Atomausstieg: Der letzte Dampf über Isar II

Wie wird ein Atomkaftwerk rückgebaut? Und was bedeutet das für die Gemeinde Niederaichbach?

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.
Sieht bald noch idyllischer aus: Die Isar bei Niederaichbach.
Sieht bald noch idyllischer aus: Die Isar bei Niederaichbach.

Fährt man von München auf der Autobahn hinunter nach Niederaichbach, ist hinter Landshut der riesige Kühlturm des Atomkraftwerks Isar II zu sehen. An diesem Samstag wird das Kraftwerk aus den 70er Jahren mit dem Atomausstieg als eins der letzten abgeschaltet.

Niederaichbach ist eine kleine Gemeinde mit an die 4000 Einwohner. Josef Klaus (CSU) ist hier seit 2014 Bürgermeister und seit Tagen sehr beschäftigt. Was wird er am Samstag machen? »Das wird ein normaler Tag, ich gehe einkaufen«, sagt er. Aber ein »bisschen Wehmut sei schon dabei«, immerhin gehe eine Epoche zu Ende. Finanziell bringt der Atomausstieg der Gemeinde keine Veränderungen. Jahrzehntelang gab es eine satte Gewerbesteuer, bis die Bundesregierung 2011 eine Brennelementesteuer einführte. Der Stromkonzern verrechnete diese mit den Gewinnen. 2017 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Steuer für verfassungswidrig, sie musste zurückbezahlt werden. Der Gemeinde Niederaichbach blieb davon nur ein einmaliger Betrag von 600 000 Euro.

Tritt man aus dem Rathaus, sieht man rechts den riesigen Kühlturm mit seiner weißen Verdunstungswolke. Zum Kraftwerk führt entlang der Isar die »Kraftwerksstraße«. Hier gab es vor zwölf Jahren wegen des Atomunfalls in Fukushima Protestkundgebungen und Mahnwachen gegen das Atomkraftwerk. Mit dabei bei den Protesten war damals Mira Neumeier aus Landau. Die Puppenspielerin kann sich nicht richtig freuen, im Ausland qualmten Atomkraftwerke ja munter weiter. Zusätzlich zu einem Ausstieg aus der atomaren Stromerzeugung hält sie einen grundsätzlichen Wandel in der Klimapolitik für notwendig.

Die beiden Meiler haben schon einiges überstanden – etwa Tschernobyl und den nahen Absturz eines Mirage-Kampflugzeuges. Eine französische Mirage kollidierte 1988 bei einer Übung mit einem Jagdbomber und stürzte in Sichtweite des Atomkraftwerks in den Wald. In 64 Messstationen überprüfen bayerische Jäger noch immer, ob geschossenes Wild die Grenzwerte für Verstrahlung überschreitet. Wenn ja, gibt es Geld durch das Atomausgleichsgesetz.

Wie sieht der Ausstieg am Samstag nun konkret aus? Der letzte Betriebstag soll größtenteils wie jeder andere letzte Betriebstag vor einer Abschaltung (zum Beispiel anlässlich einer Revision) verlaufen, so der Kraftwerksbetreiber Preussen-Elektra auf seiner Website. Die Schichtmannschaft wird die üblichen Prozeduren und Prüfungen vornehmen, die vor einer Abschaltung des Kraftwerks vorgesehen und im Betriebshandbuch festgelegt sind. Gegen 22 Uhr beginnt dann der Abschaltprozess der Anlage – die Leistung wird dann stufenweise abgesenkt. Bei einer Reaktorleistung von 30 Prozent wird bereits kein Strom mehr ins Höchstspannungsnetz eingespeist, es erfolgt eine automatische Trennung des Generators vom Stromnetz. Danach wird die Kernspaltung im Reaktor gestoppt. In den darauf folgenden Stunden kühlt der Reaktor weiter herunter. Die Stromversorgung der Anlage erfolgt dann von außen über das Stromnetz. Nach der Abschaltung der Anlage werden Wartungsarbeiten und Prüfungen durchführt. Voraussichtlich bis Mitte des Jahres werden die 193 Brennelemente, die sich derzeit im Reaktor befinden, in das Lagerbecken gestellt. Der Rückbau selbst kann erst nach Erteilung der dafür erforderlichen Genehmigung beginnen, die für Ende des Jahres erwartet wird. Bis dahin sollen die Voraussetzungen für den Rückbau der Anlage geschaffen werden. Da sich noch Brennelemente innerhalb des Kraftwerks befinden, müssen alle für diesen Betriebszustand relevanten Systeme und Komponenten gemäß den betrieblichen Bestimmungen gewartet, instandgehalten und wiederkehrend geprüft werden. Nicht benötigte Systeme werden abschaltet.

Der Abbau beginnt dann von innen nach außen, dabei werden radioaktiv belastete Anlagenteile möglichst frühzeitig abgebaut. Es werden ausschließlich Systeme, Einrichtungen und Anlagenteile mit den zugehörigen Versorgungseinrichtungen abgebaut, die nicht mehr für den Restbetrieb benötigt werden. Zeitgleich wird ein Reststoffbehandlungszentrum innerhalb des Kontrollbereichs eingerichtet. Schließlich geht es zum Herzstück des Kraftwerks: dem Reaktordruckbehälter. Die im Behälter befindlichen Einbauten werden zerlegt und verpackt, anschließend der Reaktordruckbehälter selbst. Es folgen die benachbarten Systeme wie die vier Dampferzeuger, der Druckhalter, der Abblasetank und die vier Hauptkühlmittelpumpen. Auch die Rohrleitungen und Komponenten wie das Speisewassersystem und die Frischdampfleitungen können dann abgebaut werden.

Für all diese Arbeiten werden Arbeiter benötigt, die weiter beim Stromkonzern beschäftigt sind. In Niederaichbach werden die Brennelemente in 88 Castoren zwischengelagert, weiterer Atommüll soll hinzukommen.

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