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Volleyball-Nationalteams: Nur die Deutschen bekommen kein Geld
Die deutschen Volleyball-Nationalteams starten zuversichtlich in einen wichtigen Sommer, obwohl sie einen großen finanziellen Nachteil haben
Anna Pogany wollte den Deutschen Volleyball-Verband betont nicht angreifen. Sonst hätte sie ihre Kritik am DVV nicht so verklausuliert und gewiss auch nicht erst andere Gründe erwähnt, warum dem deutschen Frauen-Nationalteam in letzter Zeit gleich mehrere Leistungsträgerinnen verloren gegangen sind. Vor einem Jahr war der Star der DVV-Auswahl, Louisa Lippmann, aus der Halle zu den Beachvolleyballerinnen gewechselt. Im Herbst 2022 beendete auch Kapitänin Jennifer Janiska ihre Karriere im Nationalteam und vor wenigen Tagen folgte Kimberly Drewniok. Keine von ihnen ist schon 30 Jahre alt, alle dürften noch mehrere Jahre Leistungssport in den Knochen haben, doch für den DVV wollen sie nicht mehr spielen.
»Es ist natürlich super schade, dass Jenny und Kimi aufgehört haben, und in einem Verband sind immer Verbesserungen möglich«, beurteilte die neue Kapitänin Pogany im Gespräch mit »nd« die Situation zunächst sehr diplomatisch. »Das sind immer persönliche Entscheidungen, bei denen der Verband oder das Team gar nicht viel machen können.« Die Beweggründe sind in der Tat jedes Mal individuell verschieden. »Aber mir fällt natürlich schon auf, dass in anderen Nationalteams Spielerinnen noch mit 35 dabei sind, das liegt sicher auch daran, dass es in Deutschland so viele andere Möglichkeiten gibt, Geld zu verdienen. In anderen Ländern gibt es da weniger Anreize«, stellt Pogany fest.
Geht es Sportlerinnen in Deutschland also zu gut? Stehen ihnen zu viele andere Möglichkeiten offen? Falsch ist das nicht. Es gibt unzählige Beispiele von Basketballern und Footballern in den USA, Langstreckenläufern in Ostafrika, Baseballern in Mittel- und Fußballern in Südamerika, in denen Profisport die einzige Möglichkeit darstellt, der Armut zu entfliehen oder zumindest sozial aufzusteigen. Diese Motivation, dranzubleiben, auch wenn es schwierig wird, kann entscheidend sein in der Frage, wer es bis an die Weltspitze schafft.
Im deutschen Volleyball aber wird das Ganze sogar noch umgekehrt. Erst als dritten Grund für die vielen Abgänge spricht Pogany nämlich an, dass der DVV international einen Alleingang geht: »Jedes andere Land zahlt seinen Nationalspielerinnen ein Gehalt, nur Deutschland nicht. Da ist der Anreiz, auch im Sommer zu Länderspielen zu reisen, natürlich größer.« Die hierzulande verbreitete Annahme, dass es Ehre genug sein müsse, für Deutschland spielen zu dürfen, wird zum finanziellen Nachteil für die Spielerinnen. Schließlich bezahlen ihre Klubs nur für die acht Monate im Jahr von Herbst bis Frühjahr, in denen sie für sie aktiv sind.
Diejenigen, die trotzdem dem Ruf des DVV folgen, betonen stets, dass sie nicht fürs Geld spielen würden. Sie wollen Medaillen oder sich den Traum von einer Olympiateilnahme erfüllen. Dafür kämpfen sie aktuell in der Nations League um wichtige Weltranglistenpunkte. Pogany und Co sind diese Woche in Japan erfolgreich gestartet mit Siegen gegen die Niederlande (3:1) und Kroatien (3:0). »Wir lagen oft zurück, haben aber immer Wege zum Sieg gefunden. Wir brauchen noch Zeit, uns besser einzuspielen. Zum Glück haben wir aber am Ende die Sätze immer zugemacht. Das gibt Selbstvertrauen. Und es macht Spaß, auf dem Niveau Volleyball zu spielen«, sagte Pogany am Donnerstag.
Die härtesten Gegnerinnen stehen dem Team in den kommenden Wochen aber noch bevor, und genau gegen die würden erfahrene Spitzenspielerinnen wie Lippmann oder Janiska helfen, meinte Bundestrainer Vital Heynen Anfang dieser Woche. Sie könnten »der Mannschaft viel Energie geben und den Unterschied machen«, so der 53-Jährige. »Ich hätte sie so gerne dabei gehabt.« Auch Pogany meint, dass die Abgänge »unsere Entwicklung in den letzten Jahren etwas gestoppt haben«.
