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Kieler Glückswoche im Handball
Der THW entthront den SC Magdeburg und gewinnt die deutsche Handball-Meisterschaft
Noch einmal stand den Zuschauern in der Kieler Arena der Mund weit offen. »Wie hat er bitte diesen Wurf gehalten?«, schienen die Blicke zu sagen, die alle auf Niklas Landin gerichtet waren. Der Torwart des THW Kiel hatte in seinem letzten Heimspiel noch einmal 15 Bälle pariert, darunter mehrere, die eigentlich unhaltbar schienen.
Der 34-jährige zweifache Welthandballer wird die Zebras im Sommer nach acht Jahren in Kiel in Richtung Aalborg verlassen. An der Förde verabschiedeten sie den sympathischen Dänen und seine Familie mit stehenden Ovationen, als die Schlusssirene nach dem 38:23 im letzten Heimspiel der Saison gegen die HSG Wetzlar ertönt war. Am Sonntag kamen Landin und Kollegen mit der Meisterschale zur Saisonabschlussfeier zurück. Der 34:27-Sieg im letzten Saisonspiel bei Frisch Auf! Göppingen sicherte Kiel den Titel. Die 23. Meisterschaft des THW wurde anders als sonst nicht vor dem Rathaus gefeiert. Weil dort der Internationale Markt der Kieler Woche aufgebaut wird, versammelten sich die Handballfans in der Arena.
Die ungewöhnliche Meisterfeier markiert das Ende eines Titelrennens, das in der Handball-Bundesliga spannend wie selten verlief. Nachdem jahrelang Kiel und Flensburg die Meisterschaft unter sich ausgemacht hatten, gab es einen Dreikampf zwischen dem THW, dem SC Magdeburg und den Füchsen aus Berlin. »Die Qualität in der Breite bei den Topteams hat im Kader schon sehr stark zugenommen«, sagte Ex-Nationalspieler Martin Strobel im Deutschlandfunk. Der Rekordmeister vom Turnverein Hassee-Winterbek konnte sich erst Ende März durch den imponierenden 36:29-Heimsieg gegen Berlin in eine gute Ausgangslage bringen. Füchse-Coach Jaron Siewert sagte danach in der Pressekonferenz: »Ich bin nicht der erste und auch nicht der letzte Trainer, der hier sitzt und sagt: Wir sind an Niklas Landin gescheitert.« Als es darauf ankam, waren der 2,01 Meter lange Keeper und die Kieler Feldspieler voll da.
Trainer Filip Jicha hatte in den Spielen zuvor die mangelnde Effizienz im Angriffsspiel beklagt. Viel zu ungenau warf die gefürchtete Offensive des THW, wobei die 31:34-Niederlage gegen den SC DHfK Leipzig den Tiefpunkt markierte. Der Dirigent des Kieler Spiels, Miha Zarabec, verriet den »Kieler Nachrichten« anschließend: »Um Meister zu werden, müssen wir alles zeigen. Wir haben uns nach Leipzig zusammengesetzt, geredet, und jetzt sehe ich in jedem Training, dass wir alles zeigen.«
Vorjahresmeister SC Magdeburg spielte trotz der verpassten Titelverteidigung eine herausragende Saison, wobei der Höhepunkt kommende Woche mit dem Finalturnier der Champions League in Köln noch bevorsteht. Das Team von Trainer Bennet Wiegert konnte mit einer Energieleistung im Viertelfinalrückspiel 30:28 gegen Wisła Płock gewinnen und zog erstmals ins Endrundenturnier ein, dessen Sieger eine Million Euro Siegprämie bekommt. Mit den Einnahmen aus der Champions League kann Magdeburg den Abstand zu Branchenprimus Kiel (Etat 13,5 Millionen Euro) verkürzen.
Bei den Berliner Füchsen konnte Ende Mai zwar nicht die Meisterschaft, aber ein Ligarekord zelebriert werden. Als Hans Lindberg sein 2906. Bundesligator geworfen hatte, wurde die Partie gegen den GWD Minden sogar kurz unterbrochen, um den 41-jährigen Oldie in einem jungen Team zu ehren. Nach einigem Hin und Her haben die Berliner den Kontrakt mit dem Dänen um ein weiteres Jahr verlängert, sodass der »schöne Hans« seine Bestmarke weiter ausbauen kann. Dem ungleichen Führungsduo aus Sportvorstand Stefan Kretzschmar und Geschäftsführer Bob Hanning gelang es zu Saisonbeginn, mit dem dänischen Rückraumspieler Mathias Gidsel einen der begehrtesten Handballer Europas in die Hauptstadt zu holen. Hanning redet nicht nur über Nachwuchsförderung, sondern trainiert nebenberuflich die Zweitligamannschaft des 1. VfL Potsdam, um junge Talente an die Bundesliga heranzuführen.
Für Innovationen an der Seitenlinie sorgen in der Liga weiterhin Übungsleiter aus dem hohen Norden. Guðjón Valur Sigurðsson hat mit Aufsteiger VfL Gummersbach souverän den Klassenerhalt geschafft. Der 43-jährige Isländer wurde in der alljährlichen Abstimmung der Geschäftsführerinnen und -führer sowie der Coaches zum »Trainer des Jahres« gewählt.
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