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NSU-Dokumentationszentrum: Haus für schmerzhafte Fragen
In Chemnitz und Zwickau könnte ab 2028 ein Dokumentationszentrum an den NSU-Komplex erinnern
Vor zehn Jahren, am 6. Mai 2013, begann in München der NSU-Prozess. Das Urteil fiel vor knapp fünf Jahren. Das Verfahren versuchte die Verbrechen einer rechtsterroristischen Zelle aufzuklären, die neun Geschäftsleute mit Migrationshintergrund und eine Polizistin ermordet sowie Bombenanschläge und Banküberfälle verübt hatte. Der erste Mord geschah vor mittlerweile 23 Jahren, die »Selbstenttarnung« des Kerntrios Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe erfolgte vor zwölf Jahren. »Für junge Leute«, sagt Hannah Zimmermann, »ist der NSU bereits ein historisches Phänomen.«
Zimmermann arbeitet in einer Initiative namens »Offener Prozess«, die sich seit Jahren dafür engagiert, dass trotz des wachsenden zeitlichen Abstands die Erinnerung an den sogenannten NSU-Komplex nicht verblasst. Dieser stelle eine »Zäsur in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte« dar und hinterlasse bis heute zahlreiche offene Fragen, unter anderem die, warum Polizei und Verfassungsschutz der Zelle nicht auf die Spur kamen und die Täter stattdessen in migrantischen Milieus suchten. Viele Angehörige der Opfer leiden darunter bis heute und drängen auf weitere Aufarbeitung.
Nach Antworten auf die schmerzhaften Fragen suchen schon jetzt viele zivilgesellschaftliche Initiativen, Künstler und Historiker. Bald soll es einen Ort geben, der ihre Aktivitäten bündelt: ein NSU-Dokumentationszentrum. Es soll in den westsächsischen Städten Chemnitz und Zwickau entstehen, wo die drei Haupttäter mit Hilfe eines umfangreichen Netzwerks an Unterstützern mehrere Jahre im Untergrund lebten, und könnte in fünf Jahren eröffnen. Das sagte Robert Kusche, Geschäftsführer der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) Sachsen, bei der Vorstellung einer Konzept- und Machbarkeitsstudie an diesem Freitag in Dresden.
Der Wunsch nach einer Institutionalisierung der Aufarbeitung war schon bald laut geworden, nachdem der NSU am 4. November 2011 aufgeflogen war. Die damalige Zwickauer Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD) regte ein Dokumentationszentrum für Opfer rechter Gewalt an. Es sollte in der Stadt angesiedelt werden, wo sich in der Frühlingsstraße 26 der letzte Unterschlupf des NSU befunden hatte. Es brauche aber Hilfe von Bund und Land: »Allein sind wir überfordert«, sagte Findeiß. Ihr Wunsch verhallte freilich zunächst ungehört.
Bewegung gab es erst Jahre später. 2019 bekannte sich das neue sächsische Regierungsbündnis aus CDU, Grünen und SPD in seinem Koalitionsvertrag zu einem solchen Zentrum. 2021 zog unter dem Eindruck eines offenen Briefes, den 190 Menschen, Vereine und Initiativen unterzeichnet hatten, die neu gebildete Berliner Ampelkoalition nach. In ihrem Regierungsprogramm ist im Abschnitt »Zivilgesellschaft und Demokratie« zu lesen: »Wir unterstützen die Errichtung eines Erinnerungsortes sowie eines Dokumentationszentrums für die Opfer des NSU.«
Die Studie unterbreitet jetzt Vorschläge dazu, wie das konkret umgesetzt werden kann. Das Zentrum würde demnach einen Hauptstandort in Chemnitz und eine Art Zweigstelle in Zwickau haben. Getragen werden soll es von einer privatrechtlichen Stiftung, die Bund und Land gemeinsam errichten und finanziell ausstatten sollen. Sie müssten zudem für die Errichtung beziehungsweise Sanierung der Gebäude aufkommen – in Zwickau könnte dafür ein historisches Krankenhaus genutzt werden. Die Kosten beziffert Kusche auf 24 bis 36 Millionen Euro. Das Zentrum sei, fügt er an, »realisier- und umsetzbar«. Bund und Land sollten sich jetzt schnell über die nächsten Schritte verständigen. Bis zur Eröffnung der Einrichtung könnte es ein »Interims-Dokumentationszentrum« geben, ergänzte Katja Meier (Grüne), Ressortchefin im sächsischen Justizministerium, das neben der Amadeu-Antonio-Stiftung und dem Bundesprogramm »Demokratie leben« zu den Geldgebern für die Konzeptstudie gehört. Das provisorische Zentrum soll Teil der Chemnitzer Aktivitäten als Europas Kulturhauptstadt 2025 sein und so lange geöffnet bleiben, bis das eigentliche Haus öffnet. Für dieses hofft Meier auf enge Zusammenarbeit mit dem Bund sowie den Städten Chemnitz und Zwickau: »Als Land werden wir das nicht allein stemmen können.«
Das Dokumentationszentrum soll künftig der wissenschaftlichen Aufarbeitung dienen, Bildungsangebote unterbreiten, Dauer- und Wechselausstellungen sowie ein Archiv beherbergen, sagte Zimmermann. Zudem solle es ein »geschützter Versammlungs- und Begegnungsort« sein. Die Künstlerin Ülkü Süngün, Beraterin bei der Konzeptstudie, hält es für unabdingbar, dass Betroffene der NSU-Gewalt, Angehörige und Hinterbliebene einbezogen werden, »und zwar nicht nur als Erfahrungsträger und Objekte von Ausstellungen«. Ihre Akzeptanz »legitimiert das Zentrum erst«. Die Einrichtung, fügte sie mit Blick auf die weiterhin »ausstehende lückenlose Aufklärung« des NSU-Komplexes an, sei »die einmalige Gelegenheit, es endlich einmal richtig zu machen«.
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