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Vier-Tage-Woche: Hoch die Hände, langes Wochenende
Arbeitssenatorin Kiziltepe provoziert mit Vorschlag zu Vier-Tage-Woche Widerspruch vom Koalitionspartner
Freitags ab eins macht jeder seins? Dieser Spruch wird oft zitiert, wenn es um die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst geht. In Wahrheit gilt er aber nur für eine Minderheit der Beschäftigten. Die Regelarbeitszeit beträgt laut Tarifvertrag der Länder 39 Stunden. Wer vor Freitagabend schon nach Hause will, muss in Teilzeit gehen und mit Lohnverlusten leben – zumindest derzeit noch. Glaubt man Interviewaussagen der neuen Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD), könnte die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich etwas näher rücken.
Gegenüber dem »Tagesspiegel« hatte Kiziltepe am Dienstag erklärt, sie begrüße die bundesweite Diskussion über eine signifikante Arbeitsverkürzung. »Viele junge Menschen und vor allem Eltern mit Kindern wünschen sich eine bessere Balance von Arbeit und Freizeit«, sagte die Sozialsenatorin, die erst vor weniger als einer Woche ihr Amt angetreten hatte. Man müsse bei der Landesverwaltung auf die Wünsche der jungen Generation eingehen – weil man auf diese angewiesen sei. Schließlich würden in den nächsten Jahren tausende ältere Beschäftigte in Rente gehen. »Die Vier-Tage-Woche ist es wert, in einem Modellprojekt erprobt zu werden«, kündigte Kiziltepe an.
Ein Konzept für ein solches Modellprojekt liegt allerdings nicht vor, wie Kiziltepe auf »nd«-Nachfrage angibt. »Konkrete Planungen für ein Modellprojekt auf Landesebene gibt es nicht«, so die Senatorin. Ein Ziel ihrer Amtszeit sei es, im eigenen Haus möglichst gute Arbeitsbedingungen zu schaffen und dafür »jede Möglichkeit auszuloten«. Die Frage, ob die Vier-Tage-Woche nur für den Verwaltungsapparat im engeren Sinne oder auch für andere Landesangestellte wie Lehrkräfte oder Polizisten gelten sollte, ließ sie unbeantwortet.
Modellprojekt hin oder her: Eine breitenwirksame Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst wird für Kiziltepe schwer umzusetzen sein. Der frisch gewählte Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erteilte der Forderung noch am Dienstag eine Absage – durch die Blume. »Das ist eine interessante Auffassung, eine Meinung«, sagte Wegner bei der Pressekonferenz nach der Senatssitzung. »Und trotzdem wissen wir alle: Der Koalitionsvertrag gilt.« Dort ist von derartigen Spielereien mithin keine Rede, auch wenn CDU und SPD laut Koalitionsvertrag ungleich unambitionierter eine »Verbesserung der Work-Life-Balance« anstreben. Die Initiative der neuen Senatorin kommentierte Wegner mit einem Satz, der in seiner diplomatischen Gehässigkeit auch von Amtsvorgängerin Franziska Giffey (SPD) hätte stammen können: »Wissen Sie, ich habe gar nichts dagegen, wenn Senatorinnen und Senatoren eine Meinung haben.«
Auch Finanzsenator Stefan Evers (CDU), verantwortlich für die Personalangelegenheiten des Landes, sieht wenig Spielraum für eine effektive Arbeitszeitverkürzung. Unterstützung gab es dagegen von der Opposition. »Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und die Vier-Tage-Woche sind schon lange Forderungen der Linken«, sagt Damiano Valgolio, der arbeitspolitische Sprecher der Linksfraktion. Die Berliner Verwaltung könne so mehr und motiviertere Beschäftigte gewinnen, hofft er.
Neben politischen Widerständen dürften auch praktische Hürden eine schnelle Umsetzung erschweren. Es klaffen bereits große Personallücken in der Verwaltung. Die Arbeit wird also bereits auf weniger Schultern verteilt. Würde auch noch die Arbeitszeit verkürzt werden, dürfte sich der Aktenstau zunächst unweigerlich weiter erhöhen.
Auf der anderen Seite muss die Landesverwaltung demografiebedingt mit sinkenden Bewerberzahlen kämpfen. Zugleich konkurriert sie mit Bundesbehörden und Privatwirtschaft, wo einzelne Unternehmen bereits die Möglichkeit zur Vier-Tage-Woche bieten. Attraktive Arbeitszeitregelungen könnten helfen, mehr Personal zu gewinnen. Eine Lücke dürfte es aber zumindest eine Zeit lang geben. Valgolio verweist auch darauf, dass Arbeitszeitverkürzung den Krankenstand reduziere. »Die Vier-Tage-Woche würde den Personalmangel in der Verwaltung nicht verschärfen, sondern ihm mittelfristig entgegenwirken«, so der Linke-Arbeitspolitiker.
Hinzu kommen tarifpolitische Schwierigkeiten. Berlin bestimmt die Arbeitsbedingungen nicht allein, sondern ist Teil der Tarifgemeinschaft der Länder, die einen bundesweit einheitlichen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften aushandelt. Dort dürfte die Berliner Initiative nicht nur auf Zustimmung treffen. Ein Alleingang der Hauptstadt könnte wiederum einen Ausschluss aus der Tarifgemeinschaft bedeuten – und damit auch ein Ende anderer Regelungen des gemeinsamen Tarifvertrags. Dabei steht Berlins Mitgliedschaft in der Tarifgemeinschaft wegen der Hauptstadtzulage, die das Land außertariflich gewährt, ohnehin auf der Kippe.
Valgolio verweist auf die anstehenden Tarifverhandlungen Ende des Jahres. »Wenn Arbeitssenatorin Kiziltepe ihren Vorschlag ernst meint, muss sie ihn jetzt der Tarifgemeinschaft der Länder unterbreiten«, sagt er. Dafür müsste der Senat aber geschlossen hinter dem Vorhaben stehen. Nicht nur Valgolio befürchtet daher, dass es bei der Initiative »eher um einen symbolischen Akt« zum Tag der Arbeit ging.
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