Neues von Mudhoney: Unter der Decke

Die Gitarrenschlonzband Mudhoney bringt mit »Plastic Eternity« ein überraschend melodisches neues Album raus

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Mudhoney
Mudhoney

Mudhoney waren schon vor Nirvana und Pearl Jam da, also noch bevor Grunge durch die Decke ging. Und sind dann eher unter der Decke geblieben. Oder unter dem Radar, wie man will. Vielleicht lag es daran, dass Mudhoney-Sänger Mark Arm anders als Eddie Vedder zur Schmerzensmannperformace nicht gewillt war und ist. Und anders als Kurt Cobain immer recht gelöst und heiter wirkte. Und wirkt. Wenig Identifikationspotenzial also damals für den und die typische Neunzigerjahre-Slackerin.

Plattenbau
Die CD der Woche. Weitere Texte unter: dasnd.de/plattenbau

Was schade ist, denn Mudhoney waren eigentlich konsequenter in der drömeligen Verweigerungshaltung, die nicht kämpferisch auftritt, sondern ihre Durchschlagskraft aus der Verpeiltheit bezieht, also aus der Fähigkeit, Dinge nicht auf die Kette zu kriegen. Mit der Haltung kann man dann auch in 35 Jahren irgendwas um die 15 Alben mit Gitarrenschlonz vollspielen, eines lustiger als das andere. Ein paar Hits waren dann schon auch dabei, gerade aus der Frühphase. »Touch Me I’m Sick« zum Beispiel, ein ganz herzerweichendes Stück Schweinefuzzrock. Oder das selbsterklärende »Hate the Police«. Oder auch das hyperaktiv-toxische, naja, Liebeslied »Suck You Dry« (»Can‹t breath until / I suck you dry«).

Was das Durch-die-Decke-gehen auch verunmöglicht haben wird, ist der eher verschrobene Humor, der sich in Text und Klang manifestierte – zum Beispiel auf dem ebenfalls sehr guten 1992er-Album »Piece of Cake«, das lustige Furzgeräusche und eine forciert doofe Techno-Parodie zu Gehör brachte. Dieser Hang zum Bekloppten bei gleichzeitigem Bewusstsein von den dunklen und eben sicken Aspekten der Menschheit und da vor allem von ihrem männlichen Teil zeichnet die Texte von Mudhoney aus.

Musikalisch wiederum herrschen Spaß am Lärm und daran vor, beim Gitarrespielen möglichst kräftig und ausdauernd auf die Fuzz-Pedale draufzutreten. Der Sound ist entsprechend verdreckt und knarzig und wurde von der Band selbst in einem Plattentitel begrifflich festgeschrieben: »Superfuzz Bigmuff«.

Auf dem neuen Album »Plastic Eternity« geht es dann vergleichsweise melodisch zu. Der Opener »Souvenir of My Trip« erfreut einen mit lustiger Space-Orgel und einem schön sleazigen Gitarrensolo. Auf »Almost Everything« dengelt die Percussion, und es groovt ganz enorm. »Cascades of Crap« ist astreiner Dad-Rock, den man gut hören kann, wenn man zum Beispiel im Hawaii-Hemd auf dem Motorrad der Midlife-Crisis davonzufahren versucht. »Flush the Fascists« klingt dann wieder, als hätte den Song ein sehr begabter 19-Jähriger geschrieben.

Und so geht es munter weiter. Obwohl hier alle Beteiligten schon seit Ewigkeiten die eigene Nische verwalten, zieht alles ununterbrochen nach vorne und ist von großer Lebendigkeit. »Plastic Eternity« ist sehr schönes, angenehm unspektakuläres Album geworden, das auch mal so wie Jimi Hendrix klingen kann, ohne dass es peinvoll wird (»Cry Me An Atmospheric River«), und mit einer Liebeserklärung an den Hund des Sängers endet (»Little Dogs«). Fabriziert von, wie man heute sagt, lebensälteren Menschen, in deren Herzen in einer immer wieder angesteuerten Ecke etwas immer sechzehn geblieben ist.

Mudhoney: Plastic Eternity (Sub Pop / Cargo)

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