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DFB-Frauen: WM-Neustart mit Geduld
Die Bundestrainerin will auch nach einer Schwächephase bis zum Sommer Ruhe bewahren
Martina Voss-Tecklenburg weiß selbst, dass die anstehende Dienstreise mit einigen Strapazen verbunden sein wird. Am Montag ins Flugzeug nach Australien zu steigen, um sich für drei Tage am Schauplatz der kommenden Fußball-WM (20. Juli bis 20. August) umzusehen, ist der Bundestrainerin indes enorm wichtig. Sie möchte »fühlen, sehen und spüren«, was den Vize-Europameister auf der anderen Seite der Erdhalbkugel erwartet. Es werde »ganz anders als die EM der kurzen Wege in England« im vergangenen Sommer, ist sie sich schon jetzt sicher.
Neben Co-Trainerin Britta Carlson zählen auch Rasen-Experte Sebastian Breuing und Teammanagerin Jessica Ewald zu ihrer Reisegruppe, um rund ums geplante Trainingslager in Wyong fast 100 Kilometer nördlich von Sydney die Bedingungen zu inspizieren. Auf der Rückreise wird sie direkt in London landen, um das Champions-League-Rückspiel des VfL Wolfsburg bei Arsenal vor 50 000 Fans live zu sehen. »Ein toughes Programm«, nannte es die 55-Jährige am Montag in Frankfurt am Main.
Selbiges gilt für ihre Spielerinnen, die zuletzt den Heldinnenstatus von der EM nicht mehr ganz erfüllten. Die Länderspiele gegen Schweden (0:0), Niederlande (1:0) und vor allem Brasilien (1:2) verliefen allesamt sehr zäh. Doch die neuerdings bis 2025 an den Verband gebundene Fußballlehrerin ist deswegen nicht beunruhigt. »Die Sicherheit ist nicht da«, gab sie zu, aber dafür gebe es in der »hochbelasteten Phase« gute Gründe. Genau wie vor der EM soll auch vor dem Abenteuer in Australien eine ausgedehnte Vorbereitung in Herzogenaurach alles zusammenbringen: »Wir haben viel Trainingszeit und lassen uns nicht verrückt machen.«
Auch der für den deutschen Markt drohende TV-Blackout ficht Voss-Tecklenburg angeblich nicht an: »Ich weiß, dass man sich einigen wird. Ich bin ein sehr positiv denkender Mensch.« Gleichwohl sind die Verhandlungen zwischen dem Weltverband Fifa auf der einen sowie ARD und ZDF auf der anderen Seite völlig festgefahren.
Bei allem Optimismus: Titelansprüche werden beim zweifachen Weltmeister nicht offensiv formuliert. »Wir sollten das Selbstverständnis haben, um Titel zu spielen«, bekundete Voss-Tecklenburg eher vorsichtig. »Wir wollen mit Spaß, Leidenschaft und Power dabei sein, dann verzeiht man auch mal einen Fehler.«
Zum Kreis der Anwärter zählt sie aufgrund der gestiegenen Konkurrenz inzwischen zehn, elf Nationen. Die Bundestrainerin glaubt übrigens, dass auch die mentale Komponente zu der einen oder anderen Verkrampfung in den Länderspielen geführt habe. »Der Druck ist bei den Spielerinnen relativ groß. Es ist kein Selbstverständnis, dass jene, die bei der EM dabei waren, auch mit zur WM kommen.«
Insofern interessant, dass der 23 Frauen starke WM-Kader diesmal erst nach der Vorbereitung benannt werden soll. Überlegt wird auch, ob vielleicht ein oder zwei Akteure als Backup mitreisen. Denn Voss-Tecklenburg will explizit auch einer Leistungsträgerin wie Giulia Gwinn nach ihrem Kreuzbandriss noch die Tür offenhalten; mit Kapitänin Alexandra Popp ging ein solches Wagnis bei der EM bekanntlich auf. Inzwischen ist die Torjägerin das bekannteste Gesicht der deutschen Fußballerinnen. Aber längst nicht mehr die Einzige, erzählte die Trainerin: »Wenn ich vor drei, vier Jahren Leute gefragt habe, welche Nationalspielerin sie kennen, nannten sie Alexandra Popp und vielleicht noch Almuth Schult – viel mehr aber nicht. Das ist anders geworden.«
Die gestiegene Aufmerksamkeit ist erst am Wochenende eindrucksvoll bezeugt worden. Mehr als 60 000 Besucher strömten insgesamt zum Bundesligaspiel des 1. FC Köln gegen Eintracht Frankfurt (0:2) und dem Champions-League-Halbfinale des VfL Wolfsburg gegen Arsenal (2:2). »Für mich als Bundestrainerin ist das natürlich ein cooles Projekt«, sagte Voss-Tecklenburg am Montag. Dass die Spielerinnen neuerdings ihr eigenes Wort nicht verstehen würden, »weil die Ultras bei einer Ecke so laut pfeifen«, bezeichnete sie als wertvollen Lerneffekt. »Es ist noch ganz viel mehr möglich«, glaubt die gebürtige Duisburgerin.
Ausdrücklich nahm sie die Klubs der Frauen-Bundesliga dabei in die Pflicht. »In England haben alle Vereine die Vision, nach oben zu kommen.« Dass sich manch deutscher Lizenzverein allein darauf beschränke, nur Talente zu entwickeln, sei auf Dauer zu wenig: »Das kann bei uns nicht der Weg für die Zukunft sein. Dann werden wir von anderen überholt.«
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