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Keine Ehe für Homosexuelle in Japan
Regierungschef Fumio Kishida macht viele Versprechungen, umgesetzt wird davon jedoch nur wenig
»Premierminister Kishida ist stumm«, titelte »Asahi Shimbun« diese Woche. Die führende japanische Tageszeitung machte ihren Regierungschef für die Langsamkeit verantwortlich, mit der Japan sich dem Thema Homo-Ehe widmet. Denn von den anderen G7-Staaten – alle haben gleichgeschlechtliche Ehen oder, wie Italien, eingetragene Lebenspartnerschaften legalisiert – werde Japan durchaus ermutigt, diesen Schritt endlich zu wagen, stellt »Asahi Shimbun« fest. Zudem »eruiert« Kishidas Liberaldemokratische Partei (LDP) die Sache offiziell schon länger, aber der Premierminister verleihe dem Thema kaum Bedeutung.
Beim G7-Gipfel in Hiroshima stand Gastgeber Japan altmodisch da. Seit Jahren wird darüber debattiert, ob es nicht an der Zeit wäre, dass Mann und Mann oder Frau und Frau heiraten können und dabei gesetzlich gleichbehandelt werden. Umfragen zeigen auch eine Mehrheit in Japan, die die Legalisierung einer Homo-Ehe befürwortet. Selbst unter Wählern von Kishidas konservativer LDP ist das Thema salonfähig. Aber gesetzliche Konsequenzen? Fehlanzeige.
Und das passt zum Regierungsstil jenes Mannes, der sich seit seinem Amtsantritt im Oktober 2021 offiziell um Tatkräftigkeit bemüht. Fumio Kishida, 65 Jahre alt und aufgewachsen in Hiroshima, hat für Japan schon so einige Reformen angekündigt. Die Verdopplung des Verteidigungsetats, gekoppelt mit einer Ausweitung der Befugnisse für die nationalen Selbstverteidigungskräfte, ist sein größtes Projekt – und vermutlich jenes, mit dem er es wirklich ernst meint.
Bei anderen Themen lebt der Konservative vor allem von großen Phrasen. Zu Anfang seiner Amtszeit versprach Kishida, er wolle auf eine gerechtere Verteilung in Japan achten, prägte den Begriff des »neuen Kapitalismus« – aber der steht noch aus. Angesichts der niedrigen Geburtenrate gelobte Kishida Anfang des Jahres, künftig einer großzügigeren Familienpolitik Priorität zu geben. Auch hier hat sich wenig getan. Ähnlich sieht es nun in Sachen Homo-Ehe aus: Kishida hat sich dem Thema gegenüber aufgeschlossen gezeigt, bremst es aber gemeinsam mit konservativen Parteikollegen aus.
Das gehört auch zur Überlebensstrategie. Angesichts Japans alternder Bevölkerung, dessen Volkswirtschaft seit Jahren stagniert, gibt sich Kishida zwar als Modernisierer. Zugleich besteht seine wichtigste Wählergruppe aus älteren Menschen, denen der Premier nicht allzu viel Wandel zumuten will. So sagte Kishida zur Frage der Homo-Ehe Anfang Februar: »Das würde die Gesellschaft verändern.« Und das will er doch nicht so ganz.
Wo Kishida recht hat: Die Legalisierung einer Homo-Ehe würde das Land insofern verändern, als dass sie eine deutliche Abkehr vom in Japan bisher dominanten Fokus auf Homogenität markieren würde. In der japanischen Gesellschaft wird großer Wert auf oft eng definierte Normen gelegt. So sollte man seinen Uni-Abschluss mit 22 Jahren haben, ansonsten wird es schwierig, einen festen Job zu finden. Wer keine Festanstellung hat, gilt als nicht besonders gute Partie, was die Heiratschancen angeht. Beispiele gibt es viele, und Heterosexualität gehört auch dazu.
Zwar gilt der Begriff »tayousei« (Diversität) mittlerweile als etwas Positives, allerdings ist er oft nicht mehr als ein Feigenblatt. So nutzten ihn auch die Organisatoren der Olympischen Spiele in Tokio 2021 mit dem Slogan »Unity in diversity« (Einheit in Vielfalt). Aber besonders viel Nachdruck erzeugte diese Phrase offenbar nicht. Während sich unter an Olympia teilnehmenden Athletinnen und Athleten mehr offen nicht-heterosexuelle Personen befanden als je zuvor, zählte keine einzige Person aus Japan dazu.
Dies mag einerseits daran liegen, dass die sexuelle Einstellung als Privatsache gilt, daher auch die Kultur des Outens weniger üblich ist als in westlichen Ländern. Ein anderer Grund ist Angst vor Ausgrenzung. Um zumindest dies zu ändern, hat Kishidas LDP kurz vorm G7-Gipfel noch ein Gesetz auf den Weg gebracht, durch das »Verständnis für LGBT« gefördert werden soll. So weit, dass jede oder jeder den geliebten Menschen auch heiraten kann, geht die Sache aber noch nicht.
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