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Abschnittsweise Sanierung: Neue Gleise für die Berliner Stadtbahn
Auf der Zugstrecke zwischen Haupt- und Ostbahnhof werden zehn Kilometer Schienen erneuert
Unter ohrenbetäubendem Lärm bohrt Jan Jagodschinski mit einem großen Gerät an einer der Schienen der Berliner Stadtbahn hinter dem S-Bahnhof Friedrichstraße, die von dort in Richtung Hauptbahnhof führen. Ein Kollege schiebt eine Maschine hinter ihm her, die per Kabel mit dem Bohrer verbunden ist. Beide tragen orange Warnkleidung und Kopfhörer gegen den Krach.
Zusammen mit etwa zehn weiteren Gleisarbeitern sind sie damit beschäftigt, kaputte Dübel zur Schienenbefestigung entlang der Bahnstrecke auszutauschen. »Das Hauptproblem ist nicht der Schienenwechsel, das geht schnell. Das Hauptproblem ist der Dübelwechsel«, erklärt Gleisbaumeister Eric Herrmann den Journalist*innen, die an diesem Dienstagvormittag über die Stadtbahn-Baustelle geführt werden.
Zwei Wochen Sanierungspause
Zwischen Haupt- und Ostbahnhof werden bis zum 1. Juli insgesamt zehn Kilometer Schienen ausgewechselt und die Gleisanlagen der Fern- und Regionalbahn umfassend saniert. In den vergangenen zwei Wochen wurde am westlichen Abschnitt bis Friedrichstraße gearbeitet, der diesen Donnerstag abgeschlossen wird. Dann gibt es »ein paar Tage Verschnaufpause«, sagt Steffen Rutsch, Leiter der Pressestelle Berlin der Deutschen Bahn.
Der östliche Teil von der Friedrichstraße zum Ostbahnhof ist dann vom 9. Juni bis 1. Juli dran. Würde man die ganze Stadtbahnstrecke auf einmal erneuern, nähme das etwa ein halbes Jahr in Anspruch, schätzt Herrmann. Da die Stadtbahn während der Bauarbeiten komplett gesperrt ist, wird jedoch abschnittsweise saniert, um die Auswirkungen für die Fahrgäste so gering wie möglich zu halten.
40 Prozent der Dübel sind kaputt
Durch die Belastung der darüberfahrenden Züge gehen die Dübel nach und nach kaputt, und wenn zu viele defekt sind, ist die Gleisanlage nicht mehr sicher. Auf der Stadtbahnstrecke müssten in diesem Sommer rund 40 Prozent der Dübel ausgetauscht werden. Bei anderen Strecken seien es aber auch schon 90 Prozent gewesen, sagt Herrmann. Neben den Gleisen stehen Schraubmaschinen zum Lösen und Befestigen der Schienen, sogenannte Spannklemmen und Kartons voller an Würstchen erinnernder Gegenstände herum. »Korrosionsschutzmittel« steht auf letzteren. »Das macht man in jeden Dübel rein, weil trocken ist halt scheiße«, so Herrmann.
Täglich würden insgesamt rund zwanzig Gleisarbeiter an der Stadtbahn arbeiten, berichtet er. Und nachts werde geschweißt, denn dafür dürfe die Schiene nicht heißer als 26 Grad sein.
An einer anderen Stelle, etwa 100 Meter vom S-Bahnhof entfernt, sieht man, dass eine Schiene ausgewechselt wurde. Zwischen dem Teil, der um die Kurve führt, und dem in Richtung Bahnhof klafft noch eine winzige Lücke, die später verschweißt wird. »In der Kurve wird die Schiene stärker abgenutzt«, erklärt Marcus Schattschneider, Projektleiter der Stadtbahnsanierung. Deshalb wurde dieser Teil erneuert. Wie lang eine Schiene jeweils hält, hänge von der Belastung ab. Zuletzt wurde die Schiene 2009 ausgewechselt.
Mehr Angebot heißt höhere Belastung
Ganz am Ende werden noch die Schallabsorber erneuert. Das sind dicke Steinplatten, die zwischen den Gleisen liegen und durch ihr Gewicht und eine wellenförmige Oberfläche bis zu vier Dezibel Schallwellen absorbieren. Die alten Steine, die bereits seit den 1990er Jahren dort liegen, haben zum Teil schon dicke Risse.
Das Problem der Stadtbahn: »Die Last auf den Anlagen ist immer weiter gewachsen, da die Länder das Angebot erhöhen«, sagt Sprecher Steffen Rutsch zu »nd«. So gehört die Stadtbahn laut Deutscher Bahn zu den meistbefahrenen Bahnstrecken Deutschlands. Alle fünf Minuten rolle ein Zug über die Fern- und Regionalbahngleise, die zudem viele enge Kurven aufweisen. Das sei ein »Balanceakt«, so Rutsch. Mit der vorhandenen Infrastruktur lasse sich der Bahnverkehr nun mal nicht unendlich ausbauen – letztendlich brauche man mehr Gleise.
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