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  • Special Olympics World Games 2023

Inklusive Sommerspiele: Little Olympia in Berlin

Die Special Olympics haben begonnen – und zeigen, wie inklusiver Sport funktionieren kann

  • Noah Kohn
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Spiele haben begonnen: Unter anderem auf dem Maifeld, wo Deutschlands Fußballerinnen gegen Jamaika kickten.
Die Spiele haben begonnen: Unter anderem auf dem Maifeld, wo Deutschlands Fußballerinnen gegen Jamaika kickten.

Als erstes betraten die Griechen das Stadion. In blauen Trainingsanzügen lief die Delegation aus dem Mutterland der antiken Olympischen Spiele ein und schwenkte dabei fröhlich kleine rote Fähnchen. Die mehr als 50 000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion winkten jauchzend zurück, der Rahmen war gesetzt: Das hier ist eine Veranstaltung auf Olympischem Niveau.

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Am späten Samstagabend und 175 weitere Delegationen später erklärte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die »Special Olympics World Games Berlin 2023« für eröffnet. Endlich gingen sie los, die an jeder Ecke der Hauptstadt beworbenen Weltspiele der Inklusion. Bis zum 25. Juni treten 6500 Athletinnen und Athleten mit geistiger Behinderung aus der ganzen Welt in 26 Sportarten an. Es soll ein Fest der Begegnungen, des Sports und der Unterhaltung werden – ganz wie das große Vorbild Olympia.

Die Eröffnungszeremonie lieferte die entsprechenden Bilder dafür: Das norwegische Duo Madcon performte den Titelsong »Are You Ready«, Akrobaten turnten durch die Luft und ein bombastisches Feuerwerk färbte den Berliner Nachthimmel rotgolden. Auch eine junge Frau mit dem Spitznamen »Liquid« war Teil des Bühnenprogramms. Sie studiert Puppenspiel an der Berliner Schauspielschule HfS Ernst Busch – zusammen mit Kommilitonen und Schauspielern des inklusiven Theaters RambaZamba erweckte sie riesige Tierplastiken zum Leben – einen Wasserbüffel, einen Elefanten, ein Nashorn und das geflügelte Pferd Pegasus. »Ich find das ein sehr rührendes Ereignis, dass hier Menschen aus der ganzen Welt zusammenkommen. Das ist mega cool«, sagte Liquid kurz vor ihrem Auftritt.

Tatsächlich gelang es dem Veranstalter Special Olympics International (SOI), einen besonderen Abend zu inszenieren – mit Menschen mit geistiger Behinderung in der Hauptrolle. Wie zum Beispiel dem deutschen Fußballer Ralf Andrasch, der den Sportlereid zu diesen Weltspielen ablegte und versprach: »Lasst mich gewinnen, aber wenn ich nicht gewinnen kann, lasst mich mutig mein Bestes geben«. Oder Tennisspielerin Sophie Rensmann aus Nordrhein-Westfalen, die die »Flamme der Hoffnung« entzünden durfte und später resümierte: »Dass ich die Special Olympics Flamme entzünden konnte, darüber habe ich mich richtig gefreut. Es ist aber auch ein richtig großer Stein von meinem Herzen gefallen. Jetzt kann ich mich endlich auf Tennis konzentrieren.«

Unter die tanzenden Fans aus Bahrain, Pakistan, Japan und Co. mischte sich auch Benjamin Krasper. »Wir haben zwei Athleten bei uns in der Einrichtung, die bei den Special Olympics World Games in Berlin mitmachen«, erzählte Krasper stolz. Gemeint sind Bärbel Gratopp und Kersten Schneevoigt, Tischtennisspieler der deutschen Mannschaft.

Gratopp und Schneevoigt arbeiten in den Werkstätten der Lebenshilfe Ostfalen in Sachsen-Anhalt. Krasper ist zusammen mit einer 15-köpfigen Fangruppe angereist, um die beiden zu unterstützen: »Wir bleiben bis Montag und wollen auch zu den Wettkämpfen von den beiden und sie anfeuern.« Mit dem Anfeuern konnte am Sonntag begonnen werden. Dort starteten die ersten Wettbewerbe für die Athleten und Athletinnen mit geistiger Behinderung. Am Messegelände wurden die ersten Tischtennis-Duelle ausgefochten, am Alexanderplatz 3x3-Basketball gespielt, auf der Straße des 17. Juni Rad gefahren.

Um die Sportler im Sinne der Chancengleichheit in Gruppen von ähnlich starken Kontrahenten einzuteilen, wurden dafür zuerst Klassifizierungswettbewerbe ausgetragen. Athleten, die in diesen Vorläufen absichtlich weniger Leistung zeigen, um im Finale mit einer deutlichen Leistungssteigerung einen taktischen Vorteil zu erlangen, können disqualifiziert werden. Mit dieser sogenannten »Honest-Effort-Rule« wollen die Veranstalter sicherstellen, dass Athleten aller Fähigkeiten die gleiche Chance auf Erfolg haben, egal ob es um eine persönliche Bestleistung oder eine Goldmedaille geht.

Im Olympiastadion, wo die Eröffnungsfeier stattfand, wurden keine Wettkämpfe ausgetragen, dafür aber im angrenzenden Olympiapark: Fußball, Handball und Hockey standen auf dem Tagesprogramm und auch die Leichtathleten wurden zum ersten Mal gefordert: Im Hanns-Braun-Stadion liefen die ersten Viertel- und Halbfinals über verschiedene Laufdisziplinen, Weitsprung und Kugelstoßen.

»Marvin, lauf auf der Innenbahn«, rief eine Trainerin aus Gibraltar einem 1500-Meter-Läufer zu, der die erste Runde des Rennens auf einer der äußeren Bahnen rannte und somit einen längeren Weg als die Konkurrenz zurücklegte. »Halte dein Tempo!« Der 31-jährige Marvin Zammit hörte auf seine Trainerin, wechselte die Spur und gewann das Halbfinale. Am Mittwoch steht das Finale für den Läufer mit geistiger Behinderung an. Verschieden sein, und dass vielleicht nicht immer alles perfekt funktioniert, ist bei den Special Olympics Normalität. Da können sogar die großen Olympischen Spiele noch was dazulernen.

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