SPD Berlin: Ein knappes Ja zu drei schwarzen Jahren

54 Prozent der SPD-Parteimitglieder sprechen sich für Koalitionsvertrag aus

Kai Wegner auf der Zielgerade: Wie der SPD-Landesverband am Sonntagnachmittag bekannt gab, hat die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag mehrheitlich zugestimmt. Demnach stimmten 54 Prozent der etwa 12 000 Berliner SPD-Mitglieder, die sich an der Abstimmung beteiligten, für das Bündnis mit der CDU. Das Ergebnis fiel damit deutlich knapper aus, als es Beobachter erwartet hatten. Die SPD hat in Berlin insgesamt 18 000 Mitglieder, das Quorum für die Gültigkeit der Abstimmung wurde entsprechend deutlich übertroffen.

Landesvorsitzende und bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sprach auf der Pressekonferenz, bei der das Abstimmungsergebnis vorgestellt wurde, von einem »klaren Ergebnis«. »Ich bin sehr erleichtert, für die SPD, aber auch für unsere Stadt«, sagte sie. Nun habe man die Chance, in konkretes Handeln zu kommen. Auch Co-Vorsitz Raed Saleh zeigte sich zufrieden. Er bezeichnete die Entscheidung als »vernünftig«.

Dass Kai Wegner (CDU) nun bei der Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag zum Regierenden Bürgermeister gewählt werden wird, dürfte wohl als weitestgehend sicher bezeichnet werden. Am Montag kommen die Christdemokraten für einen Parteitag zusammen. Neben allerlei Selbstbeweihräucherung nach dem Wahlsieg im Februar steht auch eine Abstimmung über den Koalitionsvertrag auf der Tagesordnung. Eine Annahme gilt als sicher, kritische Stimmen zum Bündnis mit der SPD gibt es nur wenige in der CDU.

Bei der Wahl im Abgeordnetenhaus am Donnerstag muss Wegner 80 Abgeordnete hinter sich bringen, CDU und SPD kommen gemeinsam auf 86. Auch wenn es innerhalb der SPD-Fraktion Abgeordnete gibt, die für ein Nein zum Koalitionsvertrag warben, dürfte es unwahrscheinlich sein, dass Wegner auf den letzten Metern noch der Sieg genommen wird.

Wegner wird damit der erste Regierende Bürgermeister mit CDU-Parteibuch seit 22 Jahren. Der letzte CDU-Regierende war Eberhard Diepgen, der 2001 im Zuge der Bankenaffäre durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden war. Seitdem war das Rote Rathaus fest in SPD-Hand. Die CDU war zwischen 2011 und 2016 zwar als Juniorpartner Teil einer Großen Koalition, konnte jedoch in dieser Zeit nur wenige eigene Akzente setzen.

Bevor die Parteivorsitzende Franziska Giffey vor die Presse trat, hatten am Sonntag 60 Wahlhelfer die Stimmzettel ausgezählt. Die Wahlhelfer waren dabei hermetisch abgeriegelt, Mobiltelefone und internetfähige Uhren durften nicht in das provisorische Wahlbüro im ersten Stock der SPD-Landeszentrale an der Müllerstraße in Wedding mitgenommen werden. Während der Auszählung durften sie die Räume nicht verlassen. Um auf Nummer sicher zu gehen, wird jeder Stimmzettel zweimal gezählt.

Die SPD-Mitglieder konnten zuvor zwei Wochen lang bis Freitagabend über den Koalitionsvertrag abstimmen. Begleitet wurde die Abstimmung von nichtöffentlichen Mitgliederforen, bei denen über den Koalitionsvertrag diskutiert werden konnte. Teilnehmer berichten von kontroversen, aber insgesamt fairen Debatten bei den Veranstaltungen. Weil das Interesse – und das Mitteilungsbedürfnis – der Mitglieder offenbar groß war, mussten Plätze auf der Redeliste verlost werden.

Mehrere Kreisverbände und die Jusos, die Jugendorganisation der Partei, hatten im Vorfeld der Abstimmung Beschlüsse gegen die Große Koalition gefasst. Der SPD-Landesvorstand forderte daraufhin die Parteigliederungen in einem Rundschreiben auf, auf weitere Positionierungen zu verzichten, um die Entscheidung der Basis nicht zu beeinflussen. Die Empfehlung fand nicht nur Zustimmung. »Diese Gremien sind ja eigentlich dafür da, erst zu diskutieren und dann eine Haltung zum Ausdruck zu bringen«, sagte etwa Hannah Lupper, Vorsitzende einer Kreuzberger SPD-Abteilung, zu »N-TV«. Sie kritisierte, dass die untergeordneten Gliederungen zur Koalitionsfrage schweigen sollen, während der Landesvorstand mit Rundbriefen und Emails für seine Position warb.

Die Jusos kündigten auf Twitter an, das Ergebnis respektieren zu wollen. Man wolle den neuen Senat »kritisch-solidarisch« begleiten. Ganz geschlagen will man sich aber nicht geben: »Unsere Haltung überdauert Abstimmungen – auch diese«, heißt es bei dem Onlinedienst. Das knappe Ergebnis zeige die Spaltung der Partei, die Parteispitze müsse nun mehr tun, um sie zusammenzuführen. Zugleich fordert die Jugendorganisation, dass Partei- und Regierungsämter getrennt werden sollten – eine klare Spitze gegen Franziska Giffey, die in die neue Regierung als Senatorin eintreten soll.

Unmittelbar nach Bekanntgabe reagierten auch Politiker anderer Parteien auf das Ergebnis. »Heute ist ein schlechter Tag für Berlin«, schreibt der Linke-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg auf der Plattform Twitter. »Die SPD geht tief gespalten in eine Rückschritts und Stillstandskoalition mit der CDU.« Schlüsselburg sieht die schwache Zustimmung als Zeichen für eine geschwächte Parteiführung. Er kündigt an, dass die Linkspartei nun »ein breites Bündnis mit Mietern, Initiativen, Gewerkschaften und Nachbarn in den Kiezen« schmieden werde. Dazu seien alle herzlich eingeladen.

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