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Göttinger Knast soll verscherbelt werden
SPD, CDU und FDP wollen ehemalige JVA an Investor verhökern. Initiative »Soziales Zentrum« bleibt außen vor
»Es ist unsere Stadt«, sagt Dirk-Claas Ulrich, Sprecher des Grünen-Kreisverbandes Göttingen, »nicht die einiger Investoren.« Göttingen müsse sich klar abgrenzen von einer Mentalität, welche die Stadt vorrangig als Renditeobjekt sehe: »Tafelsilber wie die JVA gehört aufpoliert und nicht verscherbelt.«
Bemühungen um eine Nachnutzung waren lange Zeit ohne Ergebnis geblieben – Pläne, die JVA etwa zu einem Hostel umzubauen, scheiterten an der Finanzierung. Erst im vergangenen Sommer kam die Debatte wieder in Schwung. Die Initiative Soziales Zentrum, in der das Gesundheitskollektiv Göttingen, die Falken und Gruppen aus dem Quartier zusammenarbeiten, legte ein Konzept vor, das unter anderem Beratungs- und medizinische Angebote für Geflüchtete und andere Bedürftige vorsieht. Die überfällige Sanierung soll die Stadt stemmen – und dafür knapp sechs Millionen Euro bereits bewilligte Fördermittel für den Stadtteil verwenden.
Die JVA ist das frühere Untersuchungsgefängnis in der nördlichen Göttinger Innenstadt. Es gehört seit 2008 der Stadt und ist seitdem ungenutzt. Das Mehrheitsbündnis im Stadtrat aus SPD, CDU und FDP will das Gebäude an einen Investor verkaufen – und positioniert sich damit sowohl gegen die Stadtverwaltung als auch gegen die Oppositionsparteien und Basisinitiativen.
Doch Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) entschied quasi im Alleingang, die JVA an die Firma Trafo Hub aus Braunschweig zu veräußern, die dort ein nebulöses Konzept für »Co-Working- und Co-Living-Spaces« umsetzen wollte. Am 3. Oktober 2022 besetzte eine Gruppe namens »Autonome Stadtverwaltung Göttingen« das Gebäude, die Besetzer verstanden ihre Aktion als Unterstützung für die Pläne der Initiative Soziales Zentrum. Kurz darauf zog sich Trafo Hub zurück, angeblich wegen veränderter Rahmenbedingungen wie Baukosten- und Zinssteigerungen sowie den Auswirkungen des Ukraine-Krieges.
Im März schlug die Verwaltung eine sogenannte Konzeptvergabe der JVA vor. Die denkmalgeschützte Immobilie sollte nicht an den erstbesten Interessenten verkauft werden, sondern an den mit dem besten Nutzungskonzept. Das Verfahren biete eine Gelegenheit, auch »unkonventionelle Konzepte für die nicht alltägliche Immobilie« zu erhalten – die Konzepte der Initiative »Soziales Zentrum« waren allerdings ausdrücklich nicht damit gemeint.
Bei der letzten Bauausschusssitzung starteten SPD, CDU und FDP dann einen Coup: In einem erst unmittelbar vor Sitzungsbeginn vorgelegten Antrag schlugen sie eine Direktvergabe vor – also den unmittelbaren Verkauf des denkmalgeschützten Gebäudes an einen Investor. Der Antrag formuliert lediglich zwei weiche Bedingungen: Der Käufer soll anhand von Referenzen Erfahrung in der Entwicklung ähnlicher Immobilien nachweisen können. Und Bereitschaft zeigen, einen Vertrag zu unterschreiben, »der die städtebaulichen und bauleitplanerischen Ziele der Stadt« absichern soll.
Nach Ansicht der Initiative Soziales Zentrum eskaliert die Ratsmehrheit die Situation um die JVA. Politische und inhaltliche Kriterien für Investoren würden nun komplett fallen gelassen, einzig das Angebot solle zählen. »Wir sehen in diesem Vorstoß nicht nur den Versuch, das Projekt Soziales Zentrum in der JVA endgültig aus dem Rennen zu werfen«, heißt es in einer Erklärung der Initiative. »Wir empören uns an erster Stelle über die Unverfrorenheit, mit der hier mit Macht an allen bisherigen Auseinandersetzungen vorbei die Interessen und das Engagement der Menschen mit Füßen getreten wird und eine rein investorengeleitete Politik durchgesetzt werden soll.«
Nach dem Willen von SPD, CDU und FDP solle in der JVA ein »ein Gentrifizierungsprojekt vom Feinsten installiert« werden. Die Beschlussvorlage der drei Parteien ignoriere die Wünsche und Ideen vieler engagierter Menschen, urteilt Grünen-Sprecher Ulrich. »Das SPD-geführte Bündnis mag sich in der Mehrheit wähnen. Es agiert aber maximal skandalös, wenn es mit Spontan-Anträgen und intransparenten Strategien Politik gegen Mehrheitsinteressen macht.«
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