- Berlin
- Propalästinensische Demonstration
Berliner Nakba-Kundgebung vorzeitig aufgelöst
Veranstalter machen Verhalten der Polizei für Abbruch der Veranstaltung verantwortlich
Geschätzt 200 bis 300 Menschen versammelten sich am Samstagnachmittag auf dem Kreuzberger Oranienplatz zu einer Kundgebung anlässlich des palästinensischen Nakba-Gedenktages, mit dem an die Flucht und Vertreibung Hunderttausender Palästinenser 1948 aus Israel erinnert werden soll. Die für Samstag eigentlich geplante pro-palästinensische Großdemonstration am Neuköllner Hermannplatz hatte die Berliner Versammlungsbehörde zuvor verboten. Zur Begründung hieß es, dass es hier zu »antisemitischen und volksverhetzenden Ausrufen, Gewaltverherrlichungen, dem Vermitteln von Gewaltbereitschaft und dadurch zu Einschüchterungen sowie Gewalttätigkeiten« kommen könnte.
Diese Gefahr sah man bei der von der antizionistischen Gruppe »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost« organisierten Kundgebung auf dem Oranienplatz offenbar nicht. Zumindest nicht in der Form, dass man die zuvorderst gegen den »Apartheidstaat Israel« gerichtete Veranstaltung vorab untersagt hätte.
Die Polizei war nach eigenen Angaben dennoch mit 230 Einsatzkräften vor Ort und versuchte bald nach Kundgebungsbeginn, das Skandieren der bei antiisraelischen Demonstrationen beliebten Parole »From the river to the sea: Palestine will be free« (sinngemäß: Vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer: Palästina wird frei sein) zu unterbinden. Genutzt hat es wenig. Der Slogan, der auch als Auslöschungsphantasie gegenüber dem Staat Israel verstanden wird, wurde weiter gerufen.
Die Redner beschwerten sich in der Folge nicht nur über die Polizeipräsenz und die Auflagen. Auch das Verbot der Demonstration am Hermannplatz wurde lautstark verurteilt. So hieß es, die Deutschen würden ihre Schuld am Holocaust »mit palästinensischem Blut reinwaschen«.
Nach gut einer Stunde griff die Polizei schließlich ein und trennte rund 80 bis 100 Teilnehmer vom Rest der Kundgebung. Begründet wurde das Vorgehen damit, dass es aus der Gruppe heraus antisemitische Äußerungen gegeben habe. Per Lautsprecher erklärte die Polizei zudem, es handele sich bei dem abgetrennten Kundgebungsteil um eine Ersatzveranstaltung für die verbotene pro-palästinensische Demonstration. Auch diese waren verboten.
Die Veranstalter lösten daraufhin die gesamte Kundgebung vorzeitig auf. Am Rand kam es zu Auseinandersetzungen. Schon zuvor wurden Medienvertreter von Teilnehmern angepöbelt, zum Teil wurde versucht, sie an ihrer Arbeit zu hindern. Der Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, Jörg Reichel, warf der Polizei vor, dass sie bei den Übergriffen faktisch weggeschaut habe.
Die Polizei sei »die ganze Zeit aggressionsbereit« gewesen und die betroffenen Medienvertreter seien allesamt »Provokateure«, beklagte sich im Nachgang ihrerseits die »Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost«. Auch Die Linke Neukölln, die zu der Versammlung mobilisiert hatte, sprach von einem »anlasslos brutalen Vorgehen der Polizei bei der Kundgebung«. Der Landesverband der Linken hatte im Vorfeld bereits das Verbot der Demonstration am Hermannplatz »als einen inakzeptablen Angriff auf die Versammlungsfreiheit« kritisiert und erklärt: »Konsequentes Vorgehen gegen Antisemitismus geht auch ohne Demonstrationsverbote.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.