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  • Zwischen Fernsehturm und Spree

Rathausforum in Berlin: Jugendbanden statt Altstadtpassanten

Das Berliner Rathausforum zwischen Fernsehturm und Spree soll ein Park für alle werden

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Grünzug soll es werden: Überarbeiteter Entwurf für die Neugestaltung des Rathausforums
Ein Grünzug soll es werden: Überarbeiteter Entwurf für die Neugestaltung des Rathausforums

»Jugendliche können auch herumlungern«, sagt Alexander Bölk. Der Landschaftsarchitekt stellt am Dienstagabend den weiterbearbeiteten Entwurf für die Gestaltung des Berliner Rathausforums vor. Vom Fernsehturm über das Marx-Engels-Forum bis zum Spreeufer soll bis 2030 eine grüne Oase entstehen. Ein Park für alle, so sehen es die zehn Leitlinien der Bürgerbeteiligung vor.

2015 wurden diese erarbeitet, sechs Jahre später gewann dann das Büro RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten den Wettbewerb zur Gestaltung. Jetzt geht es an die Details: Wo laufen Wege entlang? Wie soll mit Regenwasser umgegangen werden? Und natürlich: Wie sehen die Aufenthaltsflächen aus? Bereits im Februar gab es dazu einen Workshop mit Kindern, die an der Gestaltung neuer Spielflächen beteiligt wurden.

Im Herbst folgt nun selbiges für Jugendliche. »Viele sind im Rathausforum unterwegs, haben hier aber kein richtiges Zuhause«, sagt Alexander Bölk. Das soll sich ändern. Auf der Seite der Rathausstraße sollen sie einen eigenen, trapezförmigen Platz bekommen. Basketballkörbe und Platz zum Skaten werde es zwar auch geben, Treppen am Platz sollen jedoch zum »Herumlungern« einladen. »Der Aufenthalt ist der Schwerpunkt der Gestaltung.« Einige, die am Dienstag ihre Wünsche einbringen, wollen auch 24 Stunden am Tag zugängliche und kostenfreie Toiletten aufgestellt sehen. Solche Anregungen fließen nun in die weitere Arbeit ein.

Dass Jugendliche in Stadträumen ausdrücklich gewünscht sind, hört man nicht oft. Konsumfreie Aufenthaltsmöglichkeiten gibt es ohnehin wenig. Und dort, wo sie möglich wären, sprießt nicht selten sogenannte defensive Architektur aus dem Boden, die den Aufenthalt für Jugendliche, aber auch Obdachlose mehr als unbequem macht.

Die schlimmsten Visionen für dieses städtische Areal sind aber noch ein Stück exklusiver, als es defensive Architektur wäre. Konservative Vereine werben schon lange für eine rekonstruierende Altstadtbebauung des Areals. Mit dem Wechsel im Roten Rathaus ist nun die Angst aufgekommen, dass sie mit ihren Wünschen Erfolg haben könnten: Die grünen Umgestaltungspläne finden sich nicht mehr im Koalitionsvertrag. Auch in den Vergabeunterlagen für ein städtebauliches Entwicklungskonzept zur Berliner Mitte ist das Rathausforum nicht enthalten.

Diese Sorgen werden auch am Dienstagabend laut. Es sei alles sehr schön, was hier geplant wurde, am Ende könnte es aber scheitern, wenn das Geld für den Umbau nicht bereitgestellt werde, befürchten Teilnehmer. Egal, ob wegen der Haushaltslage oder wegen anderer Vorstellungen für den Stadtraum.

Diese Vorstellungen werden auch am Dienstagabend laut. Die Arbeitsgemeinschaft Stadtmitte der Stiftung Zukunft Berlin verteilt eine Stellungnahme, nach der sie sich eine Neuauflage der gesamten Planung für das Rathausforum wünscht. Es müsse mehr die Historie dieses Ortes sichtbar werden. Auch zu Personen, die hier gewirkt haben, wie Moses Mendelssohn und Gotthold Ephraim Lessing, sollten Bezüge hergestellt werden. Die Marx-Engels-Statuen hingegen stünden an der falschen Stelle. »Marx und Engels hatten mit Berlin nichts zu tun. Sie hätten an der Karl-Liebknecht-Straße stehen bleiben sollen«, lässt sich ein Vertreter ein. Die bisherige Planung bezeichnet er als »Sandkästchen«: »Die Stadt muss sich in ihrem Zentrum tatsächlich auch als Stadt darstellen.«

Die Senatsumweltverwaltung gibt am Dienstagabend aber Entwarnung. Anke Wünnecke, Referatsleiterin für Freiraumplanung, betont, dass es einen ersten Preis für ein Konzept gab, und zitiert aus den Leitlinien der Bürgerbeteiligung, die vorgeben, dass hier eine grüne Oase entstehen soll. Bereits im März wurde das Geld für den ersten Bauabschnitt freigegeben. Los gehen wird es mit der Umgestaltung für ein »Forum der Demokratie« vor dem Roten Rathaus.

Später wird es auch an die Umsetzung der Schwammstadt gehen. Regenwasser soll nicht mehr in das Kanalisationsnetz fließen, das bei besonders starkem Regen in die Spree übergeleitet wird. Es soll hier künftig breitflächig versickern. Womit man dann auch wieder bei Karl Marx wäre. Der hatte im dritten Band des »Kapitals« geschrieben, dass die Erde »nachfolgenden Generationen verbessert zu hinterlassen« sei, wie ein Teilnehmer bei der Veranstaltung aufklärt. Ohne in eine Marx-Exegese abzugleiten: Wenn dann also auf der Fläche vor der Spree das Regenwasser versickert, steht die Marx-Statue vielleicht doch ganz richtig dort.

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