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Katina Schubert rät Wagenknecht: »Wer gehen will, soll gehen«
Berliner Linke-Chefin Schubert: Keine Angst vor Spaltung
Die Zeit des Wundenleckens ist vorbei – das ist der Eindruck, den die scheidende Linke-Landesvorsitzende Katina Schubert vor dem Parteitag am Wochenende erwecken will. »Mit dem Parteitag wollen wir nach vorne schauen und zeigen, dass wir jetzt die Ärmel hochkrempeln«, so Schubert am Mittwoch vor Journalisten. Nach den Koalitionsverhandlungen ist inzwischen klar, dass sich die Partei trotz nur moderater Verluste bei der Wiederholungswahl im Februar in der Opposition wird einrichten müssen. Dafür will man sich am Wochenende neu aufstellen.
Den Vorsitz der Landespartei soll künftig eine Doppelspitze übernehmen. Schubert, die den Verband seit 2016 führt, will nicht erneut antreten, wird aber weiter als Abgeordnete wirken. Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer haben ihren Hut bereits in den Ring geworfen, die Kandidaturen waren bereits vor zwei Wochen bekannt geworden. »Das sind junge, aber auch erfahrene Leute«, sagt Schubert über ihre 38 und 32 Jahre alten designierten Nachfolger. Brychcy bringe als bildungspolitische Sprecherin der Abgeordnetenhausfraktion viel parlamentarische Expertise mit, Schirmer wiederum sei bei gesellschaftlichen Initiativen »bestens vernetzt«. Beide brächten »Herzblut« und Engagement mit. Aus Reinickendorf gibt es eine weitere Kandidatur eines Basismitglieds, die allerdings als chancenlos gilt.
Ergänzt werden soll der geschäftsführende Vorstand von vier stellvertretenden Vorsitzenden, darunter die Abgeordnete Katalin Gennburg und Bjoern Tielebein, führender Kommunalpolitiker der Partei in Marzahn-Hellersdorf. Vor allem Gennburg gilt als Skeptikerin gegenüber Regierungsbeteiligungen. Auch im Leitantrag zum Parteitag wird mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl 2026 nicht von Regierungsbeteiligung gesprochen, sondern von »Gestaltungsmacht«. Schubert rechnet trotzdem nicht mit einem Aufflammen alter Konflikte. »In der Berliner Linken ist dieser Streit längst beigelegt«, sagt sie. Auch Genossen, die sich 2021 gegen den rot-grün-roten Koalitionsvertrag gestellt hatten, seien unglücklich über das vorzeitige Ende der Regierungskoalition. Es gebe flügelübergreifend einen Konsens, regieren zu wollen – aber nicht um jeden Preis. »Wir werden dann nach den Wahlen schauen, welche Optionen es gibt«, so Schubert. »Ich gehe nicht davon aus, dass die SPD unter Franziska Giffey 2026 für Rot-Rot-Grün bereit wäre. Andererseits glaube ich auch nicht, dass Giffey 2026 noch SPD-Landesvorsitzende sein wird.«
Abseits aller Flügelarithmetik fällt bei der Zusammensetzung des künftigen Parteivorstands vor allem eines auf: Prominente Namen fehlen. Vorab war spekuliert worden, dass Kurzzeit-Sozialsenatorin Katja Kipping den Landesvorsitz übernehmen könnte, doch die winkte ab. Sie werde aber weiter in Berlin tätig sein, versichert Schubert nun. »Seien Sie sich sicher, Sie werden noch von Katja Kipping hören«, so Schubert. In welcher Funktion das sein wird, darüber wollte Schubert lieber nicht spekulieren.
Im Fokus soll künftig erst einmal Landespolitik stehen. Jetzt sei die Zeit für politische Debatten zu Sachfragen, damit man 2026 mit einem »coolen Wahlprogramm, das nicht nur unsere Leute anspricht«, starten könne. Dabei wolle man die Alltagssorgen der Bevölkerung aufgreifen. Ziel sei, »die soziale Stadt mit der klimagerechten Stadt zu verbinden«. Den schwarz-roten Koalitionsvertrag sieht sie als »Rückschritt für die Stadt«. »Zu bauen, bauen, bauen kommt jetzt Auto, Auto, Auto hinzu«, so Schubert über die Pläne der großen Koalition.
Verbunden mit der Neuaufstellung will die Linkspartei auch wieder mehr Mitglieder gewinnen. Im letzten Jahr hatte die Partei noch rund 1000 Genossen verloren. Den Trend sieht Landesgeschäftsführer Sebastian Koch, der am Wochenende zur Wiederwahl antritt, inzwischen abgeflaut. Beste Voraussetzung, um als Partei größer zu werden, wäre da nicht noch ein Fragezeichen: Noch immer ist unklar, ob sich der Flügel rund um Sahra Wagenknecht von der Partei abspaltet.
Schubert muss als scheidende Landesvorsitzende kein Blatt mehr vor den Mund nehmen und beendet die Pressekonferenz mit Gepfeffertem: »Es kann nicht sein, dass Frau Wagenknecht uns erpresst und ihren Verbleib davon abhängig macht, dass wir uns ihren politischen Forderungen unterwerfen.« Die Spaltungsdebatte sei vor allem ein Medienereignis und schädlich für die Partei. »Wer gehen will, soll gehen.« Wagenknecht mache ohnehin »ihr eigenes Ding« und erscheine nicht mehr zu Fraktionssitzungen im Bundestag. Größere Abgänge erwartet Schubert bei einer Spaltung nicht. »Auch Wagenknecht-Anhänger sagen inzwischen, dass sie überzieht«, so Schubert. Man wisse, dass unter den Wagenknecht-Anhängern »nicht die größten Fachkräfte« in organisatorischen Fragen säßen, pflichtet Geschäftsführer Koch bei. Für Wagenknecht gäbe es beim Parteiaufbau also große Hürden. »Ich kenne Frau Wagenknecht ja noch aus dem Bundesvorstand. Parteiarbeit ist einfach nicht ihr Metier«, so Schubert.
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