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Berlin Volleys krönen sich zum Volleyball-Rekordmeister

3:1-Sieg besiegelt zum Abgang von Erfolgstrainer Cédric Énard den Finaltriumph gegen VfB Friedrichshafen

Trainer Cédric Énard (r.) durfte auch nach seinem letzten Spiel in Berlin jubeln.
Trainer Cédric Énard (r.) durfte auch nach seinem letzten Spiel in Berlin jubeln.

Vielleicht war es Zufall, dass Johannes Tille der erste Spieler war, der Cédric Énard bei seinem Sturm aufs Spielfeld in den Weg lief und eine dicke Umarmung bekam. Vielleicht auch nicht. Der junge deutsche Zuspieler und sein französischer Trainer hatten am Samstagabend bei der Meisterschaftfeier der BR Volleys in der heimischen Max-Schmeling-Halle die meisten Augen auf sich gezogen: Tille mit einer erneut überragenden Lenkung des Berliner Spiels. Und Énard mit seinen Tränen nach seinem letzten Auftritt in der Hauptstadt.

3:1 hatten die Volleys auch Finalpartie drei gegen den VfB Friedrichshafen gewonnen und somit die Finalserie in nur sechs Tagen klar mit 3:0 für sich entschieden. Es war der 13. Titel für Berlin, sodass die Volleyball-Bundesliga mit den Volleys und dem VfB nun für ein Jahr zwei Rekordmeister hat. Es war die verdiente Krönung einer höchst erfolgreichen Amtszeit Énards.

Schon während jener ersten Umarmung vergoss der Coach die ersten von vielen Tränen der Freude und Wehmut, während er seinem Team einen klaren Auftrag für die Nacht mitgab. »Als ich vor vielen Jahren als junger Kerl französischer Meister wurde, hat mir ein Mitspieler gesagt, dass ich jetzt die Pflicht hätte, so hart zu feiern, wie es geht. Denn wer weiß schon, wann man noch mal die Gelegenheit dazu hat. Das habe ich meinem Team so weitergegeben«, verriet Énard, bevor ihn seine Spieler mit Bier übergossen, selbiges aus getragenen Schuhen tranken und bäuchlings auf Sektlachen durch die Kabine rutschten.

Bei so ausgelassener Stimmung konnte man sich kaum vorstellen, dass der Franzose vor wenigen Monaten Berlins Klubführung um Auflösung seines Vertrags gebeten hatte, weil er »eine gewisse Müdigkeit spüre«. Doch Énard vergaß das auch in der Zeit der Ekstase nicht. »Es wurde einfach immer schwerer, jeden Tag nach der Arbeit nach Hause zu kommen und die Familie war nicht da«, sagte er dem »nd«. Auf Dauer helfen da auch die besten Kollegen und schönsten Titelfeiern nicht. Nach 15 Jahren als Vereins- und Nationaltrainer zieht sich der 47-Jährige nach dem Sommer auch beim Nationalteam Kroatiens zurück.

»Wir verlieren einen überragenden Fachmann und Kommunikator, der zudem das Umfeld des Klubs verstanden hat«, erklärte Geschäfstführer Kaweh Niroomand, der mit dem Briten Joel Banks bereits einen Nachfolger gefunden hat. »Er ist vom Werdegang genau da, wo Énard war, als er zu uns kam: Er will sich parallel mit uns entwickeln. Ich hoffe, dass das erneut so gelingt.«

Was Énard nach dem Sommer machen wird, weiß er selbst noch nicht, sagt er: »Auf jeden Fall brauche ich eine Pause. Das habe ich gelernt.« Es zieht in wohl in eine Managementposition. Und den Berlinern will er in Sachen Scouting noch beratend beistehen.

Johannes Tille dagegen weiß schon genau, was er in den nächsten drei Jahren machen will und darf: erster Zuspieler für den deutschen Meister BR Volleys sein. Direkt im Anschluss an das Finale verkündete Niroomand die vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem 26-Jährigen. »Er wird unser Regisseur sein.«

An diese Festlegung war vor einem Jahr nicht mal im Traum zu denken, als Tille nach einer Wechselposse in der zweiten französischen Liga versauerte. Immerhin bekam er damals viel Spielzeit und musste zudem ein Team in den Playoffs zum Aufstieg führen. Niroomand gefiel Tille so sehr, dass er ihn nach Berlin holte, allerdings nur als Ersatz für den spanischen Nationalspieler Ángel Trinidad, der die Volleys als neuer Kapitän lange solide durch die Saison führte – bis zu seiner Verletzung. Tille bekam seine Chance und spielte vor allem in der Champions League so herausragend, dass ihn Trainer Énard auch nach Trinidads Genesung nicht mehr zurück auf die Bank setzen konnte.

»In Frankreich habe ich gelernt, dass ich in Finalspielen noch mal höher springe und härter schlage. Diese Situation motiviert mich einfach ungemein«, begründete Tille, warum er in den Playoffs sogar noch einmal aufdrehte. »Aber wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich ein Jahr später deutscher Meister bin, in jeder Finalpartie zum besten Spieler gewählt werde und einen Dreijahresvertrag in der Tasche habe, hätte ich ihm gesagt: Du Spinnst doch!«

Verdient hatte er all das allemal. Acht Asse schlug Tille in der Finalserie. Das gesamte Friedrichshafener Team schaffte nur vier mehr. Obwohl er nur 1,84 Meter groß ist, steuerte er noch fünf Blöcke zum Berliner Punktekonto bei. Den größten Einfluss hatten aber seine Pässe. Mit Mut und Übersicht fand er immer wieder die richtige Anspielperson im Angriff. Selbst als der VfB beim Satzball in Satz vier drohte, die Partie zu drehen, traute sich Tille einen riskanten Hinterfeldpass zu, den Tim Carle sicher verwertete. Eine Minute später lagen sich Tille und Énard vor 8553 begeisterten Fans jubelnd in den Armen.

In dieser Form dürfte Tille nun auch in der Nationalmannschaft mehr Verantwortung bekommen. »Das ist zumindest mein Anspruch«, sagte er dem »nd« selbstbewusst, obwohl er noch kurz vor der WM 2022 aus dem Kader gestrichen worden war.

Bis zum ersten Lehrgang von Bundestrainer Michal Winiarski bleibt ihm dank des schnellen Finaldurchlaufs nun doch noch eine Woche zur Erholung. Ebenso seinen Kollegen Anton Brehme und Ruben Schott. Um dieses Trio und den Tschechen Marek Šotola würde Niroomand gerne die Zukunft der Volleys bauen, wenn er sie halten kann. »Wir haben im letzten Sommer fünf Weltklasseleute verloren, aber die Mannschaft ist zusammengewachsen. Ich habe jungen Leuten ihre Chance gegeben, und sie haben sie genutzt. Das war ein Risiko, aber Gott sei Dank, ist es aufgegangen«, so Niroomand. »Manchmal ist es gut, wenn der Deckel weg ist. Dann fangen andere an zu wachsen.«

Johannes Tille war das beste Beispiel für diesen Prozess. Immerhin hat er nach nur einem Jahr bereits den in die russische Heimat zurückgekehrten Starzuspieler Sergej Grankin fast vergessen lassen. Kein Wunder, dass Tille nun aus dem Grinsen nicht mehr herauskam. Zu allem Überfluss sangen die Kollegen ihm um Mitternacht auch noch ein Ständchen. Das beste Geschenk zum 26. Geburtstag hatte er sich zuvor mit der ersten deutschen Meisterschaft aber schon selbst gemacht.

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