Algiers Album »Shook«: Schöne Wut

Das neue Album »Shook« der Band Algiers ist ihr schönstes bisher geworden

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Algiers auf einem Festival in Rheinland-Pfalz
Algiers auf einem Festival in Rheinland-Pfalz

Gospel, Postpunk, Hip-Hop, Metal und Spoken Word: Die musikalischen Stränge und Techniken, aus denen sich die Musik von Algiers zusammensetzt, fließen nicht organisch zusammen, sondern bleiben oft unverbunden. Das gibt der Musik der Band aus Atlanta etwas Versprengtes und zugleich Überladenes. Was dann auch wieder passt, in Hinsicht auf Form und, wie man so sagt, Inhalt. Die Musik von Algiers ist befeuert von gerechter Wut und Radikalität, im Gefolge von Last Poets und Rage Against the Machine.

Plattenbau
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Rage-Against-the-Machine-Sänger Zack de la Rocha ist dann auch auf dem neuen, vierten Algiers-Album zu hören, »Shook«, auf dem Track »Irreversible Damage«. Der ist so etwas wie ein Blueprint für den Sound der Band. Alles hastig und vollgepackt, die Beats, der Bass, die Stimmen, aber gerne und oft mit einem Kontrapunkt versehen. Im Falle von »Irreversible Damage« ist es ein weicher Synthie-Flausch gegen Ende.

Diese Musik will alles aufnehmen und stellt Verbindungen her, die nicht naheliegend sind. Das gilt vor allem für die, wenn nicht gerappt wird, Gospel-artige Stimme von Sänger Franklin James Fisher. Die bringt einen klagenden, aber eben auch ekstatischen Ton in das ganze Gemisch. »Shook« ist fragmentierter geraten als die Vorgängeralben, und es ist das schönste Algiers-Album bislang. »Schön«, insofern politische Radikalität und radikale Beharrlichkeit eine Schönheit abstrahlen, wenn sie mit einem Gestus der Kompromisslosigkeit verbunden ist. Man steckt natürlich immer drin, in allem, was man hasst, und eine politisierte Popmusik, die das nicht mitschneidet, ist dann auch nicht schön im hier gemeinten Sinne und auch nicht kämpferisch, sondern ein bisschen dumpf im besten Fall.

»Bite back the hand that feeds you if it’s poison«, wiederholt Fisher im Song »Bite Back« mantraartig, gemeinsam mit dem Rapper Billy Woods und Musikerin Backxwash. Letztere ist eh Expertin für Texte, die sich darum drehen, was es heißt, wenn das, wovon man lebt und Teil von einem ist, einen gleichzeitig quält und zermürbt und am Leben hindert. Das alles wird in »Bite Back« zusammengefasst in einer einzigen prägnanten Zeile: »If home is where the heart is / I'm blowing it up regardless«.

Zum einen ist die Musik auf »Shook«, bei allen losen Enden, also verdichtet und vollgepackt. Zum anderen läuft sie auf eine immer wieder sehr interessante Weise auseinander. Im Track »Out of Style Tragedy« zum Beispiel, einem ellenlangen, kryptischen Text, über ein Sample aus Sun Ras »Nuclear War« und eine Collage aus Saxofon-Gefudel und schief gelagerten Jazz. Vielleicht lässt sich an dem Punk auch am besten zusammenfassen, was die Musik von Algiers so reich wirken lässt, bei allem hörbaren Punkerbe. Radikalität, Protest und mittels Musik artikulierte Wut machen hier nichts enger. Stattdessen will die Musik in ihrem Willen, Disparates und Paradoxes zusammenzubringen und da, wo es sich nicht ineinanderfügt, eben auch disparat sein zu lassen, spürbar ins Offene.

Algiers: Shook (Matador/Beggars Group/Indigo)

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