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Krieg im Jemen: Peking vermittelt und investiert
Als Sponsor der Wiederannäherung der Regierungen in Riad und Teheran etabliert sich China als neue Kraft im Nahen Osten
In Jerusalem und Washington sorgten die Bilder für Aufregung: Während die Nachricht die Runde machte, dass der Iran kurz davor stehe, Uran bis zur Waffenfähigkeit anzureichern, und die Welt auf die chinesischen Drohgebärden schaute, stand Chinas Chefdiplomat Wang Yi in der Mitte, als Vertreter der Regierungen Saudi-Arabiens und des Iran für die Fotografen Hände schüttelten – zum ersten Mal seit sieben Jahren.
Für die USA und Israel bedeutet dies zunächst einmal eine Herausforderung für die bisherige Außenpolitik: Jahrelang hatte man in Jerusalem mit Unterstützung aus Washington darauf hingearbeitet, dass Israel, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) eine strategische Allianz bilden gegen den Iran und dessen Atomprogramm. Nun aber redet die saudische Regierung wieder mit Teheran, die Botschaften werden wieder geöffnet, Direktflüge wieder aufgenommen. Und Washington oder andere westliche Regierungen hatten mit der Annäherung nichts zu tun: Die chinesische Regierung hat den Deal ausgehandelt und sich damit als neue Kraft im Nahen Osten positioniert.
Genau dort verlaufen einige der weltweit wichtigsten Flug- und Schifffahrtsrouten und liegt ein erheblicher Teil der Öl- und Gasreserven. Noch Tage zuvor hatten israelische Regierungsmitarbeiter Mitte März in Hintergrundgesprächen darüber gesprochen, der politisch stark unter Druck stehende Regierungschef Benjamin Netanjahu könne bald ein Abkommen mit Saudi-Arabien unterzeichnen. Auch deshalb sei es so wichtig, dass seine ultrarechte Regierung an der Macht bleibe. Nun ist das in weite Ferne gerückt. Auf der arabischen Halbinsel sind andere Dinge wichtiger geworden.
Zum Beispiel, dass der Jemen-Krieg endet. Denn der ist nicht nur, aber auch, ein Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Teheran unterstützt die Huthi-Milizen, Riad steht auf der Seite der international anerkannten Regierung. In den vergangenen Jahren hatten die Huthi mehrfach Raketen auf Städte und wichtige Infrastruktur in Saudi-Arabien und den VAE abgeschossen. 2019 legte ein Angriff auf eine Einrichtung des Ölkonzerns Saudi Aramco zeitweise die Hälfte der Ölproduktion lahm. Für die saudische Regierung bedeutet die Annäherung vor allem die Hoffnung auf eine Verbesserung der eigenen Sicherheitslage.
In Teheran indes sucht man dringend nach Partner, die es ermöglichen, die Sanktionen der USA wirkungslos zu machen. Und der chinesische Präsident Xi Jinping hatte bei einem Treffen mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi Infrastrukturprojekte in Aussicht gestellt.
Für die Menschen im Jemen bedeuten diese Entwicklungen vor allem eines: Hoffnung. In einem Statement erklärte Raschad Al-Alimi, der als Vorsitzender des jemenitischen Nationalrats den Rang des Staatsoberhaupts hat, er hoffe, dass auch China im Jemen investiere und beim Wiederaufbau helfe. Das allerdings dürfte dem Westen ebenfalls nicht gefallen. Denn Peking würde sich damit weiteren Einfluss am Horn von Afrika sichern, also an der Meerenge, durch die die Schifffahrtsroute aus Südostasien zum Suezkanal führt. Auf der anderen Seite, in Dschibuti, unterhält man bereits eine Militärbasis, die offiziell dem Kampf gegen die Piraterie dient.
Völlig unklar ist derweil, wie sich die neue chinesische Rolle in der Region auf den Streit um das iranische Atomprogramm auswirkt: China hatte das ursprüngliche Abkommen mit ausgehandelt und unterzeichnet. Auch über eine Neuauflage verhandelte Peking mit. Doch auf Nachfragen heißt es nur kryptisch, es sei »eine schnelle und saubere Lösung erforderlich, die die Rechte und Interessen des Iran berücksichtigt«. Manche Beobachter mutmaßen, Peking mache eine iranische Zurückhaltung zur Bedingung für Investitionen. Andere sind der Ansicht, man messe dem Programm nicht die gleiche Bedeutung bei wie der Westen und Israel. Denn die finanziellen Interessen Chinas in der Region sind enorm. Aus einem Bericht des US-Kongresses geht hervor, dass China seit 2005 etwa 273 Milliarden Dollar im Nahen Osten, Nordafrika und der Türkei investiert hat.
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