Immerhin: An Talent fehlt es offenbar nicht. Nach dem Wegfall von Lippmann und Drewniok hat die DVV-Auswahl auf der so wichtigen Diagonalposition keine voll ausgebildete Hauptangreiferin. Den Job teilen sich nun die Außenangreiferinnen Lena Stigrot, Lina Alsmeier und Hanna Orthmann, und speziell letztere hat in den ersten beiden Partien in Nagoya mit insgesamt 47 Punkten voll überzeugt. Dabei ist Orthmann erst 24 Jahre jung. »Hanna kann eine außergewöhnlich gute Spielerin werden. Sie ist schon jetzt eine Riesenstütze für uns und auf dem Weg zur Weltklasse«, ist sich Pogany sicher.
Doch wie lange wird der DVV von dieser Entwicklung profitieren? Drewniok ist nur ein Jahr älter als Orthmann und hörte vor zwei Wochen auf. »Wir müssen einen Weg finden, dass sie bis nach 30 weiterspielen wollen, das ist die große Herausforderung«, so Bundestrainer Heynen. Der Verband aber ist schon jetzt in finanziellen Schwierigkeiten. Das »Volleyball-Magazin« berichtete zuletzt in mehreren Ausgaben davon, dass der DVV auf die Austragung von Heim-Länderspielen komplett verzichtet, weil dafür die »personellen und die finanziellen Ressourcen fehlen«. Zudem hätten die Landesverbände mit 300 000 Euro aushelfen müssen, um die Ausgaben für die Nationalteams weiter finanzieren zu können. Der Vorstand Finanzen ist gegangen, mehrere Sportdirektoren wurden entlassen. Die verbandseigene Vermarktungsagentur ist insolvent und kein Hauptsponsor in Sicht.
Auch bei den Männern wird die Bezahlung im Nationaldress diskutiert. »Wir bekommen kein Gehalt, nur Prämien in der Nations League«, bestätigte der deutsche Kapitän Lukas Kampa dem »nd«. »Das ist auch bei uns ein Thema, denn da gibt es große Unterschiede in der Weltspitze.« Auch Kampa, der mit seinem Team kommende Woche in Kanada in die Nations League einsteigt, betont, dass niemand im Nationalteam für Geld spiele. »Das ist nicht unsere Motivation. Aber wir bekommen das natürlich mit, wenn wir in anderen Ländern mit Nationalspielern in unseren Klubs sprechen. Das ist ein Bereich, in dem sich der Verband weiterentwickeln kann.«
Kampas Bundestrainer Michał Winiarski spielte einst für Polen. »Geld war nie die Hauptmotivation. Auch jetzt verdiene ich als Nationaltrainer nicht so viel wie in meinem Klub. Mit dem deutschen Team ist das Ziel, zu Olympia zu kommen, nicht noch mehr Geld zu verdienen«, meinte Winiarski am Donnerstag in Kienbaum. Bei seinem ersten Länderspiel im Jahr 2004 hätte er auch noch kein Geld erhalten, das habe sich in seiner Heimat aber längst geändert. »2006 wurden wir Vizeweltmeister und Volleyball plötzlich populär in Polen. Dann kamen die Verträge mit großen TV-Sendern und Sponsoren, und mit jedem Jahr haben wir immer mehr Geld bekommen – auch im Nationalteam.«
Wenn sein Frauen-Trainerkollege Vital Heynen also von einer großen Herausforderung spricht, Spielerinnen länger am Ball zu halten, geht es offenbar darum, Medien, Sponsoren, aber auch Fans davon zu überzeugen, für das Produkt Volleyball mehr zu bezahlen. Mit der Ausnahme vom Männerfußball klappt das aber in Deutschland nur durch sportliche Erfolge. Und auch dann ist eine Veränderung nicht garantiert. Das können aktuell die Fußballerinnen bezeugen, deren WM-Übertragungen auch nach einem Vize-Europameisterinnentitel in den Sternen stehen. Und auch die Basketballer warten nach EM-Bronze weiterhin auf mehr Live-Übertragungen im Free-TV, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren. Immerhin sind ihre Dachverbände nicht auch noch in finanzielle Schieflage geraten.
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