Schandmal und Schandurteil

Warum der Künstler Wilfried Porwol vor dem Kadi stand: Das Kriegerdenkmal in Kalkar

  • Ulrich Sander
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Kriegerdenkmal der Nazis in Kalkar, vom Künstler und Friedensaktivisten Wilfried Porwol umgestaltet.
Das Kriegerdenkmal der Nazis in Kalkar, vom Künstler und Friedensaktivisten Wilfried Porwol umgestaltet.

Rechtzeitig zum 8. Mai dieses Jahres erfolgte die Verurteilung eines Künstlers, der zum 8. Mai vor drei Jahren ein den Krieg verherrlichendes Monstrum in ein Mahnmal des Friedens umgestaltet hatte. Dem Künstler und Friedensaktivisten Wilfried Powol aus dem nordrhein-westfälischen Kleve wurde die wiederholte »Beschmierung« des Kriegerdenkmals in Kalkar am Niederrhein vorgeworfen. Die Geldstrafe beträgt 1500 Euro für die ersten zwei seiner vier künstlerischen Umgestaltungen des kriegsverherrlichenden Steinhaufens. Die 50 Tagessätze zu je 30 Euro sind dem 70-Jährigen als »Strafe« auferlegt, dabei hätte er eher ein Honorar verdient. Er habe eine Sache, die nicht sein Eigentum ist, »im Erscheinungsbild nachhaltig verändert«. Natürlich hat er dies – aber zum Guten!

Die Nazis hatten nach 1933 erschreckt festgestellt, dass in der Weimarer Republik nicht überall in Deutschland für »Heldengedenken« in Stein gesorgt worden war. Und so stellten sie dann – weniger zu Ehren der Toten des Weltkriegs I als zur Vorbereitung von Weltkrieg II – neue Denkmale auf. Sie versahen diese, wie das 1936 in Kalkar aufgestellte, mit Sprüchen aus Hitlers »Mein Kampf«.

Im vergangenen Jahr waren die ersten auf »gemeinschädliche« Sachbeschädigungen abstellenden Urteile gegen Porwol durch das Oberlandesgericht Düsseldorf in Revisionsinstanz aufgehoben worden. Das Nazi-Denkmal stand nicht unter Denkmalschutz. Ein neuerlicher Strafantrag der Klever Staatsanwaltschaft warf dem Künstler jetzt einfache Sachbeschädigung vor. Womit sie sich erneut schützend vor Kriegsverherrlichung und Glorifizierung gar eines einzigartigen Vernichtungskrieges stellte, sind doch unter dem Schriftzug »Unseren Helden« zu den Daten des Ersten Weltkrieges, 1914-1918, die des Zweiten, 1939-1945, hinzugesetzt worden: ein Verstoß gegen die Direktive des alliierten Kontrollrates von 1946, die kriegsverherrlichende Nazi-Denkmäler verboten hatte.

Der neuerliche Prozess begann mit einer halbstündigen Verlesung aller bisherigen Urteile, verbunden mit Fragen zu Porwols Personalien, darunter ehrenrührige wie die nach seinem Alkohol- und Drogenkonsum. Der Richter: »Man wird ja doch mal fragen dürfen.« Danach durfte der Künstler »zur Sache« aussagen. Eine Antwort auf seine rhetorische Frage, ob das Gericht ein Monument in Gestalt des »Z«, Symbol für die »russische Spezialoperation«, erlauben würde, blieben Richter und Staatsanwältin schuldig. Man darf jedoch annehmen, dass sie ein solches zu Recht wegen Verharmlosung eines Angriffskrieges verboten hätten.

Porwol erläuterte dem Gericht den Hintergrund seiner »künstlerischen Intervention«, die unter anderem im Aufmalen des Peace-Symbols sowie der Aufschriften »Nie wieder Krieg, nie wieder Nazis« und »Make Love not War« bestanden. Der Künstler erinnerte an vier jüdische Männer aus Kalkar, die »für Kaiser, Gott und Vaterland« im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten und deren Angehörige von den Nazis in die Gaskammern der Vernichtungslager getrieben worden sind. Zudem übergab Porwol dem Gericht eine Dokumentation über die Verbrechen der Wehrmacht, die unter dem bewusst provokant formulierten Titel »Die Blutspur unserer Helden« von der Klever Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsgegner erarbeitet worden ist.

Wilfried Porwol jedenfalls lässt sich nicht einschüchtern. Vor den Schranken des Gerichts kündigte er weitere kreative Interventionen gegen Militarismus, Kriegsverherrlichung und Kriegstreiberei an, wofür es Applaus vom Publikum gab.

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