Lesbisches Wohnprojekt: Schwestern starten Bau

In Mitte ensteht ein altersgerechter Neubau einer lesbischen Initiative

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.
Über die bauliche Gestaltung des Wohnprojekts wurde mit dem Bezirk gerungen.
Über die bauliche Gestaltung des Wohnprojekts wurde mit dem Bezirk gerungen.

Mit Verzögerungen und Hindernissen haben sie ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht. Seit über zehn Jahren kämpft die Initiative lesbischer Frauen Rad und Tat für ein eigenes Wohnprojekt. Unweit des Alexanderplatzes in der Berolinastraße hat jetzt der Bau begonnen. »Als europaweit wegweisendes Projekt steht das geplante Lesbenwohnprojekt und queere Kulturzentrum für lesbische und queere Sichtbarkeit und Gendergerechtigkeit«, freut sich Jutta Brambach, Geschäftsführerin bei Rad und Tat, über den Baustart.

72 Mietwohnungen, von denen der Großteil barrierefrei gebaut wird und die Hälfte als geförderte Wohnungen angeboten werden, entstehen hier in Innenstadtlage. Hinzu kommt eine Pflege-WG. Auch die Beratungseinrichtung des Vereins sowie ein Kiez-Café und Veranstaltungsräume sollen in dem Neubau Platz bekommen. Es ist ein »Generationen-Wohnprojekt«, in dem Lesben und queere Frauen »in einer diskriminierungsfreien und nachbarschaftlichen Umgebung ein gutes Leben führen und ihr Alter genießen können«.

Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) baut. Die Lesbeninitiative ist »Generalnutzerin«. »Mit großer Freude können wir nach einem intensiven Entwicklungsprozess an diesem zentralen Standort ein inklusives und generationsübergreifendes Wohnprojekt verwirklichen«, sagt Steffen Helbig, Geschäftsführer der WBM. Auch Ephraim Gothe (SPD), Bezirkstadtrat von Mitte, ist froh über die »erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und gemeinnützigen Institutionen bei der Verwirklichung innovativer und zukunftsweisender Wohnkonzepte«. »Wir sind stolz darauf, als Bezirk dieses Projekt unterstützen zu können«, sagt er.

Dass gerade das Stadtplanungsamt für einigen Frust sorgte, scheint nun, da es mit dem Bau losgeht, fast vergessen. Denn bis zur Grundsteinlegung war es ein steiniger Weg. Eigentlich sollte jede Wohnung mit einem Balkon ausgestattet werden. Auch die Fassade hätte ursprünglich einmal im Sinne der lesbischen Sichtbarkeit mehr Farbe abbekommen sollen.

Zuletzt zwang aber die Erhaltungsverordnung für das Gebiet rund um die Karl-Marx-Allee die Bauherren dazu, noch einmal radikal umzuplanen. Der ursprünglich noch 2019 geplante Entwurf für den Neubau musste überarbeitet werden. Denn in einem Erhaltungsgebiet soll das vorhandene Stadtbild, wie der Name es eben sagt, erhalten bleiben. Die bauliche Gestaltung des Wohnprojekts musste sich in die von den Plattenbauten geprägte Umgebung einfügen.

Die Umplanung kostete Zeit. Eigentlich hätten die Arbeiten schon Ende 2021 beginnen sollen. Das Stadtplanungsamt bestand aber auf der Einhaltung der Verordnung. »Was inhaltlich in dem Haus passiert, hat das Amt nicht interessiert«, zeigte sich Brambach von Rad und Tat damals verstimmt gegenüber »nd«.

Die Hindernisse auf dem Weg zur Baugenehmigung am Standort in Mitte waren dabei nicht der erste Rückschlag für die lesbische Initiative Rad und Tat. Die 1989 in Westberlin von einer Gruppe älterer und behinderter lesbischer Frauen gegründete Initiative fand bereits 2014 am Neuköllner Richardplatz ein Grundstück für ihr Wohnprojekt. Doch in letzter Sekunde sprang damals ein Investor für den Bau ab.

Der nächste Anlauf folgte dann unweit des Bahnhofs Südkreuz. Eigentlich gewann die Lesbeninitiative auch ein für die Bebauung durchgeführtes Konzeptverfahren. Doch die Schwulenberatung, Mitbewerber um das Grundstück, klagte. Zwischenzeitlich besetzten lesbische Aktivistinnen sogar Räume der Schwulenberatung. Schlussendlich war es aber die Schwulenberatung, die in Schöneberg baute. Versöhnend stimmt vielleicht die Tatsache, dass zweifelsohne die Nachfrage für beide Wohnprojekte hoch ist. Schon vor dem Baustart hatte Rad und Tat mehr Interessentinnen als Wohnungen.

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