- Politik
- Repression
Weitere Festnahmen in französischer Umweltbewegung
Die Regierung will die Kampagne Les Soulèvements de la Terre verbieten
Die Polizei in Frankreich hat am Dienstag zu einem weiteren Schlag gegen die Umweltbewegung ausgeholt. Bei Hausdurchsuchungen wurden mindestens sieben Personen festgenommen, die der Kampagne Les Soulèvements de la Terre (Die Aufstände der Erde) zugerechnet werden. Andere französische Medien berichten von 14 Festnahmen.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Die Kampagne, die über keine feste Struktur verfügt, war zuletzt Ende März an Auseinandersetzungen um agrarindustrielle Wasserspeicher im westfranzösischen Sainte-Soline beteiligt und steht seitdem verstärkt im Fokus der Behörden. Vor zwei Wochen hatten Antiterroreinheiten ähnliche Razzien durchgeführt und 15 Personen für bis zu vier Tage in Gewahrsam genommen. Die Staatsanwaltschaft unterstellt ihnen die Mitgliedschaft in einer »kriminellen Vereinigung«, womit Les Soulèvements de la Terre gemeint ist. Die Festgenommenen sollen bei einer Sabotageaktion von mehreren Hundert Aktivist*innen in weißen Overalls auf einem Gelände des Baustoffkonzerns Lafarge beteiligt gewesen sein.
Die erneute Operation am Dienstag begann um sechs Uhr morgens mithilfe der Antiterroreinheit SDAT, Razzien erfolgten in Marseille, Paris und nördlich von Nantes. Dort, in Notre-Dame-des-Landes, haben sich Aktivist*innen seit zwei Jahrzehnten angesiedelt und erfolgreich den Bau eines Flughafens verhindert. In der Region sollen auch bis zu sieben der Festnahmen vom Dienstag erfolgt sein, dabei waren Berichten zufolge auch Hubschrauber der Gendarmerie im Einsatz.
Entscheidung zum Verbot droht am Mittwoch
Auch in der Nähe des ostfranzösischen Bure, wo die Regierung in Paris eine große Atommülldeponie plant, drangen am Dienstag schwerbewaffnete Einheiten in ein Wohnprojekt ein. Ob dies im Zusammenhang mit der Repression gegen Les Soulèvements de la Terre steht, ist aber noch unklar. In dem Dorf Montiers-sur-Saulx wurde auch Loïc S. festgenommen, der in Hamburg wegen der Teilnahme an den G20-Protesten zu drei Jahren Haft verurteilt worden war. Ein Gericht in Nancy hatte am Freitag die sofortige Aufhebung seiner Haftstrafe verfügt, die er zuletzt in Frankreich absitzen sollte.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstrich vergangene Woche die Bestrebungen seines Innenministers Gérald Darmanin, Les Soulèvements de la Terre zu verbieten, und rief die Premierministerin Élisabeth Borne zum Handeln auf. Eine solche Verbotsverfügung könnte bei der Sitzung des Ministerrates am Mittwoch beschlossen werden. Entsprechende Vorbereitungen wurden am Dienstag von Regierungssprecher Olivier Veran bestätigt.
Kritik von Abgeordneten und Vereinten Nationen
In der Bewegung wird vermutet, dass die Festnahmen der vermeintlichen »Ökoterroristen« die Notwendigkeit eines Verbots untermauern sollen. Mehrere Abgeordnete reagierten darauf mit Kritik. Die Grüne Sandrine Rousseau erinnerte an den »Aufruf des 18. Juni« von 1940, wonach Widerstandskämpfer*innen gegen Nazi-Deutschland ebenfalls als »Terroristen« bezeichnet wurden. Der Koordinator der Linkspartei LFI, Manuel Boppard, fordert, der Staat müsse die Klimabewegung anhören, anstatt diese »zu knebeln und zu verhaften«.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat den französischen Staat bereits mehrfach wegen Gewaltexzessen seiner Ordnungskräfte verurteilt. Am vergangenen Donnerstag haben zehn Expert*innen der Vereinten Nationen in Genf das Vorgehen der Pariser Regierung gegen Protestbewegungen scharf kritisiert. In Frankreich sei demnach etwa bei Demonstrationen der »Gelbwesten« oder gegen die Rentenreform eine »exzessive Gewaltanwendung« normalisiert worden, dies gefährde die Versammlungsfreiheit. Das war zuletzt am vergangenen Wochenende zu beobachten, als die Behörden bei einer verbotenen Demonstration gegen den Bau der Hochgeschwindigkeitstrasse Lyon-Turin Blendschockgranaten in die Menge warfen, was unter anderem zu schweren Kopfverletzungen führte.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.