutschland nicht die Region verlassen müssen, um hochklassigen Fußball zu spielen«, sagt Odebrecht. Der Einzug ins Finale in Köln am 18. Mai würde den RB-Frauen weiteres Renommee einbringen. Dann wird nicht vor 1800 Fans gespielt, sondern mit über 30 000 Anhängern soll ein neuer Zuschauerrekord für ein Spiel im DFB-Pokal und bei nationalen Vereinsspielen der Frauen aufgestellt werden. Das wäre ein weiteres Kapitel der neuerlichen Leipziger Aufstiegsstory.

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