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Tauziehen um die Macht in Islamabad
In Pakistan liegen Regierungsmehrheit und Oberster Gerichtshof miteinander im Streit
In Pakistan zeichnet sich eine Verfassungskrise ab. Die Regierung will per Gesetz bestimmte Vollmachten des Supreme Court, des Obersten Gerichts, und vor allem des Chefrichters begrenzen. Das würde die Machtaufteilung unter den staatlichen Institutionen und damit die ohnehin schon fragile pakistanische Demokratie berühren.
Rund die Hälfte der Zeit seiner bisherigen Existenz hat Pakistan unter Militärherrschaft zugebracht. Und auch die demokratischen Phasen dazwischen waren in der Regel mehr mit dem Gerangel verschiedener Parteienblöcke als einem klaren Kurs geprägt. So ist es auch aktuell einmal mehr zu beobachten. Vor ziemlich genau einem Jahr wurde – ein Novum in der Landesgeschichte – der vorherige Premierminister Imran Khan mittels parlamentarischem Misstrauensvotum abgesetzt.
Der Kricketstar der Neunzigerjahre und Wahlsieger von 2018 sowie seine Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) streiten seither vor allem mit außerparlamentarischen Aktionen für vorgezogene Neuwahlen. Bei seinem »Langen Marsch« auf die Hauptstadt wurde Imran Khan, der in weiten Teilen der Bevölkerung noch immer als eine Art Volkstribun gilt, bei einem Attentatsversuch angeschossen.
Chefrichter als Zielscheibe
Weder sein unablässiger Konflikt mit dem heutigen Regierungschef Schehbaz Scharif, dem er persönlich, seinem Innenminister und dem Geheimdienstchef Khan ein neues Mordkomplott unterstellt, noch das seit Monaten anhaltende Hickhack zwischen dem Ex-Premier und der Justiz bei inzwischen 140 Anklagen dominieren momentan die Nachrichten. Auf dem Spitzenplatz liegt der Streit zwischen der von Schehbaz Scharif angeführten Koalition und dem Obersten Gerichtshof.
Zielscheibe ist dabei insbesondere Chefrichter Umar Ata Bandial, der gerichtsintern durchaus umstritten ist. Der offen ausgetragene Konflikt sowohl unter den Mitgliedern der höchsten juristischen Instanz des Landes als auch kollektiv zwischen dieser und der regierungsamtlichen Politik hat neben all den anderen Krisen eine weitere heraufbeschworen, die an den Fundamenten der Machtteilung Pakistans kratzt.
Chefrichter Bandial wird von verschiedenen Seiten vorgeworfen, selbstherrlich zu agieren und selbst heikle Rechtsfragen großer Tragweite nur von kleinen, meist dreiköpfigen Kammern beraten zu lassen. Zudem sind es auffallend oft die gleichen Richter, denen er diese Fälle zuweist. Auch ihm kritisch gesonnene Richterkollegen am Supreme Court, darunter vor allem sein designierter Nachfolger Qazi Faez Isa, halten ihm Überschreitung seiner Kompetenzen, Eigeninteressen und mangelnde Überparteilichkeit vor.
Isa hatte in der Vorwoche mit einer kleinen Kammer sogar ein entsprechendes Urteil gefällt, das dem Chefrichter das Recht abspricht, bestimmte Entscheidungen ganz allein ohne Konsultation mit den ranghöchsten Kollegen des Obersten Gerichts zu treffen. Das Bandial-Lager erkennt die dreiköpfige Kammer und ihr Ergebnis nicht an.
Regionalwahl in Provinz Punjab
Derweil probt die von der Pakistanischen Muslimliga-Nawaz (PML-N) des Premiers sowie der Pakistanischen Volkspartei (PPP) von Außenminister Bilawal Bhutto-Zardari angeführte Koalition den offenen Machtkampf mit dem Obersten Gerichtshof. Nicht nur, dass sich die Regierung weigert, der Wahlkommission das nötige Geld für die Organisation der am 14. Mai anstehenden Regionalwahl in der Provinz Punjab freizugeben, deren Verschiebung auf Oktober der Supreme Court mit einem Urteil gestoppt hatte.
Beide Parlamentskammern haben sogar gleich zweimal einem Gesetzentwurf zugestimmt, der Bandials Kompetenzen beschneiden würde. Mit der zweiten Abstimmung wäre die Hürde überwunden, dass Präsident Arif Alvi dem umstrittenen Gesetz bisher seine Unterschrift verweigert. Doch obwohl es noch gar nicht in Kraft ist, hat es der Supreme Court – diesmal mit einer breiten, achtköpfigen Kammer – bereits vorab für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt. Der Ausgang dieses Tauziehens ist offen.
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