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- Volleyball-Bundesliga der Frauen
MTV Stuttgart zum dritten Mal deutscher Volleyball-Meister
Titelverteidigerinnen bezwingen den SC Potsdam mit 3:1
»Wir sind wieder Vizemeister«, rief der Hallensprecher den Fans des SC Potsdam zu, als sie in stillem Selbstmitleid zu versinken drohten. Für die Brandenburger Volleyballerinnen und ihre Anhänger sollte das eine Aufmunterung sein und war doch gleichzeitig noch viel mehr: eine Erinnerung daran, dass sich Potsdam endgültig in der Spitze des deutschen Volleyballs festgesetzt hat, auch wenn der Kampf um die erste deutsche Meisterschaft zum zweiten Mal in Serie am MTV Stuttgart gescheitert war.
Spätestens als Sportdirektor Toni Rieger das Mikrofon in die Hand nahm, war klar: Dieser Samstagabend sollte kein Tag der Trauer sein. Ja, Stuttgart hatte sowohl das vierte Endspiel als auch die komplette Finalserie mit jeweils 3:1 gewonnen und feierte nun in der Potsdamer MBS-Arena mit der Meisterschale. Doch Rieger erinnerte daran, dass die Saison 2022/23 auch die erfolgreichste der eigenen Vereinsgeschichte gewesen ist.
Bei der ersten Champions-League-Teilnahme gelangen Potsdam drei Erfolge, darunter sogar einer beim Titelverteidiger aus Istanbul. National verlor der Klub in der Bundesliga-Hauptrunde nur vier Partien, erreichte das Pokalfinale und gewann schon zum Saisonstart den Supercup. Es war der erste Vereinstitel überhaupt für Potsdam und sollte trotz weiterer Gelegenheiten der einzige bleiben. Das sei aber kein Grund, sich zu grämen, meinte auch Kapitänin Laura Emonts: »Wir haben diese Saison drei Medaillen gewonnen. Das hat nicht mal Stuttgart geschafft.«
Dabei hatte auch Potsdam Phasen durchlebt, in denen nicht viel zusammenlief. »Als wir im Februar alle drei Tage spielten, ging uns die Luft aus«, erinnerte Toni Rieger an das verlorene Pokalfinale gegen Schwerin. Die Mecklenburgerinnen wären im Playoff-Halbfinale der Volleyball-Bundesliga fast erneut zum Stolperstein geworden. »Aber da haben wir die Überraschung und endlich die Wende geschafft«, so Rieger. »Im März hatten uns viele schon am Boden gesehen, aber wir haben alle eines Besseren belehrt. Unsere Mannschaft kann heute gefeiert werden.«
Eine halbe Stunde lang hatte es am Samstagabend sogar so ausgesehen, als könnte Potsdam die Meisterparty des großen Favoriten Stuttgart noch einmal verschieben und zum 2:2 ausgleichen. Früh konnten sich die Gastgeberinnen absetzen, vor allem weil Laura Emonts wieder aufgewacht war. Die ersten beiden Duelle waren knapp an die jeweiligen Gastgeberinnen gegangen, bevor der MTV Stuttgart Potsdam in Spiel drei mit 3:0 an die Wand gespielt hatte. Besonders die deutsche Nationalspielerin Emonts hatte in der Annahme geschwächelt und war dann immer wieder am Block hängen geblieben. Nun aber war sie kaum zu stoppen: Mit 25:20 ging der erste Durchgang des vierten Finales folgerichtig an Potsdam.
Ab Satz zwei aber drehten die Stuttgarterinnen auf, und erneut war es ihre beste Aufschlägerin Maria Segura Pallerés, die mit einer Serie von Flatterbällen Potsdams Aufbauspiel ausbremste und somit den eigenen Block ins Spiel brachte. Bei den Titelverteidigerinnen klappte nun alles, und sie ließen Potsdam mit 25:12 nicht den Hauch einer Chance.
Defensiv fanden die Potsdamerinnen auch danach kein Mittel gegen die Aufschläge der Spanierin und die wuchtigen Angriffschläge der bestbezahlten Bundesligaspielerin Krystal Rivers. Nachdem die Gäste auch Durchgang drei mit 25:19 gewonnen hatten, fehlte ihnen nur noch ein Satz zum nächsten Meistertitel. Doch die Gastgeberinnen gaben sich nicht auf, holten in Satz vier zweimal einen Drei-Punkte-Rückstand auf und wehrten drei Matchbälle ab. Der vierte aber war der eine zu viel. Erneut war es Rivers, die den Ball auf den Boden brachte. »Ich habe mir gedacht: Es ist Zeit, dem ein Ende zu bereiten. Und das habe ich dann auch«, sagte die US-Amerikanerin augenzwinkernd gegenüber »nd«.
Für Stuttgart war es ein besonderer Titel, da Trainer Tore Aleksandersen, von einer Krebserkrankung geschwächt, nicht mehr an der Seitenlinie stehen konnte. »Wir brauchten lange, um uns darauf einzustellen und eine Art neue Teamidentität zu finden«, so Rivers. »Am Ende haben wir das aber geschafft. Darauf bin ich sehr stolz.«
Ausnahmeathletinnen wie die 28-jährige Amerikanerin kann sich Potsdam nicht leisten. Dennoch gelang es den Brandenburgerinnen, die Favoritinnen erneut schwitzen zu lassen, auch weil es Rieger im vergangenen Sommer geschafft hatte, den Kern des Teams zusammenzuhalten. Wird das nun einfacher, weil der Verein bewiesen hat, immer um Titel mitkämpfen zu können? »Nein, das wird jetzt sogar noch schwieriger«, prognostiziert Rieger. »Wir haben uns international so stark präsentiert, dass unsere Spielerinnen das Interesse vieler Klubs geweckt haben«, blickte der Sportdirektor auf komplizierte Verhandlungswochen voraus.
Doch selbst wenn große Talente wie die 19-jährige Jungnationalspielerin Anastasia Cekulaev oder die zur wertvollsten Spielerin der Liga gekürte Ungarin Anett Németh den Verein verlassen sollten, hat Rieger zuletzt immer wieder bewiesen, ein gutes Team zusammenstellen zu können. Und mit der Aussicht auf viele Medaillen lässt sich vielleicht sogar das ein oder andere neue Talent überreden, für ein paar Jahre das Trikot des SC Potsdam überzustreifen.
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