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RB Leipzig stellt die Experten im DFB-Pokalfinale
Vier Endspiele in fünf Jahren: Leipzigs Fußballer wissen mittlerweile, was es für einen Pokalsieg braucht
Zum vierten Mal in den vergangenen fünf Jahren ist RB Leipzig bereits beim DFB-Pokalfinale in Berlin dabei. Die Partie gegen Eintracht Frankfurt an diesem Samstag (20 Uhr/ZDF) vor 75 000 Zuschauern im Olympiastadion und Millionen Anhängern an den Bildschirmen bietet die größte Bühne, die es für Klubfußball hierzulande gibt. Und die Leipziger sind zum Stammgast im Titelendspiel in der Hauptstadt geworden. Zwar bleibt der Klub bei den Ultras und vielen Fans bundesweit unbeliebt und polarisierend, doch Jahr für Jahr sichert sich Rasenballsport das Ticket für die Teilnahme an der größten nationalen Sause und zieht mit seiner Entourage von etwa 25 000 Fans ins Olympiastadion ein. Nur ein einziges Mal seit 2019 scheiterte RB früher: 2020 unter dem damaligen Trainer Julian Nagelsmann im Achtelfinale – gegen den diesjährigen Endspielgegner Eintracht Frankfurt.
Eine solche Präsenz in den alljährlichen Spielen um den Pott konnten bisher nur der FC Bayern, Borussia Dortmund und einst in den 70ern der 1. FC Köln vorweisen. »Es ragt heraus, dass wir im fünften Jahr zum vierten Mal im Finale stehen. Irgendwie liegt uns der Wettbewerb«, sagte Kapitän Willi Orban diese Woche stolz der »Mitteldeutschen Zeitung«. Die Wiederholung des Pokaltriumphs hätte für den Spielführer, der bei allen Leipziger Endspielen dabei war, sogar einen noch höheren Stellenwert als der Erfolg im Vorjahr. »Es wäre schon ein Ausrufezeichen, wenn wir ihn nochmal gewinnen. Gerade gegen so einen Gegner wie Frankfurt.« Die Eintracht sei sein »Lieblingsgegner fürs Finale, perfekt für ein Endspiel. Es muss kribbeln und von außen muss Energie kommen«, freute sich Leipzigs Abwehrchef. Doch diese Lust auf die großen Entscheidungen und Herausforderungen musste sich die Mannschaft über Jahre hinweg erst erarbeiten. Mit jeder Endspielteilnahme kamen weitere Lektionen hinzu, die sie zu Pokalexperten formten.
Beim ersten Finale im Jahr 2019 gegen den FC Bayern (0:3) war das Streben nach Anerkennung noch ebenso groß wie die Nervosität und Unerfahrenheit in so großen Spielen. Auf 3000 Werbeflächen und 1000 Plakatwänden hatte RB Leipzig damals Reklamebotschaften in Berlin platziert. Der Klub vermarktete den Einzug ins Pokalendspiel wie noch kein Verein zuvor. Da war die Fallhöhe immens, und die Mannschaft dem Druck noch nicht gewachsen. Bei der Premiere begann RB zwar aktiv und hatte gute Chancen, doch nach dem 1:0 für die Münchner fiel Leipzig – damals noch unreif – in sich zusammen und scheiterte an Manuel Neuers Paraden und Robert Lewandowskis Toren. Für die Rückfahrt nach Sachsen hatten die Verantwortlichen eigens einen alten Reichsbahnzug gechartert, der das Team mit den Fans zusammen nach Hause brachte. Doch aus dem geplanten Triumphzug wurde ein Trauerzug. »Die Erfahrung und Coolness haben uns noch gefehlt. Man hat gemerkt, dass die Bayern schon ein paar Finale gespielt und Titel haben«, sagte der ewige Leipziger Emil Forsberg tief enttäuscht in die roten Kunstledersessel gelehnt. »Wir brauchen diese Erfahrung für das nächste Mal, um zu wissen, was wir besser machen müssen.«
