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Berliner Alexanderplatz: Hausbau mit Folgen für U-Bahn
Opposition fordert nach U-Bahn-Schaden Moratorium für Wolkenkratzer am Alexanderplatz
Tagelang wanden sich die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) um Antworten. Eine Reihe von Fragen hatte »nd« rund um Schäden am U-Bahnhof Alexanderplatz im Zusammenhang mit der Baugrube für ein 130 Meter messendes Hochhaus des Investors Covivio gestellt. Der zu klärende Verdacht, den Insider an das »nd« herangetragen hatten: Die Rutschungen im Erdreich haben den Bahnhof der U2 so beschädigt, dass es auch am darunterliegenden Bahnsteig der U5 Auswirkungen in Form von durchsickerndem Grundwasser gibt.
Mehrere Quadratmeter des U5-Bahnsteigs Richtung Hauptbahnhof sind abgesperrt, der Bereich entwickelt sich nach und nach zur Tropfsteinhöhle, weil kontinuierlich Wasser durch Decke und Wand sickert. Da dort das nicht regulär genutzte Gleis für eine zur Bauzeit vor fast 100 Jahren geplante U-Bahnlinie aus Weißensee liegt, hat das glücklicherweise derzeit keinen Einfluss auf den Betrieb.
Nach nd-Informationen steht das sickernde Wasser in zeitlichem Zusammenhang mit dem Aushub der 20 Meter tiefen Baugrube für das Covivio-Hochhaus, die nur zwei Meter vom Bahnhof der U2 und fünf Meter von jenem der U5 entfernt ist. Am Montag erklärte BVG-Sprecher Jannes Schwentu schließlich: »Die Ursachenklärung ist noch nicht abgeschlossen. Der U-Bahnbetrieb oder die allgemeine Sicherheit sind durch den Wasserschaden nicht beeinträchtigt.«
Das ist schon mal mehr, als das Landesunternehmen zuvor preisgeben wollte. Bei allen Fragen rund um mögliche Schäden an der U-Bahn-Infrastruktur und deren Reparatur verwies es an Covivio. Doch in puncto U5 lautete die Antwort von Covivio-Sprecherin Barbara Lipka: »Bitte wenden Sie sich für diese Fragen an die BVG.«
Mit der Situation vertraute Personen hatten gegenüber »nd« erklärt, dass das Bahnhofsbauwerk der U2 wesentlich stärker beschädigt sei als bisher öffentlich bekannt. Es sei an der im Grundwasser liegenden Unterseite wohl teilweise gebrochen, auch sei die Verbindungsfuge zum Tunnel der U5 beschädigt, sodass Wasser einsickere. Es wurde die Befürchtung geäußert, dass eine Reparatur des Schadens nur durch einen zumindest teilweisen Abriss und Neubau des Bahnhofs der U2 möglich sein könnte. Ein jahrelanger Kenner der U-Bahn sagte, sagt, dass die Beschädigung des Tunnels schlimmer sei als durch Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg. Damals sei zwar die Tunneldecke zerstört worden, aber nicht das Fundament, wie nun durch die Absackung.
Bisher hieß es, dass das seit 7. Oktober 2022 gesperrte Gleis der U2 Richtung Pankow voraussichtlich Ende August wieder in Betrieb genommen werden und die Linie dann wieder regulär verkehren könnte. Seit vergangenem Herbst fährt zwischen Senefelderplatz und Klosterstraße nur ein Pendelzug alle 15 Minuten.
Seit März arbeitet Covivio an der Behebung des Schadens, der offenbar dadurch entstanden ist, dass Grundwasser die Wand zur Hochhaus-Baugrube eingedrückt hatte und größere Mengen Erdreich ins Rutschen kamen. Um fast vier Zentimeter hatte sich der Tunnel in dem Bereich abgesenkt. »Der Boden/Untergrund wurde mittels Kontaktinjektionen verfestigt und somit ertüchtigt. Der Hebungskörper ist hergestellt«, erklärt Unternehmenssprecherin Lipka nun. »Nach der erfolgreichen Stabilisierung erfolgt nun in Abstimmung mit den Gutachtern, der Technischen Aufsichtsbehörde und der BVG die Feinplanung, ob eine Anhebung noch erforderlich ist und wenn ja in welchem Umfang«, so Lipka weiter. Bisher war nicht die Rede davon, dass auf die Hebung möglicherweise verzichtet werden kann. Das könnte ein Hinweis auf den kritischen Zustand des Bauwerks sein. Denn zur Bauzeit des U2-Bahnhofs kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde noch mit unbewehrtem Beton gearbeitet. Er hat nicht die seit langer Zeit üblichen Stahleinlagen. Ist die Platte gebrochen, gibt es nichts mehr, was sie zusammenhält.
Doch angesichts der womöglich weitaus größeren Schäden als bisher angenommen scheint es derzeit offen, ob es sinnvoll ist, die Maßnahmen so weiterzuführen.
