Krieg und Klima drücken auf Grundrechte

Größte Gefährdungen durch staatliche Institutionen

Der Aktivist Simon Lachner sieht Grundrechtseinschränkungen der Polizei gegen die Letzte Generation durch Medien befeuert.
Der Aktivist Simon Lachner sieht Grundrechtseinschränkungen der Polizei gegen die Letzte Generation durch Medien befeuert.

Seit 1997 dokumentiert der jährlich veröffentlichte Grundrechte-Report den Umgang von Parlamenten, Behörden und Gerichten sowie Privatunternehmen mit Bürger- und Menschenrechten. Von staatlichen Institutionen gingen jedoch »die größten Gefährdungen der Grundrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit« aus, betonen die zehn Herausgeber, darunter das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Humanistische Union, Pro Asyl und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein, der Betroffene vor Gericht unterstützt.

Im Fokus des Grundrechte-Reports stehen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und die Arbeit der Justiz. Jedoch werden in der diesjährigen Ausgabe auch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine und der Umgang mit dem Protest gegen die Klimakrise als neue Phänomene behandelt. Das Spannungsverhältnis von »Sicherheit und Freiheit« sei regelmäßig Gegenstand des Grundrechte-Reports, so die frühere Richterin am Bundesverfassungsgericht Susanne Baer bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag in Berlin. In Bezug auf den russischen Einmarsch in der Ukraine sei dieses Thema in diesem Jahr aber viel weiter gefasst. Ein Beitrag von zwei Mitgliedern der Internationalen Vereinigung von Juristen gegen Atomwaffen (Ialana) befasst sich dazu mit der Lieferung von Waffen in das Kriegsgebiet. Das Friedensgebot des Grundgesetzes erfordere den Friedensaufbau und dessen Erhalt, schreiben die Verfasser darin.

Weitere Artikel widmen sich der Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, dem Einsatz von Lügendetektoren durch Familiengerichte oder rassistischen Polizeikontrollen. Klassischerweise nimmt die Versammlungsfreiheit im Report großen Raum ein, 2022 etwa im Bereich der Klimacamps. Viele Versammlungsbehörden hatten diese verboten oder mit Auflagen drangsaliert. Vor einem Jahr stellte das Bundesverwaltungsgericht jedoch klar, dass auch Protestcamps unter die Versammlungsfreiheit fallen können.

Ähnlich willkürlich agieren Berliner Behörden gegenüber palästinensischen und jüdischen Organisationen, deren Nakba-Gedenken mit fadenscheinigen Begründungen verboten wurde. In der Begründung zum Verbot habe keine Rolle gespielt, dass es 2021 auch völlig friedliche und aus polizeilicher Sicht »störfreie« Veranstaltungen gegeben hatte, schreibt die Rechtsanwältin Nadija Samour. Die Behörden behaupteten stattdessen eine Gefahr, die von der palästinensischen sowie der »libanesischen, türkischen und syrischen Diaspora« ausgehe. Selbst der Erschießung der Al-Jazeera-Journalistin Shirin Abu Akleh im Westjordanland durfte deshalb in Berlin nicht gedacht werden.

An der Vorstellung des Reports nahm mit Simon Lachner auch ein Aktivist der Letzten Generation teil. Immer wieder würden die Klima-Protestierer von der Polizei mit Schmerzgriffen von der Straße gezerrt oder ohne Gerichtsverfahren eingesperrt. Lachner beklagt zudem das Vorgehen von Autofahrern, die Aktivisten etwa mit heißem Kaffee überschütten oder an den Haaren wegzerrten. Verantwortlich dafür seien Politik und Staatsanwaltschaften, aber auch Gewaltfantasien von Zeitungen wie »Bild« und »Welt«. Das Versammlungsrecht gerate dabei in Vergessenheit.

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