Beim zweiten Anlauf gegen Borussia Dortmund (1:4) im Pandemiejahr 2021 vor gespenstisch leeren Rängen traf Trainer Julian Nagelsmann in seinem ersten großen Titelmatch völlig falsche Entscheidungen. Der Jungstar unter den Trainern ist ein großer Verehrer von Pep Guardiola und machte den gleichen Fehler, der auch dem Startrainer in seiner Anfangszeit unterlaufen war. Nagelsmann verzichtete zugunsten seiner taktischen Überlegungen auf jene Spieler in der Startelf, die ein solches Finale hätten tragen können. RB begann ohne die erfahrenen Orban, Forsberg, Christopher Nkunku, Konrad Laimer und Yussuf Poulsen in der Startelf und setzte stattdessen unter anderem auf den Ersatzsturm Alexander Söroth und Hee-Chan Hwang, was fürchterlich nach hinten losging. RB wurde vom BVB mit den eigenen Waffen durch Umschaltfußball geschlagen. Als die Genannten dann eingewechselt wurden, war es zu spät, denn es stand bereits zur Pause 0:3. Bereits vorab hatte es Unruhe wegen des Aufstellungsexperiments gegeben, der ausgebootete Außenverteidiger Angeliño hatte enttäuscht das Training verlassen und war von Nagelsmann für das Finale suspendiert worden.
Auch gegen den SC Freiburg (4:2 nach Elfmeterschießen) sah 2022 alles nach einer weiteren Niederlage aus, die den Pokalfluch für Leipzig manifestiert hätte. Es war erst ein Impuls von außen nötig, um das Team wachzurütteln. Die Rote Karte gegen Marcel Halstenberg riss die Leipziger aus ihrer nervösen Lethargie.
»Man hat gegen Freiburg gesehen, was Erfahrung bedeutet. Wir waren fast eine Stunde lang in Unterzahl, lagen zurück und trotzdem haben wir plötzlich die größeren Chancen herausgespielt«, sagte Leipzigs Rekordspieler Poulsen vor dem Duell gegen die Eintracht. »Wir sind erfahren im Finale, wissen, worum es geht und was es braucht, um da zu bestehen.« Und Verteidiger Lukas Klostermann erinnert sich: »Als wir die Rote Karte bekommen haben, hat das eine gewisse Magie bei uns freigesetzt. Ich hatte auf dem Platz nicht das Gefühl, dass das schiefgeht. Das hat uns als Mannschaft, als Verein so gepusht, dass wir es am Ende geschafft haben.«
Auch an diesem Samstag wird es Widerstände geben, zum einen weil auch die Frankfurter mit einem gewissen Maß an Erfahrung in ihre neunte Finalteilnahme gehen werden: Der Titel aus dem Jahr 2018 (3:1 gegen den FC Bayern) liegt noch nicht allzu lange zurück. Zum anderen weil die Eintracht-Fans den Leipziger Anhängern in Sachen Anzahl und Lautstärke deutlich überlegen sein werden.
Doch Willi Orban betont: »Das macht so eine Partie aus, und wenn du sie gewinnst, dann ist das doppelt so wertvoll, weil du so viele gegen dich hattest.« Auch weil das Team die Ablehnung, die RB oft entgegenschlägt, inzwischen eher beflügelt als hemmt, haben die Spieler die nötige Mentalität für Titel entwickelt. »Wir gehen viel abgezockter ins Spiel, wissen, was auf uns zukommt, haben alles schon erlebt«, sagte Routinier Kevin Kampl vor seiner fünften Pokalfinalteilnahme. »Uns kann gerade wenig aus den Socken hauen.« Als Stammgast kennt sich RB Leipzig eben aus mit allen Eventualitäten auf der Party: Ablehnung, Nackenschläge, Rausschmisse, Nervenkitzel und Euphorie – alles schon erlebt. Es könnte der letzte große Triumph einer verschworenen Gemeinschaft sein, bevor in der kommenden Saison ein Umbruch mit möglichen Abgängen einiger Altvorderer ansteht.
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