Nach Parlamentswahlen: Juristisches Strippenziehen in Bangkok

Thailands politische Zukunft ist weiter offen, denn gegen den Wahlsieger laufen Ermittlungen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Pita Limjaroenrat hat einen vollen Terminkalender. Der Spitzenmann der Move Forward Party (MVP), und andere Führungskräfte absolvieren regelmäßige Treffen in ihrem Parteienbündnis, aber auch mit Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft. Es wirkt wie eine Art Arbeitstherapie: sich rund um die anstehende Regierungsbildung beschäftigt halten, nur um zu verhindern, dass die enorme Anspannung in einer Art Politkrimi allzu sehr um sich greift.

Denn nach wie vor ist offen, ob Pita und seine linksliberale MVP, die strahlenden Wahlsieger aus dem Vormonat, gemeinsam mit ihren Partnern tatsächlich die nächsten Jahre die Geschicke des Landes lenken dürfen. Reaktionäre Netzwerke bemühen wahljuristische Winkelzüge, um den Mann, den viele im In- und Ausland längst als neuen Premier sehen, am liebsten komplett aus dem Spiel zu nehmen – womöglich samt seiner Partei.

Wahl des Regierungschefs

Noch immer hat die Wahlkommission das Ergebnis der Wahl vom 14. Mai nicht bestätigt. Dabei hatten die oppositionell-demokratischen Kräfte einen Erdrutschsieg errungen gegen die Parteien des Regimes der Ex-Putschisten von 2014 unter dem noch geschäftsführend regierenden Prayuth Chan-ocha. Die Frist läuft bis 13. Juli, laut jüngsten Aussagen könnte es bereits Ende dieses Monats so weit sein, dass mindestens 95 Prozent aller Abgeordneten bestätigt sind.

Als Abstimmungstermin über den Parlamentsvorsitz scheint laut »Bangkok Post« der 26. Juli gesetzt, während eventuell am 3. August in einer gemeinsamen Sitzung beider Parlamentskammern der neue Regierungschef gewählt wird. Einziger Kandidat dafür wäre derzeit Pita. Allerdings bräuchte der Achterblock dann ausreichend zusätzliche Stimmen aus dem noch von der Junta eingesetzten Senat, um mit insgesamt 376 Sitzen auf die einfache Mehrheit zu kommen.

Überzeugungsarbeit im Senat

Die sehr mühsame Überzeugungsarbeit im Senat durch den Achterblock, der eine umfassende Reformagenda zum Ziel hat, läuft weiter. Doch es gibt genug Kräfte, die es erst gar nicht so weit kommen lassen wollen. Vor allem Ruangkrai Leekitwattana, ein früherer Listenabgeordneter der regimetreuen Palang Pracharat Party (PPRP), hatte diverse Petitionen eingereicht, die schon die grundlegende Legitimation Pitas in Frage stellen. Mehrere Beschwerden hat die Wahlkommission in der ersten Junihälfte abgewiesen, darunter solche, die sich gegen die MVP richteten.

Doch vor allem ein weiteres Verfahren läuft weiter. Es hat die Wertigkeit eines schweren Kriminalfalls und betrifft Ermittlungen, ob Pita im Bewusstsein einer fehlenden Wählbarkeit kandidiert hat. Sollten die Vorwürfe als zutreffend eingestuft werden, drohen nicht nur ihm selbst bis zu zehn Jahre Haft, eine Geldstrafe und 20 Jahre Verlust aller politischen Rechte. Betroffen wären nachfolgend auch die 112 Direktkandidat*innen der MVP, die es ins Parlament geschafft haben – hatte Pita doch ihre Bewerbungen unterzeichnet.

Kontroverse um Anteile an Medien

Im Kern der Kontroverse stehen 42 000 Anteile am früheren Medienkonzern ITV, der in den 90er Jahren als unabhängiger Sender gegründet wurde. Pita hat wiederholt betont, diese Anteile aus dem Erbe seines verstorbenen Vaters nur für Verwandte verwaltet und zudem vor der Wahl abgegeben zu haben. Laut Gesetz dürfen Parlamentarier nicht direkt mit Medienunternehmen verbunden sein, das gilt auch schon für die Zeit der Kandidatur.

Derzeit besteht ITV de facto nur auf dem Papier: Der Betrieb wurde schon 2007 eingestellt, die Listung bei der Börse 2014 gestrichen. Nur wegen eines Rechtsstreits besteht aber die Firmenregistrierung fort, ohne dass es Geschäftsaktivitäten gibt. Jene, die Pita daraus einen Strick drehen wollen, juckt das nicht. Die Wahlkommission hat sich für ihre Untersuchungen vorerst 20 Tage Zeit gegeben, eine Verlängerung um 15 Tage ist möglich – es gehe um Gründlichkeit, heißt es. Ein etwaiges Gerichtsverfahren dazu könnte sich aber sogar im schlimmsten Fall über ein Jahr hinziehen.

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