Die Opposition ruft das auf den Plan. »Sollte sich der Verdacht gravierender Schäden an den U-Bahn-Tunneln der U2 und U5 am U-Bahnhof Alexanderplatz bestätigen, steht Berlin vor einem verkehrspolitischen Super-GAU«, sagt Grünen-Verkehrsexpertin Antje Kapek zu »nd«. »Nicht erst beim Worst-Case-Szenario von Abriss und Neubau des U-Bahnhofes wäre einer der zentralsten Verkehrsknotenpunkte lahmgelegt«, so Kapek weiter. Die BVG stehe in der Pflicht, »umgehend für Aufklärung und Transparenz zu sorgen und nötige Maßnahmen, Kosten und die erforderliche Zeit hierfür zu benennen«. Im schlimmsten Fall brauche es »umgehend ein alternatives Verkehrskonzept, um den Umstieg der U-Bahnreisenden auf andere Verkehrsträger möglichst zu verhindern«.
Besorgt zeigt sich auch Kristian Ronneburg, der verkehrspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Es war ein Grundfehler, zuzulassen, im Bereich sensibler Infrastruktur einen Hochhausbau hochzuziehen«, sagt er zu »nd«. Die funktionierende Stadt, zu der der öffentliche Nahverkehr gehört, müsse Priorität haben statt Profitmacherei.
»Wir erwarten vom Senat und der BVG, dass sie dem Parlament klar darlegen, ob der Schaden im U-Bahnhof nun größer ist als angenommen und welche Konsequenzen dies für die Fahrgäste haben wird«, so Ronneburg weiter. Aufgrund der Dringlichkeit erwarte seine Fraktion diesen Mittwoch dazu im Mobilitätsausschuss Aussagen von Senatorin Manja Schreiner (CDU). »Sollte sich herausstellen, dass der Totalschaden naht, muss das Hochhausprojekt abgeblasen werden«, fordert Ronneburg.
Damit könnte die Umsetzung des Plans einer »Stadtkrone«, eines »Hochhausgewitters«, wie die Wolkenkratzer-Pläne am Alexanderplatz schwärmerisch genannt werden, in Investitionsruinen enden. Bereits jetzt ist unklar, wie es mit dem 150-Meter-Projekt »Alexander Berlin Capital« neben dem Haupteingang des Einkaufszentrums »Alexa« weitergeht. Seit langem ruht der Bau, angeblich wegen Schwierigkeiten des Investors, Kapital aus Russland nach Berlin zu transferieren.
Immer düsterer dürften auch die Aussichten für den Hines-Tower an der Nordost-Ecke des Alexanderplatzes sein. Der bis zu 150 Meter hohe Trumm soll direkt auf dem Streckentunnel der U5 entstehen, weil der Investor auf dem ursprünglich dafür vorgesehenen Grundstück neben dem Tunnel ein sechsgeschossiges Geschäftshaus errichtet und verkauft hat. Mit der BVG wurde ein umfangreiches technisches Konzept erarbeitet, das den Bau möglich machen soll. Die Senatsbauverwaltung war erst jüngst davon überzeugt, dass »Risiken weitest möglich ausgeschlossen« seien.
Das war man beim Covivio-Turm auch, dessen geplante Fertigstellung bereits um ein Jahr auf 2026 verschoben worden ist. Der aktuelle Baustopp dürfte für den Investor finanziell schmerzhafter sein als die im Februar mit rund zehn Millionen Euro bezifferten Sanierungskosten für den Bahnsteig der U2.
Für »nicht hinnehmbar« hält Grünen-Stadtentwicklungsexperte Julian Schwarze, wenn riskante Bauvorhaben privater Investoren die Mobilität von Hunderttausenden Berlinerinnen und Berlinern auf Jahre erheblich einschränken.
»Sollte es wirklich dazu kommen, dass die entstandenen Schäden durch das Covivio-Hochhaus nur durch Abriss und Neubau behoben werden können, müssen umgehend alle Bauvorhaben am Alexanderplatz auf den Prüfstand gestellt werden – auch wenn dies das Aus für die Kollhoff-Planung bedeutet«, fordert er gegenüber »nd«. Bis alle Fragen geklärt seien, müsse es »ein Moratorium für die Hochhauspläne am Alex« geben. Das »Prinzip Sicherheit« gelte auch für Bauvorhaben an anderen Orten. »So ist auch am Hermannplatz bisher unklar, ob die Signa-Pläne für das Karstadt-Kaufhaus die Tunnel der U7 und U8 beschädigen könnten«, nennt Schwarze ein Beispiel.
Als »katastrophale Neuigkeiten« bezeichnet Linke-Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg die Lage. »Hunderttausende erwarten jetzt zu Recht Transparenz über den Zustand der Tunnel und die sofortige Reparatur, deshalb setzen wir das diese Woche auf die Tagesordnung im Parlament«, kündigt sie an. Die Linke fordere seit Langem, keine Hochhäuser auf die Tunnelanlagen der ÖPNV-Adern der Stadt zu bauen. »Und wer diese Forderung nach diesem ganzen Fiasko immer noch infrage stellt, handelt unmoralisch«, so Gennburg zu »nd«. »Wir brauchen einen Bannkreis um unsere Infrastrukturen, einen Rendite-Bannkreis!«, fordert sie.
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