Potsdam: Schlimmer Fehler bei Städtepartner Iwano-Frankiwsk

Potsdam bemerkte nicht: Bürgermeister von Iwano-Frankiwsk gehört zur antisemitischen Swoboda-Partei

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Angeblich verteidigt die Ukraine im Krieg mit Russland nicht nur ihre eigene Freiheit, sondern Deutschland gleich mit und überhaupt die sogenannten westlichen Werte. Dergleichen gab Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) von sich, als er am 22. April im westukrainischen Iwano-Frankiwsk eine Städtepartnerschaft besiegelte. Er erzählte dort dem »sehr geehrten« Bürgermeister Ruslan Marcinkiw, die Ukraine kämpfe für das Leben in Frieden, Freiheit und Vielfalt. »Wir wissen, dass dieses Leben in Frieden und Freiheit – auch unseres – hier von den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine unter größter Gefahr und höchstem Einsatz verteidigt wird«, sagte Schubert. Er würzte das mit seiner Lebensgeschichte, zu der ein Auslandseinsatz als Bundeswehrsoldat im Kosovo gehört.

Das große Problem dabei: Bürgermeister Marcinkiw steht insofern für »Freiheit«, dass seine Partei so heißt, nämlich Swoboda (Freiheit). Aber es ist eine nationalistische und antisemitische Partei, auch wenn sie nicht ganz so krass in Erscheinung tritt wie die zweite Nazipartei in der Ukraine, der Prawyj Sektor (Rechter Sektor). Bürgermeister Marcinkiw soll sich in der Vergangenheit offen homophob und antisemitisch geäußert haben. Außerdem ging er im Jahr 2020 zur Beerdigung von Michail Mulik, dem letzten Angehörigen der SS-Division »Galizien«. Wie selbstverständlich gibt es in Iwano-Frankiwsk ein Denkmal für den Separatisten Stepan Bandera, der den deutschen Faschisten bei der Ermordung der Juden half, aber heute in der Ukraine als Nationalheld verehrt wird.

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Da gibt es nichts schönzureden. Das ist unvereinbar mit der Toleranz, die in Potsdam gepredigt wird. Wie konnte eine solche Partnerschaft zustande kommen? Vermittelt wurden die Beziehungen nach Iwano-Frankiwsk von Potsdams polnischer Partnerstadt Opole. So ist gewissermaßen eine Dreiecksbeziehung entstanden. Die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung segnete den Partnerschaftsvertrag am 9. November 2022 ab – am Jahrestag der Pogromnacht von 1938, als die Synagoge von Potsdam von den Nazis verwüstet wurde.

Auch die in Potsdam in zwei Fraktionen aufgespaltene Linke stimmte zu. »Wir haben das nicht gewusst, als die Stadtverordneten über diese Sache abgestimmt haben«, versichert Hans-Jürgen Scharfenberg, Vorsitzender der zweiköpfigen Linksfraktion. Er geht davon aus, dass auch Oberbürgermeister Schubert damals noch keine Kenntnis davon hatte, um was für einen Mann es sich bei Ruslan Marcinkiw handelt. Für Scharfenberg steht nun aber außer Frage: »In dem Moment, in dem man davon erfährt, muss man sich dazu verhalten. Ich erwarte, dass wir uns damit in geeigneter Weise auseinandersetzen.« Nach Scharfenbergs Ansicht müsste das in der nächsten Sitzung des Hauptausschusses besprochen werden.

Für die zweite Linksfraktion, die acht Stadtverordnete zählt, bestätigt deren Vorsitzender Stefan Wollenberg: »Das haben wir natürlich nicht gewusst.« Wollenberg sagt: »Aber es ist ja auch keine Partnerschaft mit dem Bürgermeister, sondern eine mit der Stadt. Es muss nun darauf geachtet werden, dass diese nicht instrumentalisiert wird und dass der Schwerpunkt, wie im Übrigen ja auch bei anderen Städtepartnerschaften, in der Zusammenarbeit von Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Vereinen und Verbänden liegt.«

Ähnlich argumentiert die Stadtverwaltung: Der Partnerschaftsvertrag begründe einen auf Dauer angelegten Austausch zwischen den Stadtgesellschaften, »keine politische Partnerschaft mit dem aktuellen Bürgermeister oder politischen Parteien«. Die Delegation, die nach Iwano-Frankiwsk reiste, habe dort klar Position bezogen. Zum Beweis soll das Manuskript der Rede von Oberbürgermeister Schubert dienen. Schubert sagte demnach, dass alle, die an der Auslöschung der jüdischen Mitmenschen im Zweiten Weltkrieg »mitgewirkt haben, die es zugelassen haben, die geholfen haben, dass Menschen aufgrund ihres Glaubens und einer wahnsinnigen Rassentheorie deportiert und getötet wurden«, schwerste und nicht relativierbare Schuld auf sich geladen haben.

Wenn man den Hintergrund dieser Formulierungen kennt, wird das Bemühen von Oberbürgermeister Schubert deutlich, seinem Amtskollegen Marcinkiw zu sagen, was für die Potsdamer Seite völlig inakzeptabel sei. Direkt angesprochen wird Marcinkiw in den betreffenden Passagen aber nicht. Und in der Pressemitteilung der Stadt Potsdam vom 22. April zur Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags wird mit keinem Wort darauf eingegangen, wes Geistes Kind der Bürgermeister von Iwano-Frankiwsk ist. Das war den Zuständigen in Potsdam aber auch erst unmittelbar vor der Reise aufgegangen. Das in der Pressemitteilung mitgelieferte Foto spricht Bände. Ruslan Marcinkiw stahlt schelmisch, als er die Partnerschaftsurkunde präsentiert. Mike Schubert zeigt sein Exemplar halb abgewendet mit ernstem Gesicht.

Im Gepäck hatte die Delegation im April ein Foto eines Tanklöschzugs, den die Freiwillige Feuerwehr von Potsdam-Bornstedt ausmusterte. Im Juli soll er mit einem Hilfskonvoi nach Iwano-Frankiwsk gebracht werden.

Die Swoboda-Partei, die 2014 eine Rolle beim Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch spielte, hat seither massiv an Einfluss eingebüßt. Im ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, hat sie seit den Wahlen von 2019 nur noch einen einzigen Abgeordneten. Aber Ruslan Marcinkiw wurde 2020 als Bürgermeister bestätigt.

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