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Förderung der Fußballerinnen geht nur mit TV-Bildern

DFB ringt um Kompromiss im Streit der Sender mit der Fifa. Schließlich soll die nächste WM in Deutschland stattfinden

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Das EM-Finale war 2022 die meistgesehene TV-Sendung in Deutschland. 2023 muss sich Lina Magull (r.) sorgen, dass niemand ihre Tore von der WM sieht.
Das EM-Finale war 2022 die meistgesehene TV-Sendung in Deutschland. 2023 muss sich Lina Magull (r.) sorgen, dass niemand ihre Tore von der WM sieht.

Wer sich dafür interessiert, wie vor knapp 35 Jahren eine vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) überreichte Prämie für den Gewinn der Europameisterschaft der Frauen aussah, wird neuerdings im Foyer auf dem DFB-Campus fündig. Neben dem Empfang steht als Teil einer Ausstellung jenes berühmte Kaffeeservice, das im Sommer 1989 als Anerkennung für den ersten Titel deutscher Fußballerinnen ausgehändigt wurde, stilecht hinter Plexiglas. Die aktuellen Protagonistinnen des DFB-Nationalteams werden für Erfolge glücklicherweise längst anders bezahlt. Doch wenn Merle Frohms, Alexandra Popp und Co. in gut drei Monaten bei der WM in Australien und Neuseeland ihre Titeljagd beginnen, ist nicht einmal klar, ob von dieser Endrunde überhaupt TV-Bilder zu sehen sein werden.

Bei einer Pressekonferenz zur Strategie »FF 27«, mit der die DFB-Frauensparte und Frauen im Fußball allgemein langfristig gestärkt werden sollen, appellierte Verbandspräsident Bernd Neuendorf vor dem drohenden TV-Blackout, sich mal vorzustellen, »was die Konsequenzen wären, wenn es keine Verständigung gibt: Es wäre ein Imageverlust für alle Beteiligten.« Mit großer Verzögerung dämmert allen, was die viel zu spät gestartete Ausschreibung und die viel zu früh geplatzten Verhandlungen für Folgen haben. »Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es nicht mehr nur um Summen geht«, so Neuendorf.

Die kursierenden Zahlen – angeblich haben ARD und ZDF einen Betrag zwischen 5 und 15 Millionen Euro für die Frauen-WM 2023 geboten, aber 214 Millionen Euro für die letzte Männer-WM 2022 gezahlt – wollte der Verbandschef explizit nicht kommentieren. Er werde gewiss nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen; aber alle Beteiligten müssten sich fragen, »ob sie ihrer politischen Verantwortung im Sinne des Frauenfußballs, der Gesellschaft und der Zuschauer gerecht werden«, warnte der DFB-Boss die zerstrittenen Parteien.

Gianni Infantino, Präsident des Weltverbands Fifa hatte zuletzt unverhohlen damit gedroht, die Rechte in den europäischen Kernmärkten gar nicht zu verkaufen, weil die Gebote schlicht zu niedrig seien. Erstaunlicherweise pflichtete ihm mit der norwegischen Verbandspräsidentin Lise Klaveness auch eine seiner schärfsten Kritikerinnen bei. Neuendorf will seinen neuen Posten im Fifa-Council nun nutzen, um unter hohem Zeitdruck noch eine Mittlerrolle speziell gegenüber Infantino einzunehmen. Man könne davon ausgehen, »dass ich alles tue, was in meiner Macht steht, um zu einer Lösung zu kommen«.

Hinter der Förderung des Frauenfußballs steht der 61-Jährige voller Überzeugung. »Wir als Verband möchten bei Schwerpunktthemen wie Diversität und Weiblichkeit vorangehen«, betonte Neuendorf am Mittwoch. Vieles sei insbesondere durch die weithin sichtbare EM 2022 auf den Weg gebracht worden. »Wir haben die Gesellschaft erreicht, sind in den Köpfen der Entscheidungsträger und in den Herzen der Menschen angekommen«, beteuerte auch DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich, die von einem »schönen und lohnenden Investitionsprojekt« sprach, dessen sich auch immer mehr Vereine annehmen. Nun wird die Förderung des Frauenfußballs für Profiklubs der Männer in der Lizenzierungsordnung sogar verpflichtend verankert.

Die als Gesamtkoordinatorin für den Frauenfußball zuständige Doris Fitschen hat festgestellt: »Die Türen gehen auf – egal, wo man hinkommt. Das war früher nicht immer so.« Die Zugriffe auf die Social-Media-Kanäle von Frauen-Nationalteam und -Bundesliga haben sich auf 335 Millionen Abrufe pro Jahr nahezu verdoppelt.

Erstmals wird rund um das DFB-Pokalfinale der Frauen zwischen VfL Wolfsburg und SC Freiburg am Himmelfahrtstag (18. Mai) eine »DFB Women’s Week« durchgeführt. Dass die Rekordzahl von 35 000 Tickets fürs Endspiel in Köln abgesetzt ist, fügt sich in einen Trend. In der Bundesliga hat sich der Schnitt von mageren 840 auf 2671 Besucher pro Spiel innerhalb eines Jahres mehr als verdreifacht. Bei der nächsten Highlight-Partie von Eintracht Frankfurt gegen VfL Wolfsburg folgt am Wochenende gleich die nächste fünfstellige Kulisse.

Zur Bewerbung um die Frauen-WM 2027, zu der der DFB gemeinsam mit den Niederlanden und Belgien antritt, gab Ullrich neue Informationen preis: Brasilien, USA und Mexiko sowie Südafrika seien »sehr starke Mitbewerber«. Bis zum 8. Dezember muss jetzt ein »Bid Book« für die Fifa erstellt werden, die laut der Generalsekretärin Vorgaben »angelehnt an ein Herrenturnier« mache. Es folgt eine Evaluierungsphase, ehe am 17. Mai 2024 auf dem Fifa-Kongress von 211 Nationen eine Entscheidung getroffen wird. Zuvor wird das Fifa-Council jedoch nur drei Bewerber zur Abstimmung zulassen. »Wir müssen uns genau überlegen, wie wir strategisch vorgehen«, sagte Neuendorf, der von einer »spannenden politischen Gemengelage« sprach. Vielleicht will er auch deshalb im aktuellen TV-Streit nicht mit dem Finger auf jemanden zeigen, schon gar nicht auf Gianni Infantino.

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