- Wirtschaft und Umwelt
- 75 Jahre Währungsreform
D-Mark-Einführung vor 75 Jahren: Der Sündenfall folgte später
Mit der Einführung der D-Mark im Westen kam es vor 75 Jahren auch im Osten zur Währungsreform
»Bereits am folgenden Montag waren die Schaufenster der Geschäfte mit lange nicht gesehenen Waren gefüllt«, stellte die Bundesbank Jahrzehnte später in ihrer Hausgeschichte zur Einführung der D-Mark fest. Der damit verbundene psychologische Effekt trug entscheidend zur Entstehung des Mythos »Währungsreform« bei. Am Tag vor der Währungsreform, dem Sonntag, 20. Juni 1948, war in den Lebensmittelkartenstellen der erste Teil des Kopfbetrages ausbezahlt worden. Für 60 Reichsmark gab es 40 DM. Von langer Hand geplant, galt ab dem 21. Juni die neue »Deutsche Mark« als Währung in den drei Westzonen. Der Osten war erst einmal ausgebootet worden.
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Die neue Währung wurde, wie Jahrzehnte später ihre Nachfolgerin, zu einer Erfolgsgeschichte. Oder, nach anderer Lesart, zu einem Problemfall. Das »Wirtschaftswunder«, der Aufschwung nach dem Krieg, den es in mehreren Ländern gab, basierte zunächst auf einer stabilen Währung. Das ebenfalls neu geschaffene Zentralbanksystem trug mit Krediten an Banken und Unternehmen zur wirtschaftlichen Neubelebung bei. Die Summe der Investitionskredite an die Industrie verzehnfachte sich bis 1952. Damit war eine Anschubfinanzierung für die spätere »Deutschland AG« geleistet. Seit Mitte der 50er Jahre war dann eine direkte Finanzierung der Wirtschaft nicht mehr nötig. Bis heute genügt es, Geld für Banken und Sparkassen bereitzustellen, die es als Kredit an Unternehmen und Privatpersonen weiterleiten.
Der Sündenfall folgte später und erinnert an die aktuelle Situation. In den beiden Ölkrisen vor einem halben Jahrhundert stiegen die Preise für Erdöl, Gas und Rohstoffe stark an und begründeten eine Phase hoher Teuerungsraten, die sich allmählich auf zahlreiche Warenpreise ausdehnte. Wie heute herrschte die Auffassung vor, dass nur durch eine Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage die Inflation bekämpft werden könne. Die Bundesbank erhöhte ihre Leitzinsen drastisch – wie seit Monaten die Europäische Zentralbank. Bis auf neun Prozent wurde der sogenannte Lombardsatz erhöht.
Der Erfolg war mäßig: Die Inflationsrate kletterte bis auf 7,8 Prozent und benötigte fünf Jahre, um sich zu normalisieren – und schoss nach der zweiten Ölkrise erneut in die Höhe. 1974/75 brach die Wirtschaft ein und erholte sich nur leicht. Es folgten die bleiernen 80er Jahre. Aus jener Zeit stammt der legendäre Satz des SPD-Kanzlers Helmut Schmidt: »Fünf Prozent Preisanstieg sind leichter zu ertragen als fünf Prozent Arbeitslosigkeit.«
Doch diese war bereits in Sicht, obwohl die importierte Inflation ähnlich wie heutzutage allen Bemühungen der Bundesbank zum Trotz die Preise weiter antrieb. Aus der Vollbeschäftigung während des Nachkriegsbooms wurde Massenarbeitslosigkeit: Mit der ersten Ölkrise nahm die Zahl der Arbeitslosen ein Jahrzehnt lang immer weiter zu. Die Arbeitslosenquote stieg bis auf über neun Prozent. So ganz wurde die deutsche Wirtschaft die Massenarbeitslosigkeit nie mehr los, auch nicht nach der Wiedervereinigung.
Dabei hatte die D-Mark schon bei ihrer Einführung ihre Schattenseiten. Zunächst habe sich 1948 ein »Gefühl der Enteignung« breitgemacht, schreibt die Bundesbank. Der Grund dafür war vor allem, dass die Spareinlagen und Guthaben bei Banken drastisch zusammengestrichen wurden. Aus rund 140 Milliarden Reichsmark im Westen wurden 5,3 Milliarden D-Mark auf zunächst gesperrten »Freikonten«. Kleinere Ersparnisse waren oft ganz weg, weil die Kopfbeträge darauf angerechnet wurden. Gewinner waren jene, die Schulden hatten und Besitzer von Sachwerten wie Häusern oder Aktien.
Die sowjetische Besatzungsbehörde SMAD reagierte noch im Juni 1948 auf die neue D-Mark und ließ Kupons auf die alten Reichsmarkscheine kleben. So wurde die »Kuponmark« übergangsweise zum Zahlungsmittel. Ende Juli wurden dann auf »Deutsche Mark der Deutschen Notenbank« lautende Geldscheine in Umlauf gebracht. Erspartes wurde im Verhältnis 10:1 entwertet. In Groß-Berlin galten zeitweise beide Währungen.
Dank der Währungsreformen entsprachen die Geldmengen den Warenmengen. Für dauerhafte Stabilität reichte das aber nicht aus. Nach der bislang längsten Phase ungebrochener Hochkonjunktur mit Wachstumsraten bis zu 12,1 Prozent im Jahr 1955 endete das »Wirtschaftswunder« 1967 mit der ersten Rezession. Dies kann den Zeitreihen entnommen werden, die das Statistische Bundesamt anlässlich seines 75-jährigen Bestehens veröffentlicht: »Grund für die Rezession 1967 war eine nachlassende Inlandsnachfrage infolge geldpolitischer Entscheidungen.« Die Bundesbank hatte ihre Leitzinsen drastisch angehoben.
Die Phasen hoher Inflation in den Jahren 1973/1974, 1981 und 1992 waren jeweils Vorboten einer Rezession im Folgejahr. Das Wachstum hat sich über die vergangenen Jahrzehnte ohnehin deutlich verlangsamt. Im Zeitraum von 1950 bis 1970 war das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt mit durchschnittlich 6,4 Prozent pro Jahr dynamisch gewachsen. Im Durchschnitt der vergangenen zwei Jahrzehnte hat das BIP dann nur noch ein Prozent pro Jahr zugelegt. Dabei hatte die jüngste Währungsreform, der Euro, noch der deutschen Wirtschaft geholfen, von einem lohn- zu einem exportorientierten Wachstumsmodell umzusteigen – derweil die Schaufenster nun mit importierten Waren gefüllt sind